Kommt Trump als amerikanischer Präsident nach Warschau, der Zeichen der Unterstützung an die osteuropäischen NATO-Partner setzen möchte? Oder kommt Trump als der Präsident nach Europa, der sich vorgenommen hat, multilaterale Organisationen wie die EU zu schwächen? Das ist die Frage – und für beide Optionen gäbe Warschau eine geeignete Kulisse ab.
Charles Kupchan ist Professor für internationale Beziehungen an der Georgetown Universität in Washington D.C. – er könnte sich durchaus vorstellen, dass Donald Trump in Warschau ein Signal der Solidarität setzen möchte.
"Trump going to Poland meeting with twelve different countries from the region to demonstrate the solidarity of American support."
Trumps Gas-Offerten an Osteuropa
Polens nationalkonservative Regierung wie die anderen Staats- und Regierungschefs aus elf osteuropäischen Staaten, die bei diesem Vor-Gipfel in Warschau vertreten sind, machen sich allesamt Sorgen wegen Russland und Putins Machtansprüchen: Polen beherbergt mittlerweile 1.100 US-Soldaten, die als symbolische Schutzmacht an der Ostflanke der NATO gesehen werden.
Dass nun Nordkorea ausgerechnet am Vorabend des G20-Gipfels mit dem Test einer ersten ballistischen Langstreckenrakete die internationale Staatengemeinschaft aufschreckte, könnte für Donald Trump ein weiterer Anlass sein, in Warschau das globale Sicherheitsinteresse zu betonen. Doch ausgemacht ist das nicht.
Denn Donald Trump könnte bei seinem Warschauer Besuch auch ganz andere Zeichen setzen wollen: Seine Offerte an die polnische Regierung, mit Gaslieferungen aus den USA einen Ausweg aus der Abhängigkeit von russischem Erdgas zu weisen, könnte sich noch zu einem europäischen Sprengsatz entwickeln, meint Charles Kupchan.
"Keine Frage: Trumps Polen-Besuch wird zu Spannungen mit Westeuropa führen. Und möglicherweise könnte dies zu einer Spaltung in ein 'Altes Europa' und ein 'Neues Europa' führen, wie wir es unter George W. Bush erlebt haben."
"Unverhohlene Kritik an Deutschland"
Der Grund: Amerikanische Gaslieferungen, die Donald Trump im Zeichen seiner "America First"-Politik künftig weltweit forcieren möchte, sind nicht nur eine Kampfansage an die Gaspolitik Vladimir Putins. Sondern auch unverhohlene Kritik an Deutschland und dem deutsch-russischen Pipeline-Projekt Nordstream 2.
Es soll künftig russisches Erdgas unter Umgehung der osteuropäischen Transitländer direkt durch die Ostsee nach Deutschland transportieren. Ein Projekt, das nicht nur in den USA auf heftige Kritik stößt, sondern auch auf europäischer Ebene ausgesprochen umstritten ist – entzieht die Nordstream-Pipeline doch zum Beispiel der hilfsbedürftigen Ukraine lukrative Transitgebühren. Sie steht zudem in krassem Gegensatz zur Sanktionspolitik der Europäischen Union gegenüber Russland.
"Hebel, um einen Keil in die EU zu treiben"
Dieses in seiner politischen Dimension äußerst widersprüchliche Projekt könnte für Donald Trump also der Anlass sein, bei seinem Besuch in Warschau genau hier den Hebel anzusetzen, um einen Keil in die EU zu treiben. Das wäre kein gutes Omen für den G20-Gipfel, der ganz im Zeichen der Gipfel-Premiere Donald Trumps stehen wird – eines amerikanischen Präsidenten, der zumindest als politisch unberechenbar gilt.
Anders als in Hamburg kann sich Donald Trump aber in Warschau eines ausgesprochen freundlichen Empfangs sicher sein. Vor dem Hintergrund seiner eigenen politischen Programmatik sei Polen mit seiner nationalkonservativen Regierung und einer entsprechend populistischen Agenda geradezu die ideale Bühne für seinen ersten Europa-Besuch, meint Charles Kupchan.
"Sie sind eher gegen Einwanderung, sie sind religiöser und eher ländlich als städtisch. Polen ist mit Blick auf Trumps politische Vorlieben ein gut geeignetes Besuchsland für ihn."
Kurzum: Die Ouvertüre zum G20-Gipfel findet in Warschau statt. Man wird die politischen Signale in Hamburg dann zu interpretieren wissen.