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Türkische Gemeinde in Deutschland
Ex-Chef zeigt sich selbst an

Knapp neun Jahre lang war Kenan Kolat Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD). Kolat trat in Politik und Medien als wichtige Stimme der Migranten auf. Im Mai 2014 trat er bei den Vorstandswahlen der TGD nicht mehr an - aus gesundheitlichen Gründen, sagte er. Nun hat sich Kolat bei der Berliner Staatsanwaltschaft wegen Untreue selbst angezeigt.

Von Kemal Hür |
    Kenan Kolat, ehemaliger Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland e.V.
    Kenan Kolat (picture alliance / ZB / Karlheinz Schindler)
    Die Auflistung der Barabhebungen ist eine Seite lang. Kenan Kolat hat zwischen März 2012 und September 2013 viele Male vom Konto der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) verschiedene Summen abgehoben. Die Liste und der Kassenprüfungsbericht liegen dem Deutschlandradio vor. Kolat räumte ein, einen Fehler begangen zu haben. Ein Fehler, der nicht akzeptiert werden kann, sagt der damalige und aktuelle Kassenprüfer Ilker Duyan.
    "Solange Kenan Kolat zugegeben hat, dass es für seine privaten Zwecke war, müssen wir es auch so akzeptieren. Und das heißt, er hat das Vereinskonto mehr oder weniger wie sein eigenes Konto privat benutzt."
    Kolat war bis Mai letzten Jahres Bundesvorsitzender der TGD und hat auch hauptamtlich Projekte geleitet. Die Barabhebungen liegen zwischen 200 und der höchstmöglichen Tagessumme von 1.000 Euro. Er zahlte alle Beträge auf das Konto zurück - manche einige Tage, andere acht Monate später. Die Barauszahlungen wurden kurz vor dem Bundeskongress im letzten Jahr bekannt. Kolat wollte bei den Vorstandswahlen noch mal antreten, aber sein Berliner Landesverband habe ihm das nicht erlaubt, sagt der damalige Kassenwart Hilmi Kaya Turan.
    Kolat wurde als Honorarkraft weiterbeschäftigt
    "Es gab eine Absprache mit ihm, dass er nicht wieder kandidiert wegen seiner Verfehlungen. Und Kenan Kolat hat dann gebeten, dass man ihm die Möglichkeit geben sollte, dass er in Würde sein Amt dann zu Ende bringt und dass er dann nicht mehr kandidiert."
    Die Absprachen sind schriftlich niedergelegt und liegen uns vor. Kolat gab auf dem Bundeskongress im Mai 2014 öffentlich bekannt, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Vorsitzender antrete. Doch er wurde nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Bundesvorsitzenden als Honorarkraft für verschiedene Tätigkeiten weiterbeschäftigt. Dagegen spreche nichts, sagt Kolats Nachfolger, einer der zwei Bundesvorsitzenden, Gökay Sofuoglu aus Stuttgart.
    "Er wurde als Honorarkraft weiterbeschäftigt, weil es keine Straftat aus unserer Sicht gab, was Kenan Kolat belasten würde. Und für uns gab es kein Problem, dass er in der TGD arbeitet, aber jetzt nicht unbedingt in der Führungsposition."
    Sofuoglu verweist darauf, dass die Kassenprüfer auf dem Bundeskongress die Entlastung des geschäftsführenden Vorstands empfohlen hatten, damit also auch den Vorsitzenden Kolat entlasteten. Der Kassenprüfer Ilker Duyan beteuert aber, das sei eine rein politische Entscheidung gewesen, nachdem Kolat von einer weiteren Kandidatur abgesehen habe.
    Sein Anwalt bestätigt die Barauszahlungen
    "TGD ist auch ein Verein, der mit sehr viel Politik zu tun hat. Und nach seinem Versprechen, dass er nicht mehr politisch aktiv sein werde, haben wir den Entlastungsbericht dementsprechend reportiert."
    Kenan Kolat wollte sich auf unsere Anfrage nicht selbst äußern. Sein Anwalt bestätigt schriftlich die Barauszahlungen vom Vereinskonto und weitere Beanstandungen im Kassenbericht bezüglich einiger Taxiquittungen und Bewirtungsbelege. Kolat habe den Sachverhalt im Februar der Berliner Staatsanwaltschaft übergeben, um möglichen Schaden von dem Verband abzuwenden und eine unabhängige Aufklärung zu ermöglichen.
    Die Staatsanwaltschaft teilte mit, die Selbstanzeige sei Anfang März eingegangen. Und es sei ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue eingeleitet worden. Bis zum Abschluss des Verfahrens lässt Kolat sein Amt als Sprecher des Verbandes der interkulturellen Wohlfahrtspflege ruhen. Zu diesem Amt hatte ihn die TGD selbst vorgeschlagen - nach seiner Amtszeit als ihr Vorsitzender.