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Thanatopraxie
Der Mann, der die Toten schön macht

Angehörige wollen Verstorbene oft vor der Bestattung sehen. Gerade nach schweren Verkehrsunfällen oder Gewaltverbrechen können die Toten jedoch sehr entstellt sein. Thanatopraktiker, speziell ausgebildete Bestatter, balsamieren die Toten und präparieren sie für den Abschied.

Von Astrid Wulf |
    Eine Klingel für Bestatter ist am Universitätsklinikum Hamburg im Institut für Rechtsmedizin an einer Wand im Übergaberaum für Verstorbene zu sehen.
    Die Einbalsamierung stoppt die Verwesung für einige Zeit und desinfiziert den Körper. (dpa / Christian Charisius)
    Konzentriert öffnet Torben Bockholt mit einem Skalpell die rechte Halsschlagader einer Toten. Vor etwa zwei Wochen ist die Frau gestorben, sie war Ende 60. Sie liegt mit geschlossenen Augen und geöffnetem Mund auf dem Behandlungstisch, fahles Licht scheint auf ihren blassen Körper. Gemeinsam mit Ausbilder Stefan Dabringshaus balsamiert Torben Bockholt den Körper heute ein.
    "Ich habe hier schonmal den Tubus - willst du mal den Tubus aufsetzen? Ist der gut für die Arterie?" "Der könnte einen Tick größer sein… Ja, ist ok."
    Volle Konzentration beim Einbalsamieren
    Bei der Prozedur wird das Blut durch ein Formaldehydgemisch ausgetauscht. Eine Maschine pumpt die Flüssigkeit nach und nach in den Blutkreislauf. Dabei massieren die beiden Männer die Flüssigkeit in die Gliedmaßen der Frau ein und cremen ihre Haut ein. Während der gut zweistündigen Prozedur braucht der angehende Einbalsamierer seine volle Konzentration.
    "Es kann sein, dass Gefäße verlegt, das heißt: in irgendeiner Form verstopft sind. Dann kann es sein, dass Körperregionen dadurch anschwellen. Im schlimmsten Fall wäre das im Gesichtsbereich der Fall oder auch in den Händen, das sind die Körperregionen die wichtig sind für die Angehörigen. Die eventuell berührt, gesehen werden - das sollte in keinem Fall passieren. Deswegen sind wir da, um das zu steuern, deswegen können wir keinen Kaffee trinken gehen."
    Bundesweit etwa 150 Thanatopraktiker
    Die Nichte der Verstorbenen hatte sich die Einbalsamierung gewünscht. Sie lebt in Frankreich, kann erst in zwei Wochen kommen, um sich von der Toten zu verabschieden - und sie will es am offenen Sarg tun. Die Einbalsamierung macht das möglich: Sie stoppt die Verwesung für einige Zeit und desinfiziert den Körper. Durch die leicht rosafarbene Flüssigkeit sieht er zudem wieder etwas lebendiger aus, die Haut wirkt etwas praller und rosiger.
    Bestattungen werden immer individueller, immer häufiger wollen Angehörige die Toten noch einmal sehen, sagt Bockholts Ausbilder Stefan Dabringhaus. Dann sind Thanatopraktiker gefragt: Etwa 150 gibt es bundesweit. Torben Bockholt ist eigentlich gelernter Koch - sein Beruf hat ihm jedoch irgendwann nicht mehr gereicht.
    "Faszination am anatomischen Wissen"
    "Ganz wichtig ist für mich die Faszination am anatomischen Wissen. Ich habe dann mich darauf konzentriert, einen Job zu finden, der mich einfach interessiert. Und das war im Bereich des Anatomischen der des Bestatters, und wenn man sich über den Bestatterberuf ein wenig informiert, dann kommt man auch ganz schnell zum Einbalsamierer, zum Thanatopraktiker, und als ich mich darüber informiert habe, war mir ganz schnell klar, dass ich das machen will."
    Anders als bei dieser Frau sind viele Verstorbene auf Torben Bockholts Behandlungstisch durch schwere Krankheiten gezeichnet oder durch Unfälle entstellt. Dann richtet er sie mit Wachs, Airbrush und Makeup wieder so her, dass der Anblick für die Angehörigen erträglicher wird. Ihnen zu helfen, für die Trauernden da zu sein, das treibt den 30-jährigen an. Reingewachsen sei er in diesen Job nach und nach.
    "Als ich angefangen hab, gab es immer wieder Punkte, an denen ich gesagt habe: Ok. Der nächste Schritt, wenn ein Kind versorgt werden soll, das wird eine Hürde sein. Das wird nochmal eine Hürde sein. Der nächste Schritt: Wenn du jemanden gestorben ist, den du behandeln sollst, der in irgendeiner Form mit dir bekannt ist. Aber wenn man in dem Bewusstsein rangeht, helfen zu wollen, hat man keine Hürde und keine Angst davor."
    Respekt vor der Aufgabe und den Toten
    "Willst du mal den Mund absaugen?" "mmh."
    Danach dringt Torben Bockholt über einen Schnitt mit einem langen Stab in den Bauchraum ein und saugt einen Teil der Konservierungsflüssigkeit wieder ab. Dann werden die Haare gewaschen, manchmal wird das Gesicht noch etwas geschminkt, zuletzt wird der Verstorbene angezogen. Mittlerweile ist das alles für ihn Routine, abgestumpft fühlt er sich jedoch keineswegs.
    Torben Bockholt ist es wichtig, den Respekt vor dieser Aufgabe und den Toten zu bewahren. Selbstverständlicher sei für ihn der Umgang mit dem Tod geworden und er schätzt zum Beispiel das Familienleben mehr. Er weiß schließlich, wie schnell alles vorbei sein kann.
    "Ich hab einen Zwillingsbruder, der einen Motorradführerschein gemacht hat, dann fragt man doch schon: Muss das sein? Man hat doch schon den einen oder anderen Motorradunfall begleitet in der Familie und weiß, wie plötzlich das dann ist und wie schwer das für die Familie ist, und dass man sagt: Sei vorsichtig, wenn du losfährst."