Marina Schweizer: Muss sich eine EU, die an ein traditionelles Bündnis des sogenannten Westens glaubt, fürchten nach diesen Aussagen? Das habe ich mit dem Politikwissenschaftler und EU-Experten Josef Janning besprochen. Als erstes habe ich ihn gefragt, ob es für ihn etwas Beunruhigendes an diesem Interview gab.
Josef Janning: Nein, eigentlich nicht, denn Donald Trump hat sich so geäußert, wie er sich vorher auch schon geäußert hat. Wenn etwas beunruhigend ist, dann die Tatsache, dass er auch ein paar Tage vor seiner Amtseinführung immer noch an der Weltsicht und an den Grundpositionen festhält, die sein Auftreten im Wahlkampf gekennzeichnet haben.
Schweizer: Nun ist das ja jetzt keine Wahlkampfrhetorik mehr. Was lässt Sie noch an eine Öffnung in Richtung Europa glauben, wenn er Präsident ist?
Janning: Ich glaube nicht, dass er eine Öffnung gegenüber Europa im Sinne hat. Nicht jedenfalls aus prinzipiellen Gründen, sondern höchstens aus taktisch-instrumentellen Gründen. Trump respektiert nur Stärke und Selbstbewusstsein und das müssen die Europäer aufbringen, wenn sie mit ihm erfolgreich umgehen wollen.
"Trump ist kein missionarischer Ideologe"
Schweizer: Wie können sie damit umgehen?
Janning: Nun, indem sie sich nicht ins Boxhorn jagen lassen. Denn diese Art Reden über Europa, über die NATO, aber ja auch über Japan oder China oder den internationalen Welthandel ist ja nicht wirklich eine durchreflektierte Strategie, sondern das sind Ansichten eines Mannes, der nun mal sich anschickt, auf dem mächtigsten Stuhl der Weltpolitik zu sitzen. Das muss man in Rechnung stellen. Man muss aber gleichzeitig berücksichtigen, dass Trump kein missionarischer Ideologe ist, der etwa angetrieben ist von der Vorstellung, er müsse jetzt die EU auseinanderbringen und zerstören. Die EU ist ihm gleichgültig. Er hat aber auch keine Wertschätzung für diese Form institutionalisierter Zusammenarbeit. Das heißt, die Europäer müssen den Wert ihrer Zusammenarbeit aus sich selbst heraus und aus ihrer Kooperation bestimmen und nicht dadurch, dass andere dies etwa wollen oder fördern oder selbst betreiben wollen.
Schweizer: Hat er Ihnen den Eindruck vermittelt, in den Themen drin zu sein?
Janning: Nein, das hat er nicht, denn vieles von dem, was in dem Interview gesagt wird, ist ja sehr kursorisch, ist sehr so dahingesagt, und er ist ja auch bemüht, immer wieder die Aussagen zu relativieren. Merkel macht auf der einen Seite einen katastrophalen Fehler, ist aber auf der anderen Seite wahrscheinlich eine großartige Führerin. So redet man halt, wenn man sich nicht festlegen will.
"Er wird sehr schnell merken, dass er an Grenzen stößt"
Schweizer: Nun sagen Sie, die EU kann nur so reagieren, dass sie aus sich heraus Stärke demonstriert. Ist der Kontrast zu Trump vielleicht hier eine Chance zur Einheit für die EU?
Janning: Man muss sehen, dass Trump die Europäer brauchen wird. Das weiß er nur noch nicht. Weil er schätzt jetzt seine Fähigkeiten, ein anderes Ergebnis für amerikanische Wirtschaft und Politik, für Beschäftigung in den USA zu erzielen, wahrscheinlich überoptimistisch ein. Er wird sehr schnell merken, dass er an Grenzen etwa der gemeinsamen Handelsordnung stößt, dass er auch an Grenzen amerikanischer Macht im Umgang mit anderen großen Mächten stößt, und dann wird er sich umschauen und sagen, wer könnte mir denn helfen, wo könnte ich denn noch Verständnis oder sogar Verbündete finden. Und dann wird er das lernen, was andere amerikanische Präsidenten schon wussten, nämlich dass Amerika in der Welt am Ende keinen besseren Verbündeten, keine besseren Freunde hat als die Europäer.
Schweizer: Dann sprechen wir doch mal über Stil. Trump hat in diesem Interview gesagt, ich bin kein Politiker, ich gehe nicht raus und sage, ich werde dies tun, ich werde das tun. Ich muss tun, was ich tun muss. Er ist ein Macher, kein Diplomat. Schwierig für die Zusammenarbeit?
Janning: Ja, das ist schwierig, insbesondere für den Politikprozess und auch die Politikakteure, die es ja gewohnt sind, mit der Art und Weise, mit der sie die Dinge beschreiben, gewissermaßen Wirklichkeit zu schöpfen. Trump macht das so nicht, aber er ist in dieser Schlichtheit und in dieser Reduktion auf das machen wollen durchaus eine berechenbare Größe und darin liegt eine Chance auch für versierte und kluge Politiker auf europäischer Seite.
"Er wird sich nicht groß ändern. Er wird sich höchstens die Zähne ausbeißen"
Schweizer: Nach der Wahl haben ja viele Amerikaner und auch Politkenner hierzulande gesagt, in Washington regiert Trump ja nicht im Alleingang. Nehmen wir jetzt mal zum Beispiel die Außenpolitik. Was nützen denn da die virtuosesten Unterhändler, wenn den Präsidenten die Klaviatur der Diplomatie nicht interessiert?
Janning: Ja, das ist schwierig zu sehen. Das fängt erst dann an Früchte zu tragen, wenn Trump auf Widerstände stößt, wenn er sich nicht durchsetzen kann, wenn seine Vorstellungen, er könne gewissermaßen die wirtschaftliche Lage Amerikas im Blick auf die Weltmärkte dadurch umkehren, indem er allen, die von außen nach Amerika liefern wollen, einen 35-Prozent-Zoll aufdrückt, wie etwa in seinem Beispiel BMW, das in einem Werk in Mexiko produziert. Trump wird dann merken, dass dieses zwar gewollt werden kann und propagiert werden kann, dass es sich aber nicht so einfach umsetzen lässt, und das wird dann der Ansatzpunkt sein, wenn sich zeigt, wie lernfähig und wie adaptionsfähig ist dieser Mann noch. Die bisherigen Äußerungen lassen darauf schließen, dass es sich um ein sehr fest gefügtes und schematisches Weltbild handelt.
Schweizer: Sie glauben, er wird sich nicht groß ändern?
Janning: Nein, er wird sich nicht groß ändern. Er wird sich höchstens die Zähne ausbeißen und dann zähneknirschend, knirschend mit dem Rest seiner Zähne, einsehen müssen, dass er sich schon in gewisser Weise mit anderen arrangieren muss, dass es nicht allein nach seiner Vorstellung von erfolgreichem Verhandeln geht, sondern dass in dieser Welt, in der viele Verhinderungsmacht und sehr wenige Gestaltungsmacht haben, darauf ankommt, mit seinen Mitteln klug und haushälterisch umzugehen.
"Im Umgang mit dieser Art von Personen hilft Coolness"
Schweizer: Nun ist an diesem Tage, an dem dieses Interview in Deutschland das große Thema war, viel auch über Ignoranz gegenüber seinen Aussagen gesprochen worden, oder die Art und Weise, wie man mit seinen Äußerungen und seinem Kommunikationsstil umgehen kann. Was muss da die europäische Politik, vielleicht auch die deutsche Politik noch ein Stück weit lernen, um da aus der Reaktion immer wieder herauszukommen?
Janning: Ich glaube, wir müssen insgesamt etwas weniger aufgeregt sein. Im Umgang mit dieser Art von Personen und Positionen hilft Coolness. Wir dürfen nicht erkennen lassen, dass wir gewissermaßen wie von Sinnen über jeden Satz nachdenken und sinnieren, was das wohl zu bedeuten hat.
Schweizer: Also mehr ignorieren?
Janning: Nicht ignorieren! Was mag es bedeuten, wenn Putin und Merkel in einem Satz genannt werden. Ich glaube, die Bundeskanzlerin hat auf ihre Art einen sehr bemerkenswerten Satz gesagt, indem sie sagt, wir haben unser Schicksal in der eigenen Hand. Das war ja nicht ein direkter Widerspruch zu Trump, aber ein indirekter. Es war die Aussage, wir werden dann eben selbst uns um unsere Verhältnisse so kümmern, dass wir das auch im Zweifel allein schaffen. Und ich glaube, das ist das Signal, um das es gehen muss. Je schwächer und je ängstlicher sich die Europäer zeigen, umso mehr sprechen wir eine Einladung an einen Präsidenten wie Trump aus, diese Schwäche auszunutzen.
Schweizer: … sagt Josef Janning, Politikwissenschaftler vom European Council on Foreign Relations.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.