"So. Jetzt!"
Dübendorf in der Schweiz. Eine kleine Werkhalle.
"Sehr laut ist er. Wie einen Pürierstab muss man sich das vorstellen."
Willkommen im Labor für die Zweckentfremdung von Küchenmaschinen! Denn hier wird nicht etwa Kartoffelpüree produziert.
Die nächste Station: eine große Edelstahl-Mühle.
"Zum Beispiel auch, um Gemüse zu vermahlen oder Obst zu vermahlen."
Aber auch das geschieht hier nicht!
"Nach der Mühle machen wir mit dieser Eismaschine ein Sorbet. Ein Sorbet ist eine Eiscreme, die auf Wasserbasis ist, wo man keine Milch zufügt, sondern eigentlich nur Wasser hat und den Früchtemix."
Zellulose-Fasern mit weitverzweigten Hohlräumen
Nur: Dieses Sorbet würde niemand gerne probieren!
"Das schmeckt nach nichts!"
Was hier püriert, vermahlen, gewässert und am Ende tiefgefroren wird, sind keine Lebensmittel. Dies ist ein Labor für Angewandte Holzforschung. Bei der EMPA, dem staatlichen Schweizer Zentrum für Materialforschung. Die Holztechnologin Tanja Zimmermann und der Chemiker Thomas Geiger beugen sich über einen Stahlbottich:
"Diese milchige, gelartige Masse, das sind Zellulose-Fasern, wie man sie aus der Zellstoffindustrie kennt, die das Ausgangsmaterial für die Papierherstellung bilden. Das schwimmt hier jetzt im Wasser."
Vor drei Jahren begannen die Forscher mit dem Holzgerüststoff zu arbeiten, zusammen mit Kollegen von der ETH Zürich. Ihr Ziel damals: äußerst saugfähige Zellulose-Schwämme mit weitverzweigten Hohlräumen, die große Mengen Öl aufnehmen, zum Beispiel nach einer Schiffshavarie. "Nanoschwämme gegen die Ölpest" - so umschrieb die EMPA das Projekt knackig, als es losging.
"Das könnte man dann aufs Wasser schmeißen, ja. Als Würfel oder auch als Platten. Und dann muss man sich das Ganze wie 'ne Styroporplatte vorstellen. Sieht aus wie Styropor."
Porosität von über 99 Prozent
Die mikrofibrillierte Zellulose, wie sie genau heißt, kann ein Vielfaches ihres Eigengewichtes aufnehmen. Im Chemielabor präsentiert Thomas Geiger einen kleinen Musterwürfel. Gewicht?
"Ungefähr 25 Gramm, wenn er das Öl aufgesaugt hat. Wenn er kein Öl aufgesaugt hat, wiegt er ein, zwei Gramm."
Damit der Würfel auch wirklich nur Öl schluckt, wird er mit Silanen beschichtet. Das sind wasserabweisende Verbindungen. Man bezeichnet sie auch als Hydrophobierungsmittel:
"Wir tauchen den in die Lösung ein, benetzen ihn von allen Seiten mit dem Hydrophobierungsmittel. Danach holen wir ihn wieder raus, lassen ihn noch mal trocknen, und danach ist das Produkt fertig und kann Öl absorbieren. Man muss sich vorstellen, dass die Porosität hier über 99 Prozent ist, das heißt, wir haben vor allen Dingen Luft drin. Und diese Hohlräume werden dann mit dem Öl gefüllt. Also, durch sehr dünne Kanäle wird das Öl eingesaugt. Und diese physikalische Kraft, die dabei auftritt, hält das Öl auch drin. Und das nennt man Kapillarkraft."
Schwämme wohl zu leicht für raue See
Im Prinzip funktioniert das auch. Für eine richtige Ölpest auf See reicht die Saugkraft der Holzfaserschwämme allerdings nicht aus, wie Tanja Zimmermann einräumt:
"Wir sind noch nicht so weit, dass unsere Platten wirklich dann für Rohöl, was ausläuft im Meer, irgendwie geeignet sind. Also, erst mal, denke ich, würden wir es einsetzen bei kleineren Motorboot-Unfällen auf dem Zürichsee. Da läuft ein bisschen Öl aus, und man würde dann diese Platte nehmen oder diese Würfel nehmen und dann damit diese Öllache aufsaugen."
Eine Lache, die aus vergleichsweise leichten Motorölen besteht. Wenn ein Tanker verunglückt oder eine Bohrinsel leckschlägt, fließt dagegen Schweröl ins Meer:
"Das ist viel, viel dickflüssiger, noch klebriger. Und da ist die Frage, wie gut das dann über die Kapillarkräfte wirklich in die Struktur reingesogen werden könnte."
Und noch etwas spricht für Thomas Geiger eher gegen den Einsatz bei Öl-Unfällen im Ozean:
"Die See, die rau ist. Wenn Wind ist, dann gibt's Wellen. Unser Material ist sehr leicht. Das könnte dann wegfliegen."
Forschungsprojekt läuft noch ein Jahr
Aber auch so besteht nach wie vor die Chance, dass es die Saugschwämme zum Marktprodukt schaffen. EMPA und ETH Zürich kooperieren in ihrem Projekt mit einem Schweizer Faserhersteller, und der testet das Material weiterhin ausgiebig. Eine Idee sei zum Beispiel, die Zellulose-Würfel in Gewebeschläuche zu stecken. Man käme so zu neuartigen Öl-Barrieren für Seen oder Fließgewässer, " sodass, wenn der Ölteppich jetzt angeflossen kommt, [er] dann in der Ölbarriere hängen bleibt. Und dann durch das Gewebe durchgeht, in die Schäume rein. Und die Schäume saugen das auf. Und nachher kann man die Ölbarriere rausholen."
Das gemeinsame Projekt laufe noch rund ein Jahr lang, sagt Tanja Zimmermann:
"Und dann muss die Firma entscheiden, ob sie's wirklich umsetzt. Und dann sind wir natürlich sehr zuversichtlich, dass auch Produkte im Markt sind."
Andere sind schon weiter. Zum Beispiel die Firma Deurex in Sachsen-Anhalt. Ihr Geschäftsführer, ein Chemiker, erhielt gerade erst den Europäischen Erfinderpreis. Für eine Watte aus Wachsen, die ebenfalls auf dem Wasser schwimmt, Öl bindet - wenn auch nicht so viel wie die Schweizer Zellulose - und schon vermarktet wird. Bei Fällen von ausgelaufenem Heizöl in der Elbe hat sie sich bewährt. Aber Havarien auf hoher See? Die wären sicher auch für die Watteflocken eine Nummer zu groß.