Im Schlaf erholt sich der Körper, das Gehirn aber ist hochaktiv, es verarbeitet die Eindrücke des Tages, sortiert sie und verknüpft sie mit bestehendem Wissen. Diesen Prozess wollte sich Xiaoqing Hu zunutze machen. Der Psychologe von der Northwestern University in Texas erforscht unbewusste Vorurteile. Sie zeigen sich zum Beispiel in etwas längeren Reaktionszeiten, wenn scheinbar nicht zusammenpassende Kombination von Gesichtern und Worten zu sehen sind. Wenn etwa "Mathematik" neben einem weiblichen Gesicht steht oder "Glück" neben einem afroamerikanischen Gesicht.
Xiaoqin Hu wollte diese unbewussten Vorurteile seiner Versuchspersonen mit einem Training verringern. Sie mussten gezielt auf solche scheinbar widersprüchlichen Kombinationen von Geschlecht oder Hautfarbe und Worten achten und dann schnell einen Knopf drücken.
"Direkt nach dem Training gibt es tatsächlich einen Lerneffekt, aber der verschwindet schnell."
Deshalb spielte der Psychologe im nächsten Durchgang des Experimentes jeweils einen Ton ein.
Ton 1
Er erklang, sobald ein weibliches Gesicht neben Worten wie "Forscherin" stand. Dagegen war dieser Ton zu hören,
Ton 2
Wenn ein schwarzes Gesicht mit Worten wie "Liebe" kombiniert wurde. Die Antivorurteil Lerneinheit mit 360 Wort-Gesichtspaaren dauerte etwa eine halbe Stunde. Danach durften die 40 Teilnehmer im Labor ein Nickerchen machen. Per EEG verfolgte Xiaoqing Hu, wann sie in der Tiefschlafphase angelangt werden. Jetzt spielte er die Töne immer wieder ab, leise natürlich, um die Teilnehmer nicht aufzuwecken. Die Hälfte bekam Ton 1
Ton 1
Zu hören, die andere Ton 2
Ton 2
Nachdem sie wieder aufgewacht waren absolvierten die Teilnehmer ein weiteres Mal den Test auf unbewusste Vorurteile. Und tatsächlich, wer im Schlaf Ton 1 gehört hatte,
Ton 1
Hatte noch weniger sexistische Vorurteile, allerdings blieben die Vorurteile bezüglich der Hautfarbe unverändert. Bei den Versuchspersonen, die Ton 2
Ton 2
Vorgespielt bekamen, war es genau umgekehrt. Die Erklärung ist, dass das Gehirn generell in zwei Stufen lernt, meint Xiaoqing Hu.
"Etwas neu Gelerntes speichert zunächst einmal der Hippocampus. Im Schlaf wird die Information dann in die Großhirnrinde übertragen und so dauerhaft stabilisiert. Wenn wir über die Töne das Training im Schlaf noch einmal aktivieren, dann wird es effektiver stabilisiert und kann alte Vorurteile überschreiben."
Der Effekt war sogar noch nach einer Woche nachweisbar. Deutsche Schlafforscher heben in einem Kommentar hervor, dass es in dieser Studie um Vorurteile ging, die wohl seit der Kindheit unbewusst aufgebaut und dann immer wieder verstärkt wurden. Dass die Kombination Training und reaktivieren des Trainings im Schlaf einen Effekt hat, ist erstaunlich und spricht dafür, dass der Schlaf eine Möglichkeit bietet, auch eingeschliffene Verhaltensweisen zu beeinflussen, etwas das Rauchen, Ängste oder auch Vorurteile, wenn das ein Mensch will."
Dabei kommt es allerdings auf die Details des Lernprogramms im Schlaf an. In früheren Versuchen kam es bei einem Training gegen Ängste unter bestimmten Bedingungen sogar zu einer Verstärkung der Furcht. Es gibt eben keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Xiaoqing Hu betont aber, dass sich das Lernen im Schlaf nicht dazu eignet, Menschen unbemerkt etwas einzuflüstern.
"Unsere Studie zeigt nicht, dass man im Schlaf völlig neue Dinge lernen kann. Man muss erst etwas lernen und kann das dann im Schlaf verstärken, das ist entscheidend. Wir können also nicht einfach den Geist im Schlaf manipulieren. Der Ausgangspunkt ist immer das wache Bewusstsein."