Als die Stadt unter Zwangsverwaltung gestellt wurde, seien die Mitarbeiter einige Tage gar nicht reingekommen. Jetzt sei das Rathaus von der Polizei umstellt, erzählt Ercan Ayboga, der dort für internationale Beziehungen zuständig ist und 2014 für die Linkspartei in Thüringen kandidiert hat, im Deutschlandfunk. Polizisten seien in den Korridoren. "Es sieht nach einer Belagerung aus, wenn man sich das von außen ansieht." Es liefen auch Menschen in Zivil herum, die niemand kenne. Dadurch werde Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt.
Der Zwangsverwalter sei ein Landrat aus der Provinz Ankara, der das ganze Personal und Sekretariat habe versetzen lassen und einen neuen Stab mitgebracht habe. So werde Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt, auch durch die Entlassung und Versetzung von Beratern und Abteilungsleitern. Eine offizielle Begründung vom Zwangsverwalter gebe es dafür nicht. Es werde eher allgemein begründet, dass die Stadtverwaltung Terrorismus unterstützen würde. Aber: "Das ist herbeigezogen", so Ayboga.
"Dieser Regierung müssen Schranken gesetzt werden"
Die Zwangsverwaltung von Diyarbakir basiere auf einem Erlass der Regierung, die im Ausnahmezustand möglich sei, nicht auf einem Gesetz. Es gebe keinen konkreten Vorwurf etwa der Veruntreuung von Geldern. Jahrelang hätten Finanzkontrolleure der Regierung die Stadt überprüft, die hätten nichts vorgefunden.
"Es geht eine große Angst um" in der Stadt, sagte Ayboga, schon seit letztem Sommer, seit dort mehrere Bomben hochgegangen seien. Es gebe immer wieder weitere Anschläge, v.a. gegen türkisches Militär und Polizei. "Vor allem aber macht uns die türkische Polizei- und Militärpräsenz zu schaffen."
"Die Regierung geht extremst willkürlich vor", so Ayboga im Deutschlandfunk, wie zu Zeiten des Militärputsches 1980. Menschen würden willkürlich festgenommen, Vorwürfe erfunden – etwa, dass man ein bestimmtes Buch zu Hause habe, auch wenn das normal im Buchhandel erhältlich sei. "Hier ist man eigentlich vor nichts mehr geschützt, wenn der Staat zugreifen möchte", beklagt Ayboga. Von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der gestern in Ankara war, fordert er: "Dieser Regierung müssen Schranken gesetzt werden, sonst werden wir in ein, zwei Jahren ganz andere Folgen noch zu spüren haben."