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Tsipras in Moskau
"Das wird ein Testfall sein"

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok schaut mit Interesse auf die Moskau-Reise des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Im Deutschlandfunk sagte er, es gebe in der Regierung Kräfte, die Griechenland anderswo verorten möchten als in der EU. Die Regierung dürfe das Land nicht in eine Richtung führen, die das Volk nicht wolle.

Elmar Brok im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Elmar Brok.
    Elmar Brok ist seit 2012 Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments. (imago/Horst Galuschka)
    Brok, der Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament ist, wies darauf hin, dass es viele in der heutigen griechischen Regierung gebe, die eine starke orthodox-kommunistische Haltung hätten, die also zu Russland neigten. Brok sieht innerhalb der Regierung einen Kampf um entsprechende Positionen. "Es muss klar sein für Griechenland, dass Russland nicht die Perspektive ist, denn Russlands Lebensbedingungen sind so schlecht, dass Griechenland nicht unter diesen leben möchte", sagte Brok im Deutschlandfunk.
    Was einen möglichen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Griechenland und Russland angeht, gab sich Brok gelassen. Er sagte, natürlich habe die griechische Regierung das Recht, über Energiepreise zu verhandeln, solange die EU dies nicht gemeinsam mache. Die Frage sei allerdings, welche Bedingungen und Konsequenzen damit verbunden seien. Brok hält es auch nicht für problematisch, wenn Russland wieder Agrarimporte aus Griechenland zulasse, deren Stopp die russische Regierung nach den EU-Sanktionen verfügt habe.
    Der CDU-Politiker würde es allerdings nicht gutheißen, falls Griechenland die wegen des Konflikts um die Ukraine von der EU gegen Russland erlassenen Sanktionen unterlaufen würde. "Dann haben wir ein Problem", sagte Brok.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Am Telefon ist Elmar Brok von der CDU, er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament. Guten Morgen!
    Elmar Brok: Guten Morgen, Frau Kaess!
    Kaess: Herr Brok, der Athener Regierungssprecher sagt, Griechenland blickt nirgendwo anders hin als nach Europa. Ist das für Sie noch glaubwürdig?
    Brok: Nun, das wird heute ein weiterer Testfall sein. Wir wissen, dass in der griechischen Regierung eine Reihe von Kräften sind, die ich aus früheren Zeiten auch noch persönlich kenne, die so einen starken orthodox-kommunistischen Anschlag hatten – die Leute, die 1949 den Bürgerkrieg verloren haben und dem immer noch nachtrauern, das heißt, die gerne Griechenland woanders verorten möchten. Und da gibt es innerhalb der griechischen Regierung einen Kampf um die Richtung.
    Kaess: Jetzt könnte man ja sagen: Alexis Tsipras war zuerst bei den europäischen Partnern – das ist jetzt ganz normal, dass er Moskau besucht. Wir haben es gehört, es soll unter anderem um niedrigere Gaspreise gehen. Athen muss sparen. Ist es also das gute Recht der griechischen Regierung, über niedrigere Preise zu verhandeln?
    Brok: Natürlich ist es das Recht, über niedrigere Preise zu verhandeln, solange die Europäische Union die Energieagentur nicht hat und Länder unterschiedliche Preise haben. Das gilt ja auch für Deutschland, die einen anderen Preis haben als andere EU-Mitgliedsländer. Das ist erst mal relativ unschuldig. Die Frage ist, welche Bedingungen, welche Konsequenzen damit verbunden sind. All das, was Ihre Kollegin aus Moskau berichtet hat, ist möglich. Aber wir wissen nicht, ob dieses politisch eingesetzt wird, beispielsweise, dass man im Bereich der finanziellen Sicherung Griechenlands, insbesondere aber auch hier im Zusammenhang mit den Sanktionen gegenüber Russland ein Geschäft macht.
    "Russland darf nicht die Perspektive sein"
    Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras beim EU-Gipfel in Brüssel.
    Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras beim EU-Gipfel in Brüssel. (AFP / Alain Jocard)
    Kaess: Was befürchten Sie konkret?
    Brok: Ich weiß es wirklich nicht. Es muss klar sein für Griechenland, dass Russland nicht die Perspektive ist, denn Russlands Lebensbedingungen, die sind so schlecht, dass Griechenland, glaube ich, nicht unter diesen Bedingungen leben möchte. Wir müssen sehen, dass Russland auch nicht in der Lage ist, Griechenland wirklich zu finanzieren, dass Griechenland wieder ein hohes Lebensniveau bekommt, das weit über dem russischen liegt. Aus diesem Grunde heraus muss es einfach klar sein gegenüber der griechischen Bevölkerung, dass dieser Teil in der Regierung Syriza, die gegen Westen sind, die gegen Europäische Union sind, dass diese entsprechend deutlich als solche bezeichnet werden, damit nicht die Regierung das Land in eine Richtung führt, wo die Mehrheit der Bevölkerung nicht wirklich hin will.
    Kaess: Schauen wir noch kurz auf einen Einzelaspekt dieser Gespräche heute in Moskau. Wir haben das gerade gehört von unserer Korrespondentin: Russland hat ja nach den westlichen Sanktionen gegen Lebensmittel aus der EU einen Importstopp verhängt. Griechenland leidet besonders darunter. Was, wenn Putin Tsipras anbietet, allein Griechenland dürfe wieder Obst und Gemüse nach Russland importieren und Tsipras annimmt?
    Brok: Ich glaube, das ist auch noch nicht das Problem. Das Problem ist, ob damit ein Geschäft verbunden ist, dass beispielsweise Griechenland aus der Solidarität der Europäischen Union gegenüber Russland ausschert, wenn es um die Ukrainepolitik geht, hier also speziell um die Sanktionen.
    Kaess: Aber eigentlich ist es ja so, dass über den Handel von Agrarexporten nur die EU-Kommission verhandeln darf und kein einzelnes EU-Land. Hätte also Athen dann schon die EU-Regeln verletzt?
    Brok: Nein, denn dies ist ja keine Sanktion, die die Europäische Union ausgesprochen hat. Dies ist eine einseitige Sanktion, die Russland ausgesprochen hat. Wenn Russland eine einseitige Sanktion zurücknimmt, halte ich das nicht für das entscheidende Problem. Das Problem ist, für welchen Preis Russland das macht. Das ist das Entscheidende. Wenn sich dadurch Griechenland ihre Position abkaufen lässt, die im Zusammenhang mit der Ukrainepolitik steht, dann haben wir ein Problem.
    "Bei den Sanktionen gilt das Einstimmigkeitsprinzip"
    Kaess: Ja, dann schauen wir mal ganz konkret auf diesen Aspekt. Es gibt ja durchaus Anzeichen dafür. Tsipras hat zum Beispiel in einem Interview mit einer russischen Nachrichtenagentur gesagt, es sei eine sinnlose Sanktionspolitik der EU, die er ablehne. Was also, wenn Griechenland ausschert?
    Brok: Dann haben wir ein Problem. Allerdings muss man sagen, dass vor drei Wochen bei dem Europäischen Rat, als die politisch, noch nicht rechtlich verbindlich, aber politisch die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland bis zum Ende des Jahres beschlossen worden sind, Griechenland zugestimmt hat. Das heißt, Griechenland müsste einer vor drei Wochen eingenommene, offizielle Position, die sie im Europäischen Rat klargestellt hat, abgehen. Bei den Sanktionen gilt eigentlich das Einstimmigkeitsprinzip, das heißt, formal könnte Griechenland die Fortsetzung der Sanktionen über Juni hin blockieren, und dann hätten wir ein ernsthaftes Problem. Und hier müssen wir dann überlegen, wenn Griechenland dann zu behandeln ist.
    "Griechenland hat die Reformen nicht richtig durchgesetzt"
    Kaess: Und würde zur Lösung dieses Problems eventuell auch das Eingeständnis gehören, dass die EU Athen zu sehr an die Wand drückt?
    Brok: Das Eingeständnis ist doch nicht da. Wir müssen doch sehen, dass Länder wie Irland, Portugal und Spanien mit der Fiskalpolitik und Strukturreformen aus der Krise herauskommen. Die Iren machen in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 5,5 Prozent, die Portugiesen sagen, sie möchten jetzt ihre Kredite vorzeitig zurückzahlen, weil das Programm funktioniert hat. Aus diesem Grunde muss man sehen, dass Griechenland Vorschläge akzeptieren muss und Vorschläge mit erarbeiten muss, das wird ja erarbeitet und nicht aufgedrückt, die es möglich machen, dass dieses Land wieder eine bessere politische und wirtschaftliche Perspektive hat. Und darauf zu verzichten, wird hier kein Problem lösen, sondern das griechische Problem noch weiter verlängern.
    Kaess: Aber wir kennen, Herr Brok, alle die Auswirkungen in Griechenland und die Situation dort und wir kennen die Probleme. Deshalb noch mal die Frage: Sollte Athen mit Moskau einen Pakt eingehen – wie viel Schuld trifft die EU?
    Brok: Ich glaube, die EU trifft keine Schuld, denn Griechenland hat die Reformen nicht richtig durchgesetzt bisher. Allerdings sind ja dort auch Verbesserungen vorhanden. Man hat einen Primärüberschuss im Haushalt jetzt, man hatte eins Prozent Wirtschaftswachstum, es ging also nach oben. Die Ausgangsposition in Griechenland war nur besonders schlimm.
    Kaess: Aber dennoch ist eine andere Regierung gewählt worden.
    Brok: Mit 36 Prozent der Stimmen. Mehr hat die Syriza nicht bekommen, das darf man auch nicht vergessen. Das hat mit dem Wahlrecht dort zu tun. Und wir müssen sehen, dass man doch nur Geld, auch unser Steuerzahler Geld gibt, wenn das mit einer Perspektive verbunden ist, dass Griechenland aus dieser Krise herauskommt. Wenn man keine Reformmaßnahmen macht, den Staatsapparat nicht verbessert, nicht wirkliche Voraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung schafft, sind wir doch in zwei, drei Jahren in derselben Situation wieder, wenn nicht noch schlimmer.
    "Griechenland hat eine große globalstrategische Bedeutung"
    Kaess: Aber jetzt sind wir eben in dieser Situation, Herr Brok, die Unionsfraktionschef Volker Kauder im Bundestag sinngemäß so ausgedrückt hat: Putin reibe sich die Hände, wenn Europa zerfalle. Also wie viel Spielraum hat Europa eigentlich?
    Brok: Das ist ein Problem. Wir müssen sehen, da muss man nur auf die Landkarte schauen, dass Griechenland in dieser globalstrategischen Frage von großer Bedeutung ist. Wir müssen auch sehen, dass es ein ganz alter Kampf ist. Das war letztlich die Vereinbarung Stalin/Churchill 1944 bereits, dass Griechenland zur westlichen Hemisphäre gehört, was von den griechischen Kommunisten nie akzeptiert worden ist. Und man muss sehen, dass hier ganz offensichtlich manche wieder an diese Tradition anknüpfen müssen und dann Griechenland aus der westlichen Hemisphäre herauslösen wollen.
    Kaess: Tsipras beschwört ja auch im Zusammenhang mit den Reparationen die brüderlichen Beziehungen zwischen Griechenland und Russland und spricht davon, dass das zwei Länder sind, die mehr als alle anderen unter dem Faschismus gelitten hätten. Sollte Deutschland in dieser Frage auf Griechenland noch mal zugehen?
    Brok: Ich glaube, die Reparationsfrage ist rechtlich abgeschlossen. Dass wir hier mit mehr Empathie auf Griechenland zugehen müssen, auf alle anderen Länder, dass wir deutlich machen müssen, was in deutschem Namen angerichtet worden ist, das ist richtig so. Aber es sind doch nicht Russland und Griechenland, das frühere Jugoslawien muss gesehen werden, wir müssen sehen, was in Polen passiert ist, wir müssen sehen, was in der Ukraine ist, die ja sehr viel mehr gelitten hat als das heutige Russland. Also diese Gleichrechnung stimmt einfach nicht.
    Kaess: Die Meinung von Elmar Brok, er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament. Danke für dieses Gespräch heute Morgen!
    Brok: Ich danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.