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Trittin über US-Angriff
"Für die Sicherheit Europas hoch brisant"

Mit dem US-Bombardement auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt sei man einer Lösung in diesem Krieg keinen Schritt näher gekommen, sagte Jürgen Trittin (Grüne) im Deutschlandfunk. Trump wolle vor allem zeigen, dass er anders handle, als Obama es tat. "Das ist ein klares Signal auch nach innen in die USA gewesen."

Jürgen Trittin im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Berlin, Bundespressekonferenz, Thema: Vorstellung der Empfehlungen der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK) Foto: Jürgen Trittin, KFK Vorsitzender (B90/Die Grünen)
    Der Militäreinsatz sei für US-Präsident Trump vor allem innenpolitisch motiviert (imago stock&people)
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist jetzt Jürgen Trittin, Bundestagsabgeordneter der Grünen, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, und er hat in den vergangenen Tagen politische Gespräche in den USA geführt. Guten Morgen.
    Jürgen Trittin: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Trittin, Sie haben Marcus Pindur eben mitgehört. Er sagt, ja, das ist eine Kehrtwende. Ist das auch Ihrer Meinung nach ein Kurswechsel in der US-Syrien-Politik?
    Trittin: Die USA unter Trump haben bisher die Position vertreten, wir kooperieren stillschweigend mit den Russen. Anders wäre beispielsweise das Bombardement in der Nähe Idlibs vor einigen Wochen, wobei eine Moschee zerstört worden sein soll, gar nicht möglich gewesen. Hier haben sie nun tatsächlich eine Kurswende gemacht. Sie sind ein Stück auf Konfrontation auch gegenüber Russland gegangen. Und das macht die Situation natürlich hoch brisant.
    Heinemann: Mit welchen Folgen?
    Trittin: Das ist zurzeit nicht absehbar. Erst mal haben sie ein Signal gesetzt, dass sie nicht bereit sind, das zu akzeptieren. Auf der anderen Seite ist natürlich völlig klar, egal wie man zu Russland und egal wie man zu Assad steht – und man kann da eigentlich nur mit Abscheu, was Assad angeht, davor stehen -, dass tatsächlich eine Lösung in diesem Syrien-Krieg auch mit dem heutigen Bombardement keinen Schritt näher gekommen ist.
    Heinemann: Unser Kollege Georg Schwarte, Korrespondent in New York, hat vor einer halben Stunde berichtet, Trump habe relativ viel Zeit darauf verwendet, diesen Einsatz völkerrechtlich zu begründen und einzubetten. Ist er völkerrechtlich begründbar?
    Trittin: Völkerrechtlich begründbar wäre es, wenn man vorher von einer unabhängigen Stelle festgestellt hätte, wer für diesen Angriff verantwortlich ist. Dazu hätten die Russen allerdings auch den Weg innerhalb des Sicherheitsrates freimachen müssen für eine unabhängige Untersuchung. Das ist das, was in dieser Situation angemessen ist. Ich bin der festen Überzeugung, so schwierig der Weg ist, am Ende führt zur Lösung solcher Konflikte sowieso kein Weg an den Vereinten Nationen vorbei, und deswegen ist das erst mal völkerrechtlich eine außerordentlich fragile und schwierige Angelegenheit. Ich glaube, hier haben weniger völkerrechtliche Gründe eine Rolle gespielt als der Umstand, dass Donald Trump den ganzen Wahlkampf über Barack Obama als Weichei dargestellt hat, der gerade an diesem Beispiel Syrien gezeigt habe, dass er Amerika nicht hinreichend robust vertrete. Das ist ein klares Signal auch nach innen in die USA gewesen. Er stand – das war vorgestern in den Medien dort bestens zu beobachten – massiv unter Druck. Auf allen Kanälen, sowohl der konservativen FOXNews wie CNN, wurden er beziehungsweise seine Vertreter gefragt, wie sie sich denn nun unterscheiden würden von Obama, und diese grundsätzliche Änderung, die musste dort demonstriert werden.
    "Zur Beendigung eines solchen Konflikts wird es einer politischen Vereinbarung bedürfen"
    Heinemann: Herr Trittin, zurück zum Beginn Ihrer letzten Antwort. Der Weg über die Vereinten Nationen war doch bisher überhaupt nicht erfolgreich.
    Trittin: Selbstverständlich ist das immer ein schwieriger Weg. Nur am Ende wissen wir alle, dass auch die USA keine Truppen nach Syrien schicken werden. Und das heißt, anders gesagt: Am Ende und zur Beendigung eines solchen Konflikts wird es einer politischen Vereinbarung bedürfen, und genau dies ist der Weg über die Vereinten Nationen. Da haben wir jetzt sozusagen einen Umweg genommen, aber ich glaube im Wesentlichen aus innenpolitischen Gründen.
    Heinemann: Aber ein taktisches militärisches Ziel dieses Angriffs könnte doch sein, einfach die syrische Luftwaffe auszuschalten, damit die die eigenen Leute nicht weiter massakrieren kann.
    Trittin: Das Ziel, dort ein Signal zu setzen, ist unübersehbar. Ein faktisches Ausschalten der syrischen Luftwaffe und der mit ihr verbündeten Russen dürfte noch weit entfernt an dieser Stelle sein. Das heißt mit anderen Worten: Das, was man erreicht hat, ist auf dem Schlachtfeld in Syrien ein Stück kleinere Schwächung der syrischen Staatsseite. Das Ergebnis ist umgekehrt, dass natürlich diejenigen, die in Opposition zu den Syrern stehen – und das sind eben nicht nur Demokraten, sondern auch und gerade sehr viele (das ist der militärisch relevantere Teil) dschihadistische Gruppen.
    Heinemann: Herr Trittin, hören Sie uns noch?
    Trittin: Ich höre Sie.
    Heinemann: Das klang jetzt gerade so, als wäre die Leitung abgebrochen. Sie sagten gerade, das wäre jetzt ein kleiner Schritt gewesen. Rechnen Sie insofern damit, dass das jetzt ein Auftakt eines längeren militärischen Eingreifens der USA in Syrien war?
    Trittin: Ich vermag nicht wirklich eine Strategie zu erkennen. Ich sehe eher ein politisches Symbol, an der Stelle zu zeigen, wir lassen uns das in dieser Form nicht gefallen. Zu einem Schritt hin zu einer Lösung dieses unmenschlichen Konfliktes ist es leider nicht gekommen und ich fürchte auch, bei allem Respekt an dieser Stelle, dass die Frage der weiteren Vertreibung zusätzlicher Flüchtlinge kein Stück anders geworden ist.
    "Man wollte nicht als schwach dastehen"
    Heinemann: Ich möchte einen Aspekt von Marcus Pindur noch mal aufgreifen. Er sprach von einer Professionalisierung der Regierungsarbeit, auch nach dem Ausscheiden von Trumps Chefideologen aus dem nationalen Sicherheitsrat. Sie kommen gerade aus Washington zurück. Haben Sie das auch feststellen können?
    Trittin: Wir sind eigentlich eher damit konfrontiert gewesen, dass wir auf eine Administration gestoßen sind, wo ihnen zwei Leute das komplette Gegenteil von dem erzählten, wie es ist. Es hat mit dieser Entscheidung, dort militärisch anders zu reagieren als unter Obama, eine Entscheidung zwischen diesen sehr unterschiedlichen Fraktionen gegeben, aber ich glaube noch nicht, dass aus dieser Entscheidung eine tatsächlich neue Strategie in der Außenpolitik zu erkennen ist. Das ist noch immer sehr, sehr stark von innen oder es wird auch weiterhin sehr, sehr stark von innenpolitischen Motiven geprägt sein, und das überragende innenpolitische Motiv war, man wollte nicht als schwach dastehen.
    Heinemann: Können Sie ein Beispiel nennen für diese Zwiespältigkeit, die Sie gerade beschrieben haben, für dieses Hü und Hott?
    Trittin: Sie treffen im nationalen Sicherheitsrat auch heute noch Menschen, die in aller Deutlichkeit Ihnen erzählen, sie seien keine Neokonservativen und sie beabsichtigen nicht, irgendwo zu intervenieren, sie betreiben eine pragmatische Außenpolitik. Und dieser Pragmatismus, der ist sozusagen heute bei Seite gestellt worden zu Gunsten einer symbolischen Operation.
    Heinemann: Wie sollte die Bundesregierung auf die Luftschläge reagieren?
    Trittin: Die Bundesregierung kann dort relativ wenig darauf reagieren, weil die Bundesregierung, wie Europa auch, in Syrien kein relevanter Faktor ist. Wir haben es, wenn man die Situation mal auf den Punkt bringt, damit zu tun, dass wir mittlerweile einer Konfrontation zwischen Russland und den USA ein Stück näher gekommen sind. Und alle wissen: Eine Lösung dieses Krieges und dieser Krise wird es nur geben, wenn Russland und die USA sich über diese Frage verständigen. Das ist der Hintergrund, wo ich glaube, dass es sehr stark darauf ankommen wird, was wird nun, wenn Rex Tillerson nächste Woche in Russland sein wird, aus diesen Gesprächen als Ergebnis kommen.
    Heinemann: Herr Trittin, Donald Trump hat ja gesagt, die Bilder der Opfer des Giftgas-Angriffes hätten ihn tief ergriffen. Muss man davon ausgehen, dass er auch künftig ähnlich spontan auf optische Reize reagieren wird?
    Trittin: Ich weiß nicht, ob er spontan darauf reagiert hat. Ich glaube, dass das auch in den Sicherheitsstellen der USA sehr gründlich diskutiert worden ist. Ich glaube aber schon, dass die Frage der Macht der Bilder hier eine ganz zentrale Rolle gespielt hat. Man war der Auffassung, dass man politisch das nicht durchstehen könnte, hier ohne Reaktion auf diese Bilder zu agieren. Das führt nun zu einer stärkeren Konfrontation mit Russland und das ist für die Sicherheit Europas hoch brisant, wenn sich das eskaliert. Das mag sich, glaube ich, niemand von uns wirklich ausmalen.
    Heinemann: Jürgen Trittin, Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Trittin: Auf Wiederhören. Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.