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ThyssenKrupp bezahlt Luxusreisen für Journalisten

Der Essener Konzern ThyssenKrupp hat für Journalisten von namhaften Tageszeitungen Luxusreisen finanziert. Es werde eine Abhängigkeit geschaffen, die es dem Journalisten später nicht mehr erlaube, kritisch zu berichten, sagt Jörg Eigendorf, Leiter des Investigativteams der Weltgruppe. Die Reaktionen der betroffenen Medien sind mehr als dürftig.

Von David Goeßmann |
    "Und dann steht unter diesem Artikel: "Diese Reise hat in der ersten Klasse stattgefunden der Lufthansa, im Firmenflieger von ThyssenKrupp sowie in zwei gecharterten King Air Maschinen."

    Jörg Eigendorf, Leiter des Investigativteams der Weltgruppe und Mitglied der Chefredaktion, hat monatelang den Umgang des Essener Konzerns mit Journalisten recherchiert.

    "Außerdem waren wir dreieinhalb Tage in der Singita Lebombo Lodge. Die Gesamtkosten dieser Reise haben – ich sag‘ es mal Pi mal Daumen – 17.000 Euro betragen. Stellen Sie sich mal vor, eine Zeitung würde das unter einen Artikel schreiben. Der Leser würde sich die Augen reiben und sagen: 'Haben die sie nicht mehr alle?'. ”"

    Eine Pressereise nach Südafrika, gesponsert von ThyssenKrupp. Fünf Tage Luxus, ein Minenbesuch, wenige Termine, sonst Freizeit und BBQs. Journalisten von verschiedenen Tageszeitungen sind an Bord. Die Süddeutsche Zeitung betitelt ihren Artikel über die Reise später mit "Starke Geräte", der Berliner Tagesspiegel schwärmt mit "Aus dem Busch auf den Bau" über das Ausbildungsprogramm von ThyssenKrupp in Südafrika.

    Oder im Sommer diesen Jahres. Ein Reporter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird exklusiv mit Firmen-Privatjet und 1. Klasse-Flügen nach China kutschiert, um dort mit dem ThyssenKrupp Vorstand Jürgen Claassen in Fünfsternehotels zu logieren.

    ""Ziel dieser Reise von ThyssenKrupp war, dem Journalisten die andere Seite von ThyssenKrupp – 'Wir machen nicht nur Stahl, sondern auch Technologie' – zu zeigen und wir sind groß in China. Gleichzeitig wird genau dieses Denken auch in dem Artikel formuliert. Da heißt es nämlich dann, dass diese Seite von ThyssenKrupp überhaupt nicht zur Geltung kommt, da man ja gerade die große Krise mit dem Stahlwerk in Brasilien hat. Also es wird auch noch so argumentiert."

    Eigendorf spricht von einem Gefälligkeitsartikel. Doch das sei nicht das Hauptziel der PR-Reise gewesen.

    "Ehrlich gesagt: Es geht doch gar nicht um den Bericht danach. Der ist doch nicht das, worauf es ankommt. Hier geht es darum, eine enge Verbindung zu schaffen, eine Zugänglichkeit zu schaffen und Journalisten in ein Boot zu holen, aus dem die Journalisten nicht mehr selber aussteigen können. Man schafft hier bestimmte Abhängigkeiten und man bringt den Journalisten auch in eine Lage, die es ihm schwierig macht, unliebsam hinterher zu handeln und unliebsam zu berichten."

    Der ThyssenKrupp-Konzern hat angekündigt, die Luxusreisen in einer Untersuchungskommission genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Reaktionen der betroffenen Medien sind mehr als dürftig. Statt Problematisierung wird abgewiegelt. So lässt Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff Eigendorf mitteilen, dass "die Reise die erwarteten Hintergrundinformationen über das Unternehmen erbracht" hätten. Die Interviewanfragen von Markt und Medien an die Verantwortlichen bleiben unbeantwortet oder werden abgelehnt. Die Rheinische Post und der Tagesspiegel mailen ihre knappen Stellungnahmen: Von den Details der Reise hätte man vorab nichts gewusst. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung verspricht, eine Antwort zu schicken.

    "Wir haben einen Fragenkatalog an alle Redaktionen gestellt, der irgendwo zwischen zehn und dreizehn Fragen lang war, und zwar an die Ressortleiter oder Chefredakteure. Wir haben von keiner einzigen Redaktion, von keinem einzigen Chefredakteur oder Ressortleiter eine Antwort auf jede Frage bekommen, sondern wir haben einfach ein paar Sätze bekommen, mit dem das aus der Welt geschaffen werden soll. Wenn das der Maßstab ist, wie künftig Unternehmen mit unseren Umfragen umgehen können und sollen, ja, dann gute Nacht."

    Eigendorf hält Pressereisen für wenig sinnvoll, jedoch nicht grundsätzlich für illegitim. Die luxuriösen Reisen mit ThyssenKrupp hätten jedoch eindeutig eine Grenze überschritten. Er fordert die Einhaltung von Standards, die zum Teil auch im Pressekodex enthalten sind: Keine Luxustrips für Journalisten, Kostenübernahme bzw. Kostenbeteiligung durch die Redaktionen und Transparenz durch Artikelunterschriften wie "Diese Reise wurde von XYZ organisiert und bezahlt".

    Für Hendrik Zörner vom Deutschen Journalistenverband schadeten First-Class-Reisen wie mit ThyssenKrupp dem Ansehen der Branche. Sie ließen Zweifel an der Unabhängigkeit der Journalisten aufkommen. Es sei an den Medienunternehmen und Verlagen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

    "Man kann Pressereisen den Journalisten nicht verbieten. Das halte ich auch nicht für sinnvoll. Es ist allerdings schon so, dass einige Medienunternehmen Richtlinien in ihren Betrieben in Kraft haben, die teilweise auch Bestandteil der Arbeitsverträge sind. Und in diesen Richtlinien ist festgelegt, ob Journalisten Vergünstigungen annehmen dürfen oder nicht. Und wenn sie es dürfen, wie sie damit umzugehen haben. Das sind dann ganz klare Regelungen. Wer gegen diese Regelungen verstößt, hat in dem Augenblick dann automatisch ein arbeitsrechtliches Problem."