Archiv

TV-Debatten ohne AfD
"Ein sonderbares Demokratieverständnis"

Dass die AfD nicht an den großen TV-Debatten vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz teilnehmen dürfe, offenbare ein sonderbares Verständnis von Meinungsfreiheit, sagte der AfD-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, Jörg Meuthen, im DLF. Der Politiker machte sowohl der SPD und den Grünen als auch dem SWR Vorwürfe.

Jörg Meuthen im Gespräch mit Thielko Grieß |
    Der AfD-Politiker Jörg Meuthen auf dem Bundesparteitag in Hannover am 28.11.2015.
    "Man sollte uns deswegen einladen, weil wir in allen Umfragen derzeit bei rund zehn Prozent stehen, etwa in Baden-Württemberg, und über acht Prozent meines Wissens in Rheinland-Pfalz, sagte der AfD Politiker Jörg Meuthen im DLF. (picture alliance / dpa / Swen Pförtner)
    Die AfD sei eine "politisch relevante Größe" und sollte daher auch zu den großen TV-Dikussionsrunden des SWR eingeladen werden, meinte Meuthen. Jetzt sollen aber nur Politiker der im Landtag vertretenen Parteien daran teilnehmen - anders als noch 2011, wo auch ein Vertreter der baden-württembergischen Linken vom SWR eingeladen wurde, weil die Partei Aussichten hatte, ins Landesparlament einzuziehen. Es sei nur folgerichtig, auch jetzt so zu verfahren, forderte Meuthen.
    Der SWR begründet seine Entscheidung damit, dass SPD und Grüne nicht an den Sendungen teilgenommen hätten, wenn auch Vertreter der AfD eingeladen seien. Man halte die Position von SPD und Grünen zwar für falsch, aber man habe so keine andere Wahl gehabt, sagte SWR-Intendant Peter Boudgoust.
    Meuthen: Dem SWR fehlt der Mut
    Der AfD-Politiker Meuthen kritisierte im DLF zum einen den SWR, weil ihm "der Mut" fehle, das Duell in dieser Form umzusetzen. Zum anderen offenbare die Haltung der politischen Konkurrenz ein sonderbares Verständnis von Demokratie und Meinungsfreiheit.
    Kein Verständnis zeigte Meuthen auch dafür, die umstrittenen Äußerungen des thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke mit den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu vermischen. Es seien "singuläre Äußerungen" von Höcke, so Meuthen. Man lasse in der AfD ein "breites Meinungsspektrum" zu, solange es sich auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befinde.

    Das Interview mit Jörg Meuthen in voller Länge:

    Thielko Grieß: Frohlocken bei der Alternative für Deutschland in drei Bundesländern. Demoskopen verheißen der AfD den Einzug in die Landtage von Sachsen-Anhalt, von Rheinland-Pfalz und von Baden-Württemberg. In allen drei Ländern wird im März gewählt und vorher gibt es in allen drei Ländern ein argumentatives Kräftemessen im jeweiligen Regionalfernsehen. Schauen wir nach Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Dort sind solche Diskussionsrunden angekündigt im Regionalfernsehen des Südwestrundfunks, des SWR.
    Nun hatten aber in Rheinland-Pfalz die Ministerpräsidentin Malu Dreyer von der SPD und die Grünen angekündigt: Wenn die AfD mit eingeladen wird zu einer solchen Runde, dann bleibe man zuhause. Ähnlich in Baden-Württemberg, nur anders herum. Dort haben Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen und sein Stellvertreter Nils Schmid von der SPD ihr Fernbleiben ebenfalls angekündigt, sollte die AfD eingeladen werden.
    Der Südwestrundfunk hat gestern entschieden, die AfD nicht einzuladen, die Fernsehrunde mit den Spitzenkandidaten der im Landtag vertretenen Parteien zu führen und anschließend die AfD-Spitzenkandidaten in eigenen Interviews zu Wort kommen zu lassen. Das gilt auch für die Spitzenkandidaten der übrigen Parteien, die nicht im Parlament sind, jedenfalls nicht zurzeit. - Jetzt ist am Telefon Jörg Meuthen, der AfD-Chef in Baden-Württemberg. Herr Meuthen, guten Morgen!
    Jörg Meuthen: Guten Morgen, Herr Grieß.
    Grieß: Werden Talkrunden im Fernsehen besser, je mehr Menschen an ihnen teilnehmen?
    Meuthen: Na das ganz sicherlich nicht. Es sollten die teilnehmen, die zu einem Thema etwas zu sagen haben.
    "Wir sind eine politisch relevante Größe - demzufolge sollte man uns auch einladen"
    Grieß: Und warum gehören Sie nun ausgerechnet dazu? Sie sind nicht im Landtag vertreten.
    Meuthen: Nun, das kann kein Kriterium sein. Bei der Landtagswahl 2011 zum Beispiel gab es auch eine Elefantenrunde und da waren Grüne und Linke eingeladen, und zwar deswegen, weil sie aussichtsreich dafür waren, in den Landtag einzuziehen, was bei den Grünen dann ja auch wirklich gelungen ist. Insofern wäre das folgerichtig, das jetzt auch zu tun, und man sollte uns deswegen einladen, weil wir in allen Umfragen derzeit bei rund zehn Prozent stehen, etwa in Baden-Württemberg, und über acht Prozent meines Wissens in Rheinland-Pfalz. Damit sind wir eine politisch relevante Größe, werden voraussichtlich in den Landtagen sitzen, und demzufolge sollte man uns auch einladen.
    Grieß: Von wem fühlen Sie sich ungerechter behandelt, von der politischen Konkurrenz oder vom Südwestrundfunk?
    Meuthen: Das lässt sich klar beantworten: von der politischen Konkurrenz. Die offenbaren ein sonderbares Demokratieverständnis, wenn sie sagen, wenn wir kämen, dann setze man sich mit uns nicht auf ein Podium.
    Grieß: Aber der SWR hat doch nun die Einladung nicht ausgesprochen an Sie.
    Meuthen: Ich kritisiere da durchaus auch den SWR in dem Sinne, dass ihm offensichtlich der Mut fehlt zu sagen, wir haben die Unabhängigkeit und die Politikferne, dass wir einladen, und dann nehmen die teil, die teilzunehmen zugesagt haben. Das hätte in dem Fall geheißen, dass Herr Kretschmann und Herr Schmid in Baden-Württemberg und Frau Dreyer etwa in Rheinland-Pfalz nicht teilgenommen hätten, weil sie gesagt haben, wenn die AfD kommt, dann setzen wir uns mit denen nicht aufs Podium.
    Grieß: Herr Meuthen, kann es sein oder haben Sie Verständnis dafür, dass solange Ihr Kollege Björn Höcke aus Thüringen seine Thesen über Deutschland, Europa, tausende Jahre und dem sogenannten afrikanischen Ausbreitungstypus, den er irgendwo erkennt, verbreitet, dass sich andere Menschen mit Ihnen nicht auf ein Podium setzen wollen oder stellen?
    Meuthen: Nein, dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Es geht hier um die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg und es geht nicht um Thüringen. Diese Äußerungen sind singuläre Äußerungen von Herrn Höcke aus Thüringen und die haben für die Landtagswahlen keine Bedeutung.
    "Sonderbares Verständnis von Meinungsfreiheit"
    Grieß: Die er in verschiedenen Variationen allerdings vorträgt, und er ist nun mal Mitglied der AfD und trägt deshalb auch eine gewisse Rolle in dieser Partei bundesweit.
    Meuthen: Gehen Sie doch mal getrost davon aus, dass Menschen in anderen Parteien auch sehr unterschiedliche Meinungen haben und auch zuweilen Meinungen äußern, die etwas grenzwertig sind. Das ist doch ein vorgeschobenes Argument, uns in Baden-Württemberg nicht dazuzuholen. Wenn zum Beispiel Herr Schmid sagt, er setze sich mit uns nicht auf ein Podium, um einer Partei, die Meinungsfreiheit und Demokratie verachtet, kein Podium zu bieten, dann ist das doch schlichtweg lächerlich. Da stellt sich doch die Frage, wer hier eigentlich ein Problem mit der Meinungsfreiheit hat.
    Wir sind eine Partei, in der wir ein breites Meinungsspektrum dulden, und dabei muss nicht jeder sich der Meinung eines anderen stets anschließen. Das ist ein völlig normaler Vorgang. Es offenbart doch eher ein sonderbares Verständnis von Meinungsfreiheit, wenn Herr Schmid mit uns nicht diskutieren will, uns dann aber vorwirft, wir seien Feinde der Meinungsfreiheit. Das ist doch schlichtweg lächerlich.
    Äußerungen von Björn Höcke: "Innerhalb eines Spektrums, das gesagt werden kann"
    Grieß: Sie dulden allerdings auch Biologismus.
    Meuthen: Wir dulden eine Position, solange sie sich auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegt. Ich habe klipp und klar gesagt, dass ich diese Äußerungen nicht teile, und das habe nicht nur ich gesagt, sondern das hat der Bundesvorstand auch gesagt. Sie sind aber innerhalb eines Spektrums, das gesagt werden kann. Das ist eine mögliche Sichtweise und Sie müssen das natürlich auch in dem Zusammenhang der Rede sehen. Wenn Sie die Rede komplett sehen, stellt sich das weitaus harmloser dar.
    Grieß: Was ist denn an dieser Sichtweise Björn Höckes möglich?
    Meuthen: Schauen Sie, Sie versuchen, jetzt auf jede erdenkliche Weise mich auf die Positionen des thüringischen Landesvorsitzenden zu befragen. Das kann doch nicht das Thema sein, wenn es darum geht, ob wir in Baden-Württemberg in einer Landtagswahl an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. Es ist doch ein Ding der Unmöglichkeit zu sagen, Herr Höcke hat da den einen oder anderen Satz gesagt, mit dem man vielleicht nicht glücklich sein muss und auch nicht einverstanden sein muss, und deswegen lädt man nun die komplette AfD nicht ein, an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen, wenn sie mit zehn oder acht Prozent in Rheinland-Pfalz in den Meinungsumfragen dasteht. Das ist doch eine vorgezogene Schutzbehauptung und sonst ist das eigentlich gar nichts.
    Grieß: Herr Meuthen, aber Sie tun geradezu so, als lägen Welten zwischen Baden-Württemberg und Thüringen. Wenn ich den Termin richtig verstanden habe, dann war Björn Höcke gestern Abend, 19. 2., um 19 Uhr beim AfD-Kreisverband Main-Tauber zu Gast als Redner, als Wahlkampfhilfe. Sie brauchen ihn?
    Meuthen: Nein. Es ist so, dass wir 70 Wahlkreise haben in Baden-Württemberg, und die Kreisverbände entscheiden in ihren Wahlkreisen, wen sie einladen als Wahlkampfhelfer und wen nicht. Und wenn in dem Fall ist das Frau Dr. Baum in Main-Tauber sich dazu entscheidet, Herrn Höcke einzuladen, so ist das ihr gutes Recht. Auch das gehört zum Meinungsspektrum. Sie dürfte damit meines Wissens eine von zwei Kreisvorsitzenden sein, die Herrn Höcke zu einer Wahlveranstaltung einladen, und das akzeptieren wir.
    "Kreisverbände dürfen aus der Partei einladen, wen sie wünschen"
    In Rheinland-Pfalz zum Beispiel werden Auftritte von Herrn Höcke gar nicht stattfinden. Wir haben da eine etwas liberalere Sicht der Dinge, dass wir sagen, das müssen die Kreisverbände selbst entscheiden können. Das ist Teil der Konzeption unserer Partei, dass wir da basisdemokratisch verfasst sind und unseren Kreisverbänden die Möglichkeit eröffnen, dass sie einladen aus der Partei, wen sie einzuladen wünschen.
    Grieß: Dann müssen Sie aber auch mit der Kritik leben, Herr Meuthen, dass Sie - Sie haben es selber gesagt - grenzwertige Äußerungen in Ihrem Landesverband nicht unter Kontrolle haben.
    Meuthen: Wenn ich alle Äußerungen unter Kontrolle haben will, dann bin ich genau da, wo die Meinungsfreiheit endet, und da wollen wir auch gar nicht sein. Dann sind wir ungefähr da, wo die CDU ist, wo dann nur noch die Position Merkels geduldet wird, und wer diese Position nicht duldet, wird abgesägt. Das ist nicht unser Verständnis von freiheitlicher Demokratie und auch nicht von Arbeit in einer Partei.
    Grieß: Herr Meuthen, Sie haben gute Chancen, in den Landtag einzuziehen. Sie wollen auf jeden Fall in der Opposition bleiben?
    Meuthen: Wir werden in der Opposition bleiben, da eines sicher sein dürfte, dass nämlich keine der anderen im Landtag vertretenen Parteien derzeit mit uns an einer Koalition interessiert ist und wir trotz aller Zuwächse wohl auch nicht eine absolute Mehrheit erreichen werden. Das dürfte ja sicher sein. Deshalb bleiben wir in der Opposition.
    "Etablierte Parteien schließen sich unseren Positionen in der Migrationsfrage an"
    Grieß: Davon ist auszugehen, von diesen Annahmen.
    Meuthen: Genau. Beide Prämissen dürften sehr gesichert sein. Und dann kann man eine vitale Oppositionsarbeit machen, und genau das ist das, was wir tun wollen. Wir machen jetzt bereits Oppositionsarbeit außerparlamentarisch, und die wirkt, das können Sie sehen. Sie können ja sehen, wie sehr die etablierten Parteien sich unseren Positionen etwa in der Migrationsfrage anschließen.
    Das, wofür man uns vor drei Monaten oder zwei Monaten noch geziehen hat, wir seien äußerst rechtsaußen, das ist jetzt ungefähr das, was jetzt Herr Gabriel, Herr Kauder und viele andere vertreten und als die ihren Position zu verkaufen versuchen. Dabei übernehmen sie unsere Positionen, für die sie uns vor Kurzem noch geziehen haben. Insofern kann man selbst außerparlamentarisch gute Opposition machen. Innerparlamentarisch kann man es noch besser und das werden wir tun.
    Grieß: Schönen Dank, Jörg Meuthen, AfD-Chef der Alternative für Deutschland in Baden-Württemberg.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.