Der Trauerakt fand im Europäischen Parlament in Straßburg statt. Kohls Sarg war nicht mit der deutschen, sondern mit der europäischen Flagge bedeckt. Der frühere Bundeskanzler war am 16. Juni im Alter von 87 Jahren in seinem Heimatort Oggersheim gestorben.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte in seiner Rede, er nehme Abschied von einem treuen Freund. Der frühere Regierungschef von Luxemburg einnerte an den einzigen Moment, als er Helmut Kohl während einer Sitzung weinen sah - nachdem die Erweiterung der EU beschlossen worden war.
"Kohl hat schon zu Lebzeiten Geschichte gemacht"
Juncker nannte Kohl einen "Nachkriegsgiganten" und ein "kontinentales Monument". Er betonte, Kohl habe schon zu Lebzeiten Geschichte gemacht. Es sei sein Wunsch gewesen, in Straßburg Abschied zu nehmen. Kohl sei ein deutscher und ein europäischer Patriot gewesen. Ohne Helmut Kohl gäbe es auch den Euro nicht, sagte Juncker. Für Kohl sei der Euro stets europäische Friedenspolitik mit anderen Mitteln gewesen.
Sollten Sie einige Zitate aus dem Trauerakt noch einmal gebündelt nachhören wollen, empfehlen wir Ihnen den Beitrag von Stephan Detjen aus der Sendung "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Einfach
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"Wir wissen, dass er Europa besser gemacht hat", so Juncker, der auch sagte: "Rheinland-Pfalz, Deutschland und Europa verneigen sich vor diesem imposanten Lebenswerk. Der EU-Kommissionspräsident beendete seine Rede mit den Worten: "Versprich mir, dass Du im Himmel nicht sofort einen neuen CDU-Ortsverein gründest. Du hast genug getan, für uns, für Europa."
"Ich liebe diesen Kerl"
Emotionale Worte gab es auch von Bill Clinton, dem früheren US-Präsidenten. Seine Frau Hillary habe einst zu ihm gesagt, dass er - also Bill - Kohl deswegen so sehr möge, weil dieser der einzige Mensch "mit einem größeren Appetit auf Essen" sei als er selbst. Dann wurde auch Clinton noch etwas persönlicher: "Ich liebe diesen Kerl, weil sein Appetit weit über das Essen hinausging."
Clinton sagte aber auch über Kohl: "Er wollte eine Welt schaffen, in der niemand niemanden dominiert." Clinton endete mit den Worten: "Du hast es gut gemacht in deinem Leben, und alle, die wir dabei sein durften, lieben dich dafür."
Bundeskanzlerin Merkel zog eine Bilanz, die auch nachdenkliche und einige kritische sowie selbstkritische Töne enthielt. Zunächst sagte sie, auf Helmut Kohl sei Verlass gewesen. Dass es die EU in ihrer heutigen Form gebe, bleibe ganz wesentlich mit seinem Namen verbunden.
Er habe das Europa und das Deutschland, in dem wir heute lebten, mitgeschaffen. Als junger Mann habe er Geschichte studiert, und heute nun habe er selbst einen Platz in den Geschichtsbüchern eingenommen. Mit seiner Bundeskanzlerschaft seien viele Jahre wirtschaftlicher Prosperität verbunden gewesen. Vieles, was heute selbstverständlich sei, gehe auf Kohl zurück. Merkel verweis dabei unter anderem auf die Vereinigung von Ost- und Westeuropa, die gemeinsame Währung und die EU in ihrer heutigen Form. Kohl habe es verstanden, Brücken zu bauen. Sie reichten nach Paris und Warschau, nach Washington und Moskau.
Die Kanzlerin sagte aber auch, an Kohl hätten sich viele Geister geschieden, und viele hätten sich an Kohl abgearbeitet - auch sie selbst, betonte Merkel. Dennoch sei heute der Moment, wo all das zurückstehe und wo auch Kontrahenten Helmut Kohl Respekt zollen sollten. Ausdrücklich erwähnte die Kanzlerin nicht nur Kohls Witwe - Maike Kohl-Richter -, die den früheren Kanzler voller Hingebung und Liebe begleitet habe, bis zuletzt. Merkel erwähnte auch Hannelore Kohl, die erste Ehefrau von Helmut Kohl, die sich 2001 das Leben genommen hatte. "Wir gedenken auch ihrer in Dankbarkeit", sagte Merkel.
Respektvolle Worte fand auch der neue französische Staatspräsident. Emmanuel Macron sagte über Helmut Kohl: "Wir werden noch lange von ihm lernen können, um gemeinsam voranzukommen." Kohl habe Brücken bauen wollen, statt Grenzen zu errichten. Allein Pragmatismus und politisches Geschick reichten aber nicht aus, urteilte Macron: "Ideale, gefestigt von Freundschaft und der Dichte eines Lebens, füllen unser Aufbauwerk aus", sagte der Präsident - und wandte sich auch an die Bundeskanzlerin, als er meinte: "Und deshalb möchte ich mit Angela Merkel diesem Projekt wieder Sinn und Dichte verleihen."
Schlussendlich erinnerte Macron auch mit einer Formulierung des Alt-Kanzlers selbst an Kohl, die diesen perfekt beschreibe. Auf Deutsch sagte Macron: "Wir haben heute überhaupt keinen Anlass zu Resignation. Wir haben vielmehr Grund zu realistischem Optimismus."
"Weit über die Grenzen"
EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, nur wenige hätten die Vereinigungsidee so gut verstanden wie Helmut Kohl. "Seine Vision ging weit über die deutschen Grenzen und die deutschen Interessen hinaus." Dank ihm hätten Worte wie Vertrauen und Vereinigung wieder ihre Bedeutung in den deutsch-französischen und den deutsch-polnischen Beziehungen.
Spaniens früherer Ministerpräsident Felipe González, ein enger Freund Helmut Kohls, sagte, "er hatte ein Gespür für Freundschaft, und Freundschaft bedeutete für ihn auch Vertrauen. Er sprach von einem europäischen Deutschland und wollte nie wieder ein deutsches Europa erleben."
Ähnlich äußerte sich der russische Ministerpräsident Dimitri Medwedew, der als Privatperson sprach. Er sagte, für Kohl sei Russland Bestandteil eines vereinten Europas gewesen: "Für ihn war das ein Teil eines gemeinsamen Hauses, ohne Stacheldraht. Es war ein Traum von Frieden und Sicherheit für alle."
Die Reaktionen auf den Trauerakt fallen positiv aus. So twitterte etwa der Grünen-Europa-Politiker Reinhard Bütikofer:
Helmut Kohl ist der erste Politiker, den die EU mit einem europäischen Staatsakt ehrt. Damit sollen die Verdienste des langjährigen Bundeskanzlers (1982 bis 1998) um den Aufbau Europas gewürdigt werden. Der am 16. Juni verstorbene Altkanzler ist einer von nur drei Ehrenbürgern Europas. Kohls Witwe Maike Kohl-Richter wollte keinen Staatsakt in Deutschland.
(mw/jcs/gw)