Gemessen an der Aufmerksamkeit, die das Staatsfernsehen dem G20-Gipfel in Hamburg einräumt, hat der heutige Tag historische Ausmaße: Donald Trump und Wladimir Putin, zwei starke Männer zweier starker Länder, schütteln einander erstmals die Hand, lautet der Tenor.
Seit Wochen wird aufmerksam berichtet, welche Signale aus Washington zu vernehmen sind. Die allerdings waren lange sehr schwach, sodass sich Moskau in einer Geduld üben musste, die wohl kaum einem anderen westlichen Regierungschef zuteil käme. Trump wird von der sonst großflächigen Generalkritik an den USA ausgenommen und als Getriebener betrachtet. Entsprechend gering sind unter Politikbeobachtern inzwischen die Erwartungen. Der Politologe und langjährige Kreml-Kenner Walerij Solowej sagt, es habe sich gezeigt, "dass Trump nicht besonders frei handeln kann, dass das ganze amerikanische Establishment antirussisch eingestellt ist, dass die amerikanische Öffentlichkeit die Hackerangriffe, die es gab, als Versuch einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten der USA wahrnimmt. Dieser Hintergrund und diese Zusammenhänge sind für Vereinbarungen mit den USA sehr schlecht. In so einer Situation ist es praktisch unmöglich, sich über etwas zu vereinbaren."
Nur ein kurzes Treffen
Hinzu kommen die Signale der letzten Tage, die für die Bemühungen Moskaus um die Gunst Donald Trumps sämtlich Rückschläge waren. Zuerst empfing Trump in Washington den ukrainischen Präsidenten und Widersacher Putins, Petro Poroschenko. Und dann hieß es, die amerikanische Seite gestehe dem russischen Präsidenten in Hamburg nur ein kurzes Treffen zu. Und gestern in Warschau forderte Donald Trump öffentlich, die russische Seite solle die Destabilisierung der Ukraine unterlassen. Kreml-Sprecher Peskow erwiderte in höflicher Formel, das sei nicht Moskaus Sichtweise. Es war an ihm, dem Treffen nun doch zumindest einen Rest Bedeutung zuzuweisen.
"Es geht um ein bilaterales Treffen, bei dem beide im Sitzen miteinander sprechen werden. Aber da es am Rande des G20-Treffens stattfindet, wird es notwendigerweise zeitlich ziemlich begrenzt sein. Deswegen wird es für Präsident Putin kaum möglich sein, seine Auffassung über die Ursachen des Bürgerkriegs in der Ukraine darzulegen."
Moskau hatte in den vergangenen Monaten die Amerikaner immer wieder aufgefordert, sich auf russische Strategien einzulassen. Das würde bedeuten, die Präsenz Russlands in Syrien und auch bis auf weiteres den Machterhalt Präsident Assads anzuerkennen und den begonnen Fahrplan zu einer Befriedung des Landes mitzugehen. In diesem allerdings fungiert der Iran als Garantiemacht, was für die Vereinigten Staaten ein schwieriges Hindernis sein dürfte. Moskau hat bislang öffentlich nicht zu erkennen gegeben, an welchen Punkten es verhandlungsbereit ist. Daher dürfte das Gespräch beider Präsidenten kaum Annäherung bringen.
"Zwei Machos, die im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen wollen"
Doch es gibt einen Faktor, der unberechenbar ist: der menschliche Faktor. Politologe Walerij Solowej:
"Putin kann Eindruck auf einen Menschen machen, kann ihn bezaubern. Er hat Charme, sogar Charme auf der professionellen Ebene. Außerdem könnte es sein, dass sich Trump und Putin in ihrer Psycho-Typologie ähneln: Sie sind beide Machos, die im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen wollen, die überraschende Dinge tun und exzentrische Erklärungen abgeben. Die russische Seite hofft darauf, dass all das beim persönlichen Treffen funktioniert. Man nennt das Magie."
Was aber geschieht, wenn zwischen beiden Männern nichts zündet, ist unklar. Die russische Außenpolitik stünde vor dem Problem, das die Annahmen und Erwartungen der vergangenen Monate Illusionen waren. So wird Hamburg im Verhältnis beider Länder in jedem Fall eine wichtige Wegmarke sein.