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Studenten aus dem Kosovo in Deutschland
"Man muss mehr sein, als man ist"

Viele junge Kosovaren zieht es zum Studieren ins Ausland - und insbesondere nach Deutschland. Hier locken hohes akademisches Niveau und eine große kosovarische Diaspora. Für viele aber war das deutsche Visum bisher eine kaum zu überwindende Hürde.

Von Sabine Winkler |
    Ein Schild das auf die Passkontrolle bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland hinweist, aufgenommen am 04.11.2010 an der Hafeneinfahrt des Hafen Anklam im Landkreis Ostvorpommern. Foto:Stefan Sauer
    Der Weg in EU-Staaten wie Deutschland ist vielen Kosovaren noch verbaut, auch wenn sie studieren wollen (picture alliance/dpa/Stefan Sauer)
    Trina Ukmata sitzt entspannt im Café und schlürft schwarzen Tee. Ihr Wörterbuch liegt griffbereit. Nur für den Fall, dass ihr mal ein Wort nicht einfällt. Die 21-Jährige stammt aus dem Kosovo, hier in Weimar studiert sie Medienwissenschaften, schon im vierten Semester. Dahinter steckt Arbeit: "Für mich war es ein Kulturschock. Ich hatte gute Noten, meine Professoren haben mich gelobt, Und ich dachte, ich bin etwas. Und dann bin ich nach Deutschland gegangen und habe gesehen: Es gibt viele Trina Ukmatas da. Und ich habe gemerkt, man muss sich stärker engagieren, man muss mehr sein, als man ist. Und ich dachte: Wow!"
    Ihre Mutter ist in den USA geboren. Deshalb hat die junge Frau auch eine doppelte Staatsbürgerschaft. Für das Studium in Deutschland braucht sie kein Visum. Damit hat sie es leichter als ihre Landsleute, sagt Ukmata: "Ich hatte Glück eigentlich. Und manchmal fühle ich mich schlecht."
    Visa-Freiheit in weiter Ferne
    Die Republik Kosovo ist erst neun Jahre jung, aber noch lange nicht von allen Staaten anerkannt. Der Weg in die Europäische Union ist daher vorerst verbaut. Die EU stellt auch für das Zwischenziel Visa-Freiheit Bedingungen: Der Kosovo muss die offenen Grenzkonflikte mit Serbien und Montenegro lösen und die grassierende Korruption im eigenen Land bekämpfen. Damit hat die EU zwei wunde Punkte getroffen, denn beide Probleme kann oder will der Kosovo nicht aus eigener Kraft lösen. Aber: keine Lösungen, keine Visa-Freiheit.
    Bei Mevlyde Hyseni wäre daran fast ein Lebenstraum gescheitert. Die 31-Jährige Kosovarin braucht kein Wörterbuch, um fließend Deutsch zu sprechen. Mit ihren Eltern hat sie zehn Jahre in Baden-Württemberg gelebt, bevor die Familie zurück in den Kosovo zog. Heimisch hat sie sich dort aber nicht gefühlt.
    "Dann habe ich immer gedacht, ich gehe zurück nach Deutschland! Sobald ich kann, gehe ich zurück nach Deutschland."
    Zwei Jahre lang hat sie recherchiert und sich um ein Studium bemüht. Das Ergebnis: Zusagen für drei Universitäten, genug erspartes Geld, und Aussicht auf eine Unterkunft. Es fehlte nur noch das Visum.
    "Und die deutsche Botschaft hat ein paar Monate gebraucht, bis sie mir eine Antwort gegeben haben. Ich habe die Einschreibefrist verpasst. Als ich das Visum dann endlich bekam, hatte das Semester schon eineinhalb Monate begonnen."
    "Okay, Deutschland will mich nicht"
    Ein paar Tage haben die Unis in Berlin, Potsdam und Rostock noch abgewartet. Aber irgendwann war deren Geduld auch aufgebraucht, berichtet Hyseni.
    "Aber da habe ich gedacht: Okay, Deutschland will mich nicht. Ich habe mich ein bisschen abgelehnt gefühlt. Und dann habe ich gedacht: Ok, dann gehe ich zurück. Dann will ich nie wieder etwas mit Deutschland zu tun haben."
    Sechs Jahre ist das her. Inzwischen hat Hyseni es doch noch geschafft und sich mit ihrer alten Heimat versöhnt.
    Viele junge Kosovaren zieht es zum Studieren ins Ausland, besonders nach Deutschland. Sie loben das deutlich höhere akademische Niveau. Eine große kosovarische Diaspora - in Deutschland etwa 375.000 Menschen - verspricht schnellen Anschluss. Doch der Studientraum hat seinen Preis.
    Die deutsche Botschaft muss jedes Jahr etwa 50.000 Visa-Anträge bearbeiten - etwa 200 pro Tag. Viele Kosovaren warten ein halbes Jahr oder länger auf eine Antwort von der Botschaft. Einmal Antrag stellen kostet etwa 75 Euro. In einem Land mit einem Durchschnittslohn von 250 Euro ist das eine Menge Geld.
    Visa-Erleichterungen für Studierende seit August
    Viele Kosovaren fühlen sich deswegen eingeschlossen.
    "Die Menschen fühlen sich isoliert", sagt Trina Ukmata, "weil die können nirgendwo gehen ohne dieses Visum. Aber dieses Visum zu kriegen ist sehr, sehr schwierig, Es ist eine große Herausforderung. Deswegen werden die Menschen ganz oft deprimiert, dass die keine Chancen haben - insbesondere mit dem deutschen Visum."
    Immerhin: Seit dem 1. August können Studierende, die nach Deutschland wollen, etwas aufatmen. Das Außenministerium hat jedem Kosovaren, der einen Studienplatz hat, auch ein Visum zugesagt.