Staffan de Mistura dürfte mit zwiespältigen Gefühlen nach Astana reisen, der kasachischen Hauptstadt. Er ist UNO-Sondergesandter - aber die Vereinten Nationen sind nicht, wie bisher, Schirmherrin der Friedensverhandlungen: Sie sind lediglich eingeladen worden. De Mistura hat dennoch angenommen, er wird die UNO-Delegation leiten.
Drei Länder, ein Zweckbündnis?
Ausrichter der Konferenz sind drei Länder, die streng genommen unterschiedliche Interessen verfolgen: Russland und der Iran sind Verbündete des syrischen Präsidenten Assad, zuletzt hat vor allem Russland mit massiven Luftangriffen ermöglicht, dass die syrische Armee die Großstadt Aleppo zurückerobern konnte. Die Türkei dagegen hat seit Kriegsbeginn eher die Rebellen und Gegner Assads unterstützt. Aber: Der Kampf gegen Terroristen hat die drei Länder als Zweckbündnis zusammengeführt. Russland, die Türkei und der Iran sind ohnehin seit Jahren bemüht, mehr Gewicht auf dem internationalen politischen Parkett zu erlangen: Astana ist ihre Chance, das zu beweisen.
Anreisen wird auch die syrische Regierung, vertreten wohl durch UNO-Botschafter Dschaafari. Assad selbst hat klargemacht, dass er in erster Linie über eine Waffenruhe verhandeln will. Er ist nach eigener Darstellung bereit, allen Rebellen eine Amnestie anzubieten - wenn sie ihre Waffen niederlegen. Vollkommen unklar und umstritten ist dagegen die Frage, ob Assad überhaupt eine Rolle in der Zukunft Syriens spielen kann oder sollte. Daran sind frühere Verhandlungen in Genf regelmäßig gescheitert, denn für viele Oppositionelle ist es undenkbar, dass Assad an der Macht bleibt. Sie argumentieren, er habe zu viel Blut an den Händen. Diese Frage wird darum in Kasachstan ausgeklammert.
Die syrische Opposition ist stark fragmentiert, es gibt politische orientierte Gruppierungen wie den "Hohen Verhandlungsrat", die eher aus dem Exil agieren. Und es gibt viele bewaffnete Rebellengruppen, die im Land kämpfen: Hier reicht die Bandbreite von der gemäßigteren Freien Syrischen Armee (FSA) über islamistisch geprägte Milizen wie Dschaisch al-Islam und Ahrar al-Scham bis hin zu dschihadistischen Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat und der Nusra-Front (die sich heute Fateh al-Scham nennt).
"Das Blutvergießen beenden"
Der "Hohe Verhandlungsrat" unterstützt die Verhandlungen in Kasachstan. Die Rebellen werden unter anderem durch Mohammed Allusch vertreten, er ist Mitglied der Miliz Dschaisch al-Scham und soll durch politische Berater der syrischen Opposition verstärkt werden. Allusch sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Gespräche von Astana seien Teil eines Prozesses, um das Blutvergießen durch das syrische Regime und seine Verbündeten zu beenden.
Auch von Seiten der FSA, der Freien Syrischen Armee hieß es, in Astana werde ausschließlich über die Waffenruhe gesprochen und nicht über politische Fragen. Die einflussreiche Miliz Ahrar al-Scham hat dagegen ihre Teilnahme abgesagt und verweist auf fortdauernde Luftangriffe Russlands und Syriens, die der Waffenruhe gerade entgegenstünden. Nicht vertreten sind laut Reuters auch die kurdischen Rebellen, etwa die Miliz YPG. Das dürfte an der Türkei liegen, die auch gegen kurdische Kräfte kämpft, die sie als Terroristen und Handlanger der verbotenen PKK einstuft.
Frankreich und Deutschland sehen nur einen "Zwischenschritt"
Eingeladen sind auch die USA - was der Iran kritisiert hat. Bis zuletzt war unklar, ob eine US-Delegation anreist, auch weil das Land gerade den Machtwechsel von Präsident Obama zu Präsident Trump erlebt. Trump hat mehrfach eine gewisse Nähe zu Russland zum Ausdruck gebracht - und, wie unser USA-Korrespondent Thilo Kößler zuletzt betonte - "dem Ziel eines Regimewechsels in Damaskus bereits eine deutliche Absage erteilt."
In Frankreich und Deutschland werden die Friedensgespräche von Kasachstan eher zurückhaltend bewertet: Die beiden Außenminister Ayrault und Steinmeier haben klargemacht, dass sie die Verhandlungen nur als Zwischenschritt zu einer neuen Runde von Beratungen in Genf sehen. Die nächste Runde der bislang erfolglosen Genfer Gespräche ist für den 8. Februar angesetzt. Elias Perabo vom deutschen Verein "Adopt a Revolution" sagte erst kürzlich im DLF, er wünsche sich, dass der Westen sich wieder mehr einmischen und mitverhandeln müsse.
Es fehlt an elementaren Dingen
Abgesehen von aller Diplomatie bleibt die humanitäre Lage in Syrien schwierig. Noch vor wenigen Tagen sagte der Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes im Deutschlandfunk, es fehle an elementaren Dingen - auch dort, wo gar nicht gekämpft werde. Auch die Vereinten Nationen beurteilen die Lage mit wenig Optimismus.
(jcs/mb/tk)