Dündar sagte dem Deutschlandfunk, in einem freien Land habe jeder das Recht zu kommen und Wahlkampf zu machen - sowohl Erdogan und seine Anhänger als auch die Gegner der Verfassungsreform. "Wenn wir für freie Meinungsäußerung sind, dann dürfen wir niemanden zensieren oder ausschließen. Wenn wir das machen, sind wir genauso wie sie. Es gäbe keinen Unterschied zwischen uns."
Er betonte jedoch, wenn Erdogan in Deutschland Hass verbreite oder polarisiere so wie in der Türkei, dann sei das nicht hilfreich für die türkische oder kurdische Gemeinde in Deutschland. "Weil es hier bereits eine polarisierte Gesellschaft gibt", sagte Dündar dem Deutschlandfunk.
Dündar in der Türkei verurteilt
Can Dündar war Chefredakteur der türkischen Tageszeitung "Cumhuriyet". Wegen eines Artikels über die Zusammenarbeit des türkischen Geheimdienstes mit der Terrormiliz IS wurde er verurteilt. Seit Sommer 2016 lebt er in Deutschland.
Hier leitet er seit Kurzem das deutsch-türkische Online-Magazin "Özgürüz" (auf Deutsch: "Wir sind frei"). Das Online-Magazin soll angesichts der zunehmenden Einschränkung der Pressefreiheit in der Türkei kritischen Journalisten eine Stimme geben und dabei helfen, Nachrichten öffentlich zu machen, die in der Türkei sonst unterdrückt werden.
Bundesregierung hat keine Hinweise auf Erdogan-Auftritt
Vor Kurzem hatte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim in Oberhausen für das Präsidialsystem geworben. Das hatte in Deutschland zu einer Debatte geführt, ob türkische Politiker in der Bundesrepublik Wahlkampf machen dürfen. Die "Bild"-Zeitung hatte zudem berichtet, dass der türkische Präsident Erdogan im März in Nordrhein-Westfalen auftreten wolle, um für die umstrittene Verfassungsänderung in seinem Land zu werben.
Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach forderte daraufhin hat im Deutschlandfunk, einen möglichen Auftritt Erdogans zu verhindern: "Wir sind in einem Maße tolerant, dass man meinen könne, wir übertreiben es", kritisierte er mit Blick auf den politischen Umgang mit türkischen Angelegenheiten in Deutschland. Erdogan führe aktuell die Türkei in ein autoritäres Regime.
Die Bundesregierung hat nach eigenen Angaben aber keine Hinweise darauf, dass ein Auftritt in Deutschland geplant ist. Das Auswärtige Amt erklärte in Berlin, eine Besuchsabsicht müsse rechtzeitig mitgeteilt werden. Das sei bisher nicht geschehen.
Türkische Gemeinde wirbt für ein Nein
Die Türkische Gemeinde in Deutschland sprach sich indes gegen die Einführung eines Präsidialsystems aus. Der Vorsitzende, Gökay Sofuoglu, sagte im DLF: "Weil diese Verfassungsänderung die Türkei mehr von der Demokratie entfernt und führt Richtung Autokratie." Es gehe nicht um Einmischung in innertürkische Angelegenheiten: "Es ist keine Parlamentswahl, es ist keine Ministerpräsidentenwahl, sondern es ist eine Richtungsentscheidung für die Türkei."
(at/hba)