Sieben Manager des Telekommunikationskonzerns France Télécom, seit 2013 unter dem Namen Orange, sollen zwischen 2006 und 2011 ihre Mitarbeiter mit brutalen Mobbingmaßnahmen zur Kündigung gedrängt haben. Vier Jahre lang hat Untersuchungsrichter Pascal Gand Unterlagen von France Télécom gesichtet, von verschlüsselten PowerPoint-Präsentationen bis hin zu Tausenden von E-Mails. Er hat Angestellte und Führungskräfte befragt, 193 Seiten umfasst sein Bericht – und die Pariser Staatsanwaltschaft hält ihn für stichhaltig, beantragte im Juli einen Prozess wegen "systematischen Mobbings".
Das Management, so die Vorwürfe, die seit Jahren erhoben werden, habe im Unternehmen eine "Politik der Destabilisierung" betrieben: Mitarbeiter mit Beamtenstatus seien häufig auf wenig attraktive oder weit entfernt von ihrem Wohnort gelegene Posten versetzt worden, von "Psychoterror" ist die Rede, von einem "Klima der Angst". Zitiert wird der Fall eines langjährigen Buchhalters, der innerhalb von drei Jahren viermal versetzt wurde und zuletzt beim Kundendienst landete, wozu er, wie Kollegen erzählen, "nicht geeignet war, wovon er nichts verstand". Aus Verzweiflung überschüttete der vierfache Familienvater sich mit Benzin und verbrannte – einer von 35 Selbstmorden bei France Télécom - innerhalb von zwei Jahren. Beim Trauerzug der Belegschaft, 2009, herrscht Fassungslosigkeit darüber, dass die Geschäftsleitung ihre Methoden nicht ändert und auch auf die Selbstmordwelle nicht reagiert.
"Wir sind hier als Hommage an einen Kollegen, der gestorben ist. Wir denken viel an seine Familie. Und: Wir sind hier aus Wut. Aus Wut darüber, dass nichts passiert. Wir erwarten endlich eine klare Entscheidung der Geschäftsleitung - und die kommt nicht!"
"Wir sind völlig fertig. Es sind nur Mini-Maßnahmen, die getroffen wurden, ohne jede Wirkung, irgendwas wird gemacht, egal was. Es muss jetzt wirklich mal was passieren, sondern werden sich diese Selbstmorde fortsetzen – leider."
France-Télécom-Chef Didier Lombard wählte unpassende Worte
Doch es passierte nicht viel, und der damalige Chef von France Télécom, Didier Lombard, fand auch zu den Selbstmorden nicht die richtigen Worte, sagte bei einer Pressekonferenz 2009 einen Satz, über den man sich nicht nur im Unternehmen empörte.
"Es muss jetzt mal Schluss sein mit dieser Selbstmord-Mode, die natürlich alle Welt schockiert."
Vor allem gegen ihn, Didier Lombard, richten sich die Vorwürfe. In einem Beitrag für die Zeitung "Le Monde" hatte der heute 70-Jährige eingeräumt, dass es durch die Veränderungen im Unternehmen zu "Verunsicherungen der Mitarbeiter" gekommen wäre. Doch habe France Télécom mit Schulden von über 68 Milliarden Euro vor der Pleite gestanden, "unerlässlich" seien die getroffenen Maßnahmen "für das Überleben des Konzerns" gewesen, und dass die Veränderungen die Ursache waren für die "menschlichen Dramen" bei France Télécom: Das wies Didier Lombard "entschieden" zurück. Gewerkschaftsvertreter forderten inzwischen, die Anklage um den Tatbestand "fahrlässige Tötung" zu erweitern. Christian Pigeon von der Gewerkschaft "SUD PTT Orange":
"Für uns ist es außerordentlich wichtig, dass die Justiz endlich ans Licht bringen kann, wer in der Geschäftsleitung für was verantwortlich war, was die Selbstmorde angeht und die Methoden, die damals angewandt wurden."
Und Sebastien Crozier von der Gewerkschaft CFE-CGC Orange:
"Dieser Wille der Direktion, möglichst viele Leute rauszuwerfen - mit brutalen Methoden und systematisch organisiert, beweist die Absicht, die sie hatten, das Vorsätzliche daran - und das Ziel war nur: Rentabilität."
Genau diesen Vorsatz nachzuweisen, die "systematische Organisation", dürfte nicht leicht werden. Dass es zu einem Prozess kommt, wird allgemein erwartet, die Aufmerksamkeit ist schon jetzt: groß.