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Sünder oder Sündenbock

Drei Rating-Agenturen entscheiden maßgeblich über die Bonität von Unternehmen und Ländern wie beispielsweise im Falle von Griechenland. Ihre Machtfülle will die ESMA, die Europäische Wertpapieraufsicht, künftig beaufsichtigen, die morgen ihre Arbeit aufnimmt.

Von Christoph Birnbaum und Michael Braun |
    Daumen runter - dieses Urteil hat die Ratingagentur Moody's über die Kreditwürdigkeit des gerade erst von Europa geretteten Portugal gefällt. Danach ist die Bonität des Landes um vier Stufen gesunken - auf, wie es in der Fachsprache heißt: BA2- oder anders ausgedrückt: Ramsch. Anleihen aus Portugal gelten nun nicht mehr als sichere, sondern als "spekulative" Anlage. Weil das Risiko besteht, dass Portugal einen weiteren EU-Rettungsplan benötigen könnte, vielleicht sogar private Gläubiger einspringen müssten.


    Ein Déjà-vu. Denn in den letzten Tagen hatten sich die europäischen Finanzminister bemüht, private Gläubiger am Hilfspaket für Griechenland zu beteiligen, aus Frankreich und Deutschland auch die eine oder andere Zusage bekommen. Da platzte die Ratingagentur Standard & Poor's mit der Warnung auf den Nachrichtenmarkt, eine solche Beteiligung privater Gläubiger werde sie als Zahlungsausfall Griechenlands werten.

    Doch gerade dieser Zahlungsausfall soll ja vermieden werden, um griechische Banken und deren Kreditgeber, vielleicht das ganze europäische Finanzsystem, nicht kollabieren zu lassen. "Unangemessen", "wenig Hilfreich", "bewusste Provokation gegenüber den europäischen Steuerzahlern", erregte sich der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon über die Warnung von Standard & Poor's. Die Deutsche Bundeskanzlerin erklärte, sie vertraue lieber auf die Urteile der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds - und stellte damit die Deutungshoheit der Ratingagentur gleich ganz in Frage. Die Fachwelt nahm es gelassener. Michael Kemmer etwa, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken:

    "Ich gehe davon aus, dass die Ratingagenturen sehr sensibel im Moment die öffentliche Diskussion beobachten. Denen kann ja nicht daran gelegen sein, ihre Akzeptanzprobleme noch zu vergrößern. Die Frage, ob da ein Zahlungsausfall vorliegt oder nicht, ist natürlich schwierig. Die Ratingagenturen müssen darauf bedacht sein, unabhängig zu agieren, das heißt auch, nach den eigenen Richtlinien zu handeln, selbst wenn es unpopulär ist. Man muss hier sicher weiter im Gespräch mit Standard & Poor's bleiben. Aber jetzt hier Standard & Poor's in Bausch und Bogen zu verdammen oder sogar davon auszugehen, dass das eine bewusste Provokation sei, halte ich für überzogen."

    Die momentan schnelle Erregung der Politiker über Ankündigungen der Ratingagenturen hat gleich mehrere Ursachen. Aus dem Urteil der Ratingagenturen hören sie: Die Regierungen haben schlecht gewirtschaftet, haben das Land in die Verschuldung getrieben. Und: Die bisherigen Rettungsmaßnahmen reichen nicht, könnten Stückwerk bleiben, also weitere Milliardenhilfen nach sich ziehen. Da ist außerdem das Gefühl der Abhängigkeit von drei großen privaten Agenturen mit einem Marktanteil von 95 Prozent. Da ist der Verdacht, die amerikanischen Agenturen hätten kein echtes Verständnis für die Bedingungen des europäischen Marktes. Und es bleibt das unangenehme Gefühl, vom Urteil von Institutionen abhängig zu sein, die sich in der Finanzkrise selbst als fehlbar erwiesen haben, weil sie auch hoch riskanten Finanzprodukten beste Noten gegeben haben.

    Einen Ausweg aus diesen Problemen soll die ESMA weisen. Die "European Securities and Markets Authority" - die Europäische Wertpapieraufsicht. Sie nimmt morgen ihre Arbeit auf und soll als eine von drei neuen europäischen Kontrollbehörden, die Finanzaufsicht in Europa stärken. Die ESMA soll sich dabei besonders der Aufsicht der drei großen amerikanischen Ratingagenturen widmen, die im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise stark in Verruf geraten sind.

    Bisher fehlte in Europa eine solche zentrale Wertpapieraufsicht, die für einen einheitlichen Standard bei den Bewertungen sorgte. In Zukunft müssen sich bei ihr - neben den kleineren europäischen Agenturen - auch die drei großen, amerikanisch dominierten - "akkreditieren" lassen. Die neue Behörde befasst sich allerdings nicht mit einzelnen Ratings, sondern kontrolliert, ob die Agenturen europäisches Recht berücksichtigen. Und dafür müssen die ihre Bewertungsmethoden offenlegen. Ein bislang gut gehütetes Geheimnis, das die Agenturen auch weiterhin nicht so einfach preisgeben wollen.
    Schon bevor die ESMA ihre Arbeit aufgenommen hat, legte sich der neue Chef der der Aufsichtsbehörde, der Brite Steven Maijoor, deshalb mit den drei großen amerikanischen Ratingagenturen - Standard & Poors, Moody's und Fitch - an. Sie sollten sich gefälligst an europäische Richtlinien halten, wenn sie über Länder wie Griechenland urteilten, oder aber, sie hätten auf dem europäischen Markt nichts zu suchen, erklärte der ESMA-Chef im Juni.

    Starke Worte. Aber kann er den Worten auch Taten folgen lassen? Ist die ESMA wirklich Europas Antwort auf die amerikanischen Ratingagenturen und ihren angeblich so unkontrollierbaren Einfluss auf die Staatsschuldenkrise in Europa? Die Politik sagt: Ja! Wir brauchen die Kontrolle durch die ESMA - und wir brauchen vor allem ein Gegengewicht zu den US-Ratingagenturen: Eine eigene europäische Agentur. Allen voran, der deutsche Bundesfinanzminister vor wenigen Tagen auf einer Tagung der CDU-Bundestagsfraktion.

    "Wir müssen die Machtfülle des Oligopols der drei maßgeblichen marktführenden Agenturen im Blick haben. Aber wir müssen darauf achten: Die Institute selbst sind nicht frei von Interessenkonflikten und deswegen versuchen wir, den Regulierungsrahmen der Institute möglichst von Interessenkonflikten frei zu halten. Natürlich ist es auch besser, mehr Wettbewerb in das System bringen. Ich hoffe, dass das gelingt."

    Wolfgang Schäuble kann sich mit seiner Forderung nach mehr Kontrolle und Wettbewerb auf dem Ratingmarkt öffentlicher Unterstützung sicher sein. Auch von Teilen der deutschen Wissenschaft, wie zum Beispiel von Professor Dorothea Schäfer, Finanzmarktexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) in Berlin. Sie begrüßt, dass die ESMA den amerikanischen Ratingagenturen nunmehr genauer auf die Finger schauen will:

    ""Die Verbesserung liegt sicherlich darin, dass diese Behörde ihr eigenes Profil suchen muss. Das heißt sie wird auf jeden Fall sicherlich in ihrer Startphase darauf achten, dass sich auf den Finanzmärkten keinerlei größere Instabilitäten bilden. Zum Beispiel hat sie ja schon angekündigt, dass sie die Ratingagenturen hier in Europa nicht so einfach an den Start gehen lassen will, sondern dass sie sie streng beaufsichtigen lassen will und dass sie sich auch hier registrieren müssen."

    Also: Alles wird gut mit der ESMA? Nein, meint der Finanzwissenschaftler der Ruhruniversität Bochum, Stefan Paul:

    "Die ESMA kann nur eine Facette sein bei den Problemlösungen zur Aufarbeitung der Finanzmarktkrise. Das Rating, das nicht richtig funktioniert hat in der Krise, ist sicherlich eine der Ursachen. Aber es gibt eine ganze Reihe von anderen Ursachen, die gleichzeitig auch in Angriff genommen werden. Deswegen noch mal: Ist der Start der neuen Aufsichtsbehörde sicherlich wichtig, und die Märkte achten auf das Vorgehen der Kontrolleure, aber zu meinen, dass man damit alle Ursachen der Krise beseitigt hätte, das wäre sicherlich nicht der Fall."

    Das viel größere Problem sieht Stephan Paul im doppelten Spiel der Politik. Auf der einen Seite werden die Politiker nicht müde, die Agenturen zu kritisieren - angefangen von der Bundeskanzlerin, die sich schon sehr frühzeitig für eine europäische Ratingagentur ausgesprochen hat, über den Bundesfinanzminister, der mehr Wettbewerb beim Rating fordert, bis hin zu den Parteien im Bundestag, die alle - durch die Bank - derzeit an Ratingagenturen kein gutes Haar lassen.

    Andererseits, das darf man nicht vergessen, ist die Krise durch die Politik mit verursacht worden - durch eine exorbitante Schuldenpolitik, im Fall Griechenlands auch durch Subventionsbetrug, durch Täuschungen und Betrügereien - und nicht etwa nur durch die Finanzmärkte und schon gar nicht ursächlich durch die Ratingagenturen. Deswegen ist auch die Politik in dieser Frage in Deutschland und in ganz Europa alles andere als ein neutraler Beobachter.

    Die Politik und die Finanzmarktkrise - das ist für den Bochumer Finanzwissenschaftler deshalb in der augenblicklichen Diskussion das eigentliche Thema hinter dem Thema.

    "Ich glaube, dass ein wesentlicher Teil der Finanzmarktkrise nicht Marktversagen, sondern Politikversagen war. Das fängt bei den Ursachen schon an. Man hat ja amerikanische Haushalte auch gezielt in Verschuldung hineingetrieben. Man hat bestimmte Wertpapierkonstruktionen politikseitig schöngeredet und über die Notenbank auch zu viel Liquidität in die Märkte hinein gegeben. Des Weiteren hat man die Ratingagenturen ja erst in die Bankenregulierung mit hineingezogen. Ihr Urteil wird verwendet, um die notwendige Eigenkapitalunterlegung zu bestimmen. Dagegen haben sich die Agenturen ja auch gewehrt. Es half aber nichts. Die Politik hat sie sozusagen verhaftet. Und nun verhaftet sie sie noch mal für die Fehler die gemacht wurden."

    Für den Bochumer Finanzwissenschaftler ist deshalb auch der Aufstand der Politik gegen die angeblich so große Macht der Ratingagenturen eher ein Mittel, um vom eigentlichen Versagen der Politik abzulenken.

    "Man ist in der Politik derzeit nicht in der Lage, Lösungen für den eigentlichen Problemkern zu finden - nämlich die überbordende Verschuldung von Staaten. Insofern ist es nicht die Ratingagentur, die zu einem Desaster eines einzelnen Landes führt, sondern Betrug, Unterschlagung, falsche Sozialpolitik - all das, was wir in Griechenland sehen, hat letztlich dazu geführt, und wenn die Ratingagenturen es nicht massiv angeprangert hätten im Frühjahr letzten Jahres, dann wäre die Krise noch länger unter der Decke geblieben."

    Das gilt es im Hinterkopf zu behalten bei der derzeit weitverbreiteten Kritik an den Ratingagenturen. Noch einmal Stefan Paul von der Ruhruniversität Bochum:

    "Also, ich halte die Kritik an den amerikanischen Ratingagenturen für total überzogen. Wenn man zunächst einmal in die Historie schaut, dann gibt es sicherlich einige Krisen, bei denen die Ratingagenturen falsch lagen. Aber im Schnitt der letzten hundert Jahre lagen sie verdammt gut. Man muss also anerkennen, dass die Prognosequalität über lange Zeiträume hervorragend war. Das heißt nicht, dass man die Verfahren verbessern kann, aber - wie man so schön sagt - der 'track record', der stimmt."

    Auch Professor Christina Bannier von der Frankfurt School of Finance and Management hält die Bonitätsurteile der Agenturen über Unternehmen für zuverlässig. Die strukturierten und in alle Welt verbreiteten Produkte, in denen die maroden amerikanischen Immobilienkredite verpackt waren, also die berühmten "toxischen Wertpapiere", die hätten aber auch die Agenturen nicht durchschaut:

    "Diese Modelle waren sehr komplex, und auch Ratingagenturen haben hier Fehler gemacht, weil ihnen nicht bewusst war, in welcher Form sich Risiken tatsächlich auswirken können. Hier sieht das Bild tatsächlich etwas anders aus. Hier muss man den Ratingagenturen eine zu lasche Herangehensweise unterstellen."

    Kann aber eine neue "europäische Ratingagentur", wie sie die Politik im Sinne von mehr Wettbewerb seit langem fordert, zu einem anderen Ergebnis kommen? Zu einem, das außerdem von mehr Verständnis für die europäische Finanz- und Haushaltspolitik zeugt als die amerikanischen Bewertungen, die dieser Politik sehr kritisch gegenüberstehen? Ja klar, meint die Finanzmarktexpertin des DIW, Dorothea Schäfer.

    "Also, es ist einfach auffällig, dass die amerikanischen Ratingagenturen immer dann, wenn in Europa Entscheidungen über Hilfen für Griechenland oder andere verschuldete Staaten anstehen, dass sie dann gerne das Rating absenken, um hier Bewegung oder Unruhe in die Sache zu bringen."

    Dabei haben die Ratingagenturen es nach ihrer Ansicht nicht einmal geschafft, auf ihrem eigenen Heimatmarkt die Lage immer richtig zu beurteilen:
    "Sie haben sich massiv verschätzt beim Rating von diesen subprime mortgages, also von diesen Hypotheken in den USA, und den daraus abgeleiteten Derivaten. Sie haben sich massiv verschätzt auch in Europa beim Rating von Anleihen. Jahrelang haben sie ja schließlich sehr hohe Ratings für griechische Anleihen gegeben. Und erst, als der Markt es schon eh gewusst hat, wurde man mit der Herabstufung der Ratings konfrontiert. Also, es ist hier nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Ratingagenturen möglicherweise zu sehr im amerikanischen Finanzmodell verhaftet sind und sie haben dabei noch nicht einmal auf dem amerikanischen Finanzmarkt eine Erfolgsgeschichte auszuweisen."

    Amerikanisches Finanzmodell bedeutet: Im angelsächsischen Raum beschaffen sich Unternehmen ihr Geld sehr viel häufiger über den Kapitalmarkt, sei es in Form von Anleihen oder in Form von Aktien. Unternehmen in Europa finanzieren sich vor allem über Bankkredite. Das, so lautet der Vorwurf, haben die amerikanischen Agenturen bei der Bewertung europäischer Unternehmen und Staaten nicht verstanden.

    Auch deshalb arbeitet Markus Krall, Partner in der Unternehmensberatung Roland Berger, daran, eine europäische Konkurrenz aufzubauen. Mit rund zwei Dutzend Finanzdienstleistern - Banken, Börsen, Versicherungen - ist er im Gespräch, damit sie Ideen und Geld in das Projekt einspeisen, mit dem sich, sollte es gelingen, gutes Geld verdienen lässt. Dabei gibt es bereits europäische Ratingagenturen, wenn auch kleine. Auch in Deutschland. Die Frage, wer denn noch eine weitere Agentur brauche, beantwortet Krall nahezu mit der Begeisterung des Gründers:

    "Eine europäische Ratingagentur ist nach unserer Auffassung eigentlich etwas, was alle brauchen. Und zwar deswegen, weil wir glauben, dass diese Ratingagentur, wenn sie in der richtigen Art und Weise aufgesetzt wird und mit den richtigen Maßnahmen kombiniert wird, einen wesentlichen Beitrag leisten kann, die Ratingindustrie zu verbessern im Sinne von mehr Wettbewerb, mehr Transparenz, mehr Qualität und weniger Interessenkonflikten. Und damit sinkenden systemischen Risiken, die sich aus dem bisherigen Status Quo ergeben. Und dieses Absenken des systemischen Risikos ist eigentlich unser Ziel. Und da dieses systemische Risikoniveau vom Steuerzahler getragen wird, haben am Ende alle etwas davon."

    Kann also eine europäische Ratingagentur mehr als eine amerikanische, wenn es um die Einschätzung von in Zahlungsschwierigkeiten geratene Staaten geht? Denn auch die amerikanischen Agenturen schauen Unternehmen und Staaten, die sie prüfen, genau in die Bücher und halten ständigen Kontakt. Nein, meint deshalb Stephan Paul:

    "Was wäre, wenn es nicht eine amerikanische Ratingagentur wäre, die zum Beispiel Griechenland beurteilen würde, sondern eine europäische Ratingagentur. Ich zweifele daran, dass das Urteil, das getroffen würde, ein anderes wäre. Warum? Mittlerweile sind auch die amerikanischen Agenturen sehr gut in der Lage, die Spezifika, die es vielleicht geben mag in einzelnen Ländern zu verstehen. Die Mitarbeiter kommen zum Teil auch aus Europa. Es gibt auch europäische Niederlassungen. Also, von daher kann ich mir nicht vorstellen, dass eine europäische oder gar deutsche Behörde ein anderes Urteil fällen würde. Es sei denn, die Politik würde sie dazu nötigen. Aber das wünschen wir uns ja nun auch wieder nicht."

    Auf jeden Fall muss der Eindruck vermieden werden, die europäischen Staaten als Regulatoren und Förderer der Idee wollten eine solche europäische Agentur, um sie besser im Griff zu haben als die scheinbar widerspenstigen Amerikaner. Professor Christina Bannier von der Frankfurt School of Finance and Management:

    "Ich glaube, dem Markt geht es darum, akkurate, präzise Qualitätsurteile ausgesprochen zu bekommen. Da ist es irrerelevant, ob das Urteil ausgesprochen wird von einer europäischen oder amerikanischen Agentur. Insofern stellt sich mir die Situation eher als eine stark politisch getriebene Fragestellung dar, was natürlich dem Geschäft einer Agentur, eventuell auch einer zukünftigen europäischen Agentur, eher abträglich ist. Denn es setzt die ganze Initiative schon gleich unter den Vorbehalt: Da ist ein politisches Projekt mit dem Ziel natürlich, in irgendeiner Form zu besseren Ratings zu kommen für europäische Emittenten, für europäische Unternehmen oder auch für europäische Staaten. Und das macht die Ratings schon per se etwas unglaubwürdig. Und dementsprechend für den Markt auch eher unattraktiv."

    Krall will für "seine" europäische Agentur deshalb auch keine Privilegien, keine Vorschriften etwa, dass neue Wertpapiere nur mit einem Bonitätsurteil dieser Agentur börsenfähig werden könnten:

    "Also, Regulierungen oder aufsichtliche Maßnahmen, die eine Ratingagentur bevorzugen, würden wir für ordnungspolitisch falsch halten. Das kann auch nicht das Ziel sein, einen nicht funktionierenden Wettbewerb durch ein Quasi-Monopol zu ersetzen, sondern was wir anstreben müssen, sind ordnungspolitisch saubere Vorgehensweisen. Deswegen lehnen wir es ganz und gar ab, Vorschläge zu machen, die die Marktteilnehmer zu etwas in dem Sinne zwingt, dass sie sich eine bestimmte Ratingagentur aussuchen müssen, egal ob Emittenten oder Investoren. "

    Vielmehr solle, sagt er,

    "…hier eine zentrale Plattform geschaffen werden, möglicherweise mit Hilfe der Börsen, wo in Zukunft Emittenten ihre Daten hinterlegen müssen für das Rating und wo jede Ratingagentur, die lizenziert ist entsprechend, mit diesen Datensätzen Ratings durchführen kann und sie auch dort dann wieder hinterlegen kann, wo sie dann von Investoren gekauft werden beim Erwerb der neu emittierten Wertpapiere am Primärmarkt."

    Am Markt werden die Ideen über neue Ratingagenturen gehört. Sie werden vor allem daraufhin abgeklopft, ob neue Anbieter das ermöglichen können, was bisher schon Ziel war: weltweite Vergleichbarkeit von Kreditausfallwahrscheinlichkeiten herzustellen.

    Schnell, also ohne Vertrauensbrüche, wird das bisher eingespielte System nicht zu ändern sein. Das braucht Zeit. Vielleicht nicht ganz so viel Zeit, wie es dauern wird, die aufgehäuften Schulden abzubauen. Die bleiben das Problem. Welche Ratingagentur der Bote der schlechten Nachricht ist, ist zweitrangig.

    Interview: Chef von Standard & Poors weist Kritik an Rating-Agenturen zurück