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Suboptimaler Lebensraum

Der Hirsch wird in Land- und Forstwirtschaft nicht gern gesehen - aus Angst vor Schäden wird er sogar außerhalb festgesetzter Rotwildgebiete getötet. Beim Symposiums der Deutschen Wildtierstiftung haben Jäger, Waldbesitzer, Politik und Naturschutz jetzt über ein hirschgerechtes Leben in Deutschland diskutiert. Denn eigentlich fühlt sich der Hirsch tief im Wald gar nicht zu Hause.

Von Regina Bartel |
    Er gilt als Schädling und als König der Wälder - dabei ist der Hirsch im Wald nur Bewohner wider Willen. Er gehört ins Offenland. Warum er sich dort wohlfühlen würde, beschreibt Dr. Helmuth Wölfel vom Institut für Forstzoologie und Waldschutz der Universität Göttingen:

    "Lichte Wälder, das ja, aber die dunklen oder dichten Wälder sind sicher nicht Hirsch-geeignet. Eine ganze Fülle von Faktoren spricht dafür: Der Körperbau, die Fortbewegung, die Art, wie die Tiere aufgezogen werden, die Jungen, wo sie sich hinbewegen - das spricht alles dafür. Auch dass sie alle Sinne - Auge genauso wie Nase und das Gehör - gleichermaßen einsetzen, spricht dafür, dass die Tiere der offenen Landschaft und der Tiefebene angehören und in Gebirgslagen sich allenfalls zur Sommerfrische aufhielten."

    Der Hirsch bewohnt einen suboptimalen Lebensraum, weil die Menschen ihn hineingedrängt haben. Bei Bauernaufständen und Revolutionen fiel das Volk über das Wild des Feudalherren her, und auch im 20. Jahrhundert durften die Tiere nicht zurück in ihre alten Lebensräume. Sven Herzog, Professor für Wildökologie und Jagdwirtschaft an der Technischen Universität Dresden:

    "Es ist natürlich historisch gesehen so, dass zu der Zeit der niedrigen Rotwildbestände um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die Interessen der Landwirtschaft stark waren. Das war in den dreißiger Jahren - Stichwort: Autarkiebestrebung und so - und diese starke Landwirtschaft ist auch im heutigen Jagdgesetz verankert, so dass man heute tatsächlich aus Sorge vor Wildschäden in der Landwirtschaft das Rotwild auf vielen Flächen nicht haben möchte."

    Der Hirsch darf nicht leben, wo er will. Doch an dieser Einstellung tut sich was, Jäger, Waldbesitzer, Naturschützer und Politiker kommen ins Gespräch und setzen neue Ziele im Rotwildmanagement fest. Stefan Mörstorf, Umweltminister des Saarlandes:

    "Wir wollen, dass die Rotwildgebiete, die es gibt in Deutschland, stärker miteinander vernetzt werden, dass Wanderungsbewegungen eben möglich sind, dass, ohne dass sich die Zahl der Tiere insgesamt signifikant erhöht, es doch möglich sein muss, dass man die Fläche, auf der es die Tiere gibt, eben ausdehnt. Das heißt dann auch konkret, dass sich die Schäden eben verteilen und nicht nur auf wenigen Flächen stattfinden. Ich glaube, dass das auch dazu führt, dass die durch Rotwild entstehenden Schäden insgesamt stärker akzeptiert werden können, weil sie dann insgesamt auch geringer werden."

    Hirsche sollen wandern und zurück ins Offenland kommen. Doch vielerorts sind die Tiere extrem scheu. Ulrich Wotschikowsky vom Verein für Arten-, Umwelt- und Naturschutz, VAUNA e.V.:

    "Wir neigen dazu, die Probleme gerne den Waldwanderern, den Mountainbikern, den Beeren- und Schwammerlnsuchern in die Schuhe zu schieben, wenn wir feststellen, dass die Hirsche scheu sind. Aber die Hirsche haben nicht Angst vor diesen Leuten, nicht vor den Freizeitlern, sondern die Hirsche haben in erster Linie Angst vor Bejagung. Wir müssen also in erster Linie das bei uns vor der eigenen, also der Tür der Jäger zusammenkehren, was wir da falsch machen."

    Ein artgerechtes Leben für Deutschlands größtes Säugetier das funktioniert nur, wenn alle mitmachen, die sich für das Rotwild interessieren, sei es als Wildbret oder als Naturerlebnis. Haymo G. Rethwisch, Vorstand der Deutschen Wildtierstiftung, glaubt, dass der Konsens nahe ist:

    "Ich sehe sehr viel grünes Licht für den Hirsch, weil es ist ja nach wie vor auch eine der aufregenden Wildtierarten, die wir in unserem Lande haben, und je mehr sich das in dem allgemeinen Publikum rumspricht, je mehr Kräfte bekommt auch eine solche Bewegung."