"Das Risiko von Nuklearterrorismus ist klein, aber doch nennenswert und wir brauchen auch im Frachtverkehr Technologien, die es ermöglichen, solche Anschläge zu verhindern."
Von Areg Danagoulians Arbeitsplatz am Massachusetts Institute of Technology ist es nicht weit zum Frachthafen von Boston – einem von vielen Häfen in der ganzen Welt, die in unmittelbarer Nähe von belebten Großstädten liegen. Solche Häfen sind aber nicht nur selbst mögliches Terrorziel, sie sind auch potenzieller Umschlagplatz für den Handel mit Bestandteilen von Kernwaffen. Um in der Fracht verstecktes Uran oder Plutonium zu entdecken oder gleich ganze Kernwaffen zu identifizieren, setzen die Sicherheitsverantwortlichen im Moment auf Röntgenstrahlung, mit der sie die Schiffscontainer durchleuchten.
"Das reicht nicht wirklich aus, um nukleares Material aufzuspüren, das in dem Container versteckt ist. Wenn man eine Kernwaffe zum Beispiel in Metallschrott versteckt oder mit organischem Material wie Holz abschirmt, dann ist es sehr schwer, diese Waffe auf einem Röntgenbild zu erkennen."
Selbst mit hohen Dosen lässt sich so kein klares Signal erreichen. Areg Danagoulians Ansatz setzt deshalb auf besonders durchdringende, energiereiche Gammastrahlung. Genauer: Auf Photonen mit zwei unterschiedlichen, genau definierten Energien von mehreren Mega-Elektronenvolt. Sie entstehen, indem Deuterium, also schwerer Wasserstoff, auf ein Ziel aus Boratomen geschossen wird. Die Photonen durchleuchten anschließend den Frachtcontainer und werden dann von Detektoren hinter dem Container aufgefangen. Aus der Analyse der ankommenden Strahlung lässt sich so die mittlere Dichte der Fracht pro Fläche bestimmen und welche chemischen Elemente in dem Container stecken.
"Die Flächendichte gibt uns nur eine zweidimensionale Information. Das ist nicht genug, weil die beobachtete Dichte einer großen Menge Eisen möglicherweise genauso aussieht wie die Dichte von einer kleinen Menge Uran. Wenn man aber unabhängig davon auch die Kernladungszahl misst, also die Anzahl der Protonen im Atomkern, dann kann man Eisen und Uran eindeutig voneinander unterscheiden. Die Messung der Kernladungszahl ist also eine zusätzliche Information, mit der wir die Zweideutigkeit ausräumen."
Vorteile gegenüber Röntgenstrahlen
Das Konzept hat einen weiteren Vorteil gegenüber gängigen Röntgen-Methoden, denn in Areg Danagoulians Aufbau lassen sich nicht nur aus der verwendeten Strahlung Rückschlüsse auf den Inhalt des Containers ziehen: Wenn radioaktives Material wie Uran oder Plutonium in der Fracht versteckt ist, müsste es bei einer Bestrahlung mit den verwendeten Photonen sein Wesen zwangsläufig preisgeben. Es würde bei der sogenannten „aktiven Befragung" durch die elektromagnetische Strahlung brav Rede und Antwort stehen – in Form von schnellen Neutronen, die bei der Durchleuchtung entstehen.
"Schnelle Neutronen sind ein eindeutiges Zeichen für spaltbares Material wie Uran. Wenn man also beim Durchleuchten der Fracht schnelle Neutronen detektiert, heißt das automatisch, dass auf jeden Fall spaltbares Material in dem Container ist. Wir kombinieren also mehrere Methoden miteinander."
Das Ziel von Areg Danagoulian und seinen Kollegen ist kein fertiges System, sondern ein Proof-of-concept, also der Beweis, dass ihr Konzept grundsätzlich funktioniert. Nicht nur technisch, sondern auch im alltäglichen Hafenbetrieb. Am Ende muss die Durchleuchtungstechnik klein sein, bezahlbar und darf höchstens zwei bis drei Minuten für einen einzelnen Scan benötigen – so viel Zeit gesteht die Frachtlogistik der Durchleuchtung eines Containers zu. In fünf Jahren, schätzt der Physiker, könnte die Scan-Methode regulär eingesetzt werden.