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Trump im Vatikan
"Der Persönlichkeit dieses Papstes kann man sich nur schwer entziehen"

Papst Franziskus hatte den US-Präsidenten im Vatikan zu einer Privataudienz empfangen. Diese Begegnung könnte bei Donald Trump einen Moment des Nachdenkens ausgelöst haben, sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, im DLF. Eine Veränderung von Trumps Politik werde das Treffen aber nicht bewirken.

Thomas Sternberg im Gespräch mit Peter Kapern |
    Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, spricht am 24.05.2016 in der Kongresshalle in Leipzig (Sachsen).
    Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (picture alliance / dpa / Sebastian Willnow)
    Peter Kapern: Mitgehört hat Thomas Sternberg, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und bis zum Ende der Legislaturperiode in wenigen Tagen noch CDU-Landtagsabgeordneter in Düsseldorf. Guten Tag, Herr Sternberg.
    Thomas Sternberg: Guten Tag, Herr Kapern.
    Kapern: Wie ist das denn nun? Ist jemand, der Mauern statt Brücken baut, tatsächlich kein Christ?
    Sternberg: Das Mauern bauen ist nicht christlich. Ich glaube, das hat der Papst auch ganz ohne Frage damit gemeint. Aber dass der Papst hier jetzt den amtierenden amerikanischen Präsidenten empfängt, das ist wohl richtig, selbst wenn das so extrem gegensätzliche Persönlichkeiten sind, wie man sie sich kaum stärker vorstellen kann.
    "Noch wichtiger ist die persönliche Begegnung"
    Kapern: Und ist es denn auch schändlich, wenn der Papst die christliche Gesinnung des Mauerbauers Trump in Zweifel zieht?
    Sternberg: Ach wissen Sie, das sind wahrscheinlich etwas überzogene Formulierungen, wie sie bei Donald Trump so ganz selten nicht sind. Was heißt schändlich? Ich habe den Eindruck, dass auch dieser amtierende Präsident in der Lage ist zu lernen, und man hatte ja schon den Eindruck, dass sowohl in Israel wie auch in Saudi-Arabien er zumindest gelegentlich etwas auch moderatere Töne anschlug, als man die normalerweise von ihm gewöhnt ist.
    Kapern: Was könnte denn der Papst zu diesem Lernprozess beitragen und wie?
    Sternberg: Ich meine, der Papst hat ihm drei bis vier wichtige Schriften gegeben: einmal die Botschaft zum Weltfriedenstag 2017, aber auch seine große Umwelt-Enzyklika Laudato Si, die noch viel zu wenig gelesen ist und die ganz, ganz wichtig ist für alle unsere gegenwärtigen Umweltprobleme, dann Amoris Laetitia und seine erste große Schrift Evangelii Daudi, die Freude am Evangelium. Ich habe den Eindruck, das sind Dinge, die schon seine Wirkung machen werden, wenn er sie denn liest, wobei, ich glaube, noch wichtiger ist die persönliche Begegnung.
    Kapern: Woran ja möglicherweise Zweifel bestehen, weil es ja heißt, dass Donald Trump nicht einmal Akten, ganz kurze Aktenvermerke liest, die man ihm vorlegt.
    Sternberg: Deshalb glaube ich, noch viel wichtiger ist tatsächlich die persönliche Begegnung, und der großen, wirklich großen Persönlichkeit dieses Papstes kann man sich nur ganz schwer entziehen und es sollte mich sehr wundern, wenn nicht doch hier zumindest ein Moment des Nachdenkens gewesen ist bei dieser Audienz, bei der ja auch Trump nachher sagte, dass er das nicht vergessen werde, was er gehört habe.
    "Es ist alleine die Macht der Persönlichkeit"
    Kapern: Glauben Sie, dass der Papst sogar die Fähigkeiten, möglicherweise gar die Macht hätte, beim US-Präsidenten für eine völlig neue Perspektive auf die zwischen den beiden ja doch umstrittenen Themen Flüchtlinge oder Klimaschutz zu werfen?
    Sternberg: Eine totale Veränderung ganz sicher nicht. Aber wenn es schon etwas mehr Nachdenken gibt. Was zum Beispiel auch etwas Hoffnung gibt ist, wenn ich sehe, dass im Reiseprogramm seine Tochter Ivanka Sant’Egidio besuchen wird. Sant’Egidio ist eine Gemeinschaft, die sich interreligiös außerordentlich engagiert und die auch bei der Flüchtlingsfrage eine ganz wichtige und sehr gute Rolle spielt. Ich glaube, wenn solche Begegnungen und solche Wahrnehmungen jemanden erreichen, der offensichtlich normalerweise geradezu unberührt von Menschen ist, die anders denken als seine rein ökonomischen Interessen, dann wird das seine Wirkung nicht verfehlen.
    Kapern: Wie wichtig ist das eigentlich, dass der US-Präsident und der Papst ein, sagen wir mal, zumindest auskömmliches Verhältnis haben?
    Sternberg: Das ist eigentlich überhaupt nicht in der Sache wichtig, denn dieser Papst hat ja keine wirkliche Staatsmacht. Da gibt es ja keine Divisionen und keine militärische Macht oder politische Macht. Es ist alleine die Macht der Persönlichkeit und der persönlichen Überzeugung. Die hat aber im Papst immer eine große Rolle gespielt, wie wir spätestens von Johannes-Paul II. wissen und dem Untergang des Kommunismus. Auf dieser moralischen Ebene hat das Papstamt eine sehr, sehr hohe Bedeutung. Und ich glaube, wenn da ein Papst sagt, obwohl er natürlich gerade in dieser Mauerbau-Frage nach Mexiko und den anderen Fragen sicherlich ganz anderer Meinung ist, aber wenn er dann sagt, die Türen sind nicht ganz zu und Türen darf man auch nicht ganz zuschlagen, dann ist das wichtig, hier solche Gesprächsprozesse und Gesprächsfäden aufzunehmen.
    Kapern: Muss der Papst sich andererseits auch davor hüten, politisch in Anspruch oder benutzt zu werden? Denn Donald Trump sagt man ja nun nach, nicht ein besonders religiöser Mensch zu sein. Vielleicht steckt ja auch einfach nur ein politisches Kalkül bei ihm dahinter.
    Sternberg: So ganz ungewöhnlich wäre das nicht, dass da auch ein politisches Kalkül dahinter steckt. Ein Papstbesuch hat immer eine bestimmte auch innenpolitische Wahrnehmungsbedeutung für eine Persönlichkeit.
    Auf der anderen Seite ist es so ungewöhnlich auch nicht, dass ein amerikanischer Präsident vom Papst empfangen wird, wenn er darum bittet. Und insofern: Wenn das hier nicht unmittelbar ausgeschlachtet wird – das wird man jetzt noch mal sehen müssen -, wenn nichts Falsches behauptet wird, dann ist es nicht verkehrt, denn jeder wird wissen, dass der Papst ihm anderes gesagt haben wird als das, was er normalerweise äußert und meint.
    "Das ist schon eine gewisse Symbolik"
    Kapern: Nun sind Sie Politiker und gläubiger Katholik. Deswegen noch mal eine andere Frage zu dieser doch sehr spektakulären ersten Auslandsreise des US-präsidenten, die ihn nach Saudi-Arabien, nach Israel und dann in den Vatikan geführt hat, also in die drei Heimstätten der großen monotheistischen Weltreligionen. Man könnte ja dann auch der Meinung sein, dass, wenn Donald Trump genau dies auf seiner ersten, symbolisch so wichtigen Auslandsreise tut, er eigentlich alle Weltprobleme diesen religiösen Kategorien unterordnet. Kann das gut sein?
    Sternberg: Unterordnet ja sicher nicht. Aber es ist sicherlich auch eine sehr schwierige Frage, dass Religionen sehr viel damit zu tun haben, sowohl was das Antreiben von Gewalt und auch die Ausnutzung für Gewalt bedeutet, aber andererseits auch, was Religionen für Friedensprozesse und friedliche Entwicklungen bedeutet. Das ist ganz, ganz offensichtlich und das ist, glaube ich, nur hier in Deutschland manchmal etwas zu wenig reflektiert. Das weiß man in der Welt sehr, sehr genau. Und dass hier jetzt der neue amerikanische Präsident, mal völlig unabhängig von der Person Trump, einen Besuch macht, bei dem er in das Herz des islamischen Glaubens, nämlich in das Land der heiligen Stätten Mekka und Medina, in das Kernland der Juden nach Israel und in den Vatikan zu einem der christlichen Zentren fährt, das ist schon eine gewisse Symbolik, die nicht ganz unbedeutend ist, zeigt aber auch, dass die Frage nach Religionen nicht unterzubewerten ist. Nicht in dem Sinne, dass die zuständig sind für Gewaltkonflikte, aber sie sind zuständig dafür, auch Gewalttätigkeiten durch Friedensbotschaften zu verändern beziehungsweise dagegen zu kämpfen, dass sie ausgenutzt werden für Brutalitäten und für Ungeheuerlichkeiten, die jedem Gottesnamen spotten und die aber trotzdem unter perverser Ausnutzung dieses Gottesnamens getan werden, wie zum Beispiel Terroranschläge wie jetzt in Manchester.
    Kapern: … sagt Thomas Sternberg, der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken. Herr Sternberg, danke für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag.
    Sternberg: Vielen Dank auch. Auf Wiederhören.
    Kapern: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.