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"Über die Frömmigkeit eines Menschen kann nur Gott entscheiden"

Der Zentralrat der Muslime hat dem Münsteraner Theologen Mouhanad Khorchide mangelnde Gläubigkeit vorgeworfen. Es gehe gar nicht um Frömmigkeit, sagt hingegen Khorchide. Seines Erachtens handele es sich vielmehr um politische Verwerfungen in Zusammenhang mit der Besetzung des Koordinationsrats der Muslime.

Mouhanad Khorchide im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich |
    Burkhard Müller-Ullrich: Seit zwei Jahren gibt es an der Universität Münster einen Islam-Studiengang. Er soll unter anderem dazu dienen, dass muslimische Religionslehrer, die dann an deutschen Schulen unterrichten, in Deutschland ausgebildet werden und nicht aus anderen Kulturen und Verhältnissen hierher abgeordnet werden. Dazu gab es eine nicht ganz unkomplizierte Vereinbarung mit den vier größten muslimischen Verbänden in Deutschland, die im sogenannten Koordinationsrat zusammengeschlossen sind. Jetzt aber gibt es Kritik an der in Münster vermittelten Koranlehre, und zwar Kritik von Seiten des Zentralrats der Muslime, und die Kritik richtet sich gegen Professor Mouhanad Khorchide.

    Herr Khorchide, bevor wir zu der Kritik an Ihrer Arbeit kommen: Was ist das für ein Abschluss, den Ihre Studenten da in Münster machen? Wozu berechtigt er?

    Mouhanad Khorchide: In Absprache mit dem KRM, dem Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland. Ich habe meine Lehrerlaubnis auch schriftlich von ihnen erhalten und wir haben bis jetzt eine gute Zusammenarbeit geführt. Wir warten natürlich auf die Konstituierung des konfessorischen Beirats. Da gibt es in der Tat ein Problem, dass wir als Universität nichts dafür oder dagegen können. Es wurde eine Person vom Bundesinnenministerium abgelehnt, weil die Person einer Organisation angehört, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, und wir warten jetzt auf die Ernennung einer Ersatzperson seitens des KRM.

    Müller-Ullrich: Da geht es um vier Vertreter, die in diesen Beirat entsandt werden sollen, vom Koordinierungsrat, wenn ich das recht verstehe, und einer von diesen vier, der wurde abgelehnt?

    Khorchide: Genau. Nicht von der Universität, nicht von uns hier, wir haben mit niemandem ein Problem, sondern vom Bundesinnenministerium.

    Müller-Ullrich: Wegen Problemen mit dem Verfassungsschutz?

    Khorchide: Genau so. Die Organisation soll vom Verfassungsschutz beobachtet sein.

    Müller-Ullrich: Der Abschluss, den Ihre Studenten da machen, wie heißt der genau? Was wird man da?

    Khorchide: Wir haben mehrere Abschlüsse. Die zwei Hauptabschlüsse, die wir haben, ist ein Bachelor Islamische Theologie. Das sind die Theologinnen und Theologen, aber auch die, die auf Lehramt studieren. Die haben den Abschluss Bachelor beziehungsweise auch später dann einen Master in der islamischen Religionslehre. Die sind dann qualifiziert, um als islamische Religionslehrkräfte zu arbeiten.

    Müller-Ullrich: Jetzt wird Ihnen vorgeworfen, Sie seien nicht fromm genug, was bei einem Wissenschaftler möglicherweise nicht trifft, aber wenn es sich um Glaubensdinge handelt, möglicherweise schon.

    Khorchide: Über die Frömmigkeit eines Menschen kann nur Gott entscheiden. Das kann keine Person entscheiden über eine andere Person. Meines Erachtens, mir wird auch nicht weniger Frömmigkeit vorgeworfen, sondern ich habe das Gefühl, es geht hier nur um eine politische Debatte, wo wir hier auch als Universität irgendwie zwischen die Stühle geraten sind, weil es um diese Beiratsbildung geht und das Innenministerium eine Person ablehnt. Alles andere ist nicht das eigentliche Problem.

    Müller-Ullrich: Was ist denn der Hintergrund des Problems, wenn man Ihnen vorwirft, sich wie ein Orientalist und nicht wie ein Islamlehrer zu verhalten? Das ist der Vorwurf, den der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime erhoben hat. Was steckt dahinter?

    Khorchide: Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, wie ein Orientalist sich verhält und wie ein Islamischer Theologe. Ich kann mit der Aussage nichts anfangen, deshalb kann ich die auch nicht kommentieren eigentlich. Das müsste man Herrn Mazyek fragen, was er damit meint.

    Müller-Ullrich: Und wie gehen Sie jetzt mit dieser Lage um? Machen Sie einfach weiter, als wäre nichts?

    Khorchide: Zwei Sachen, die uns sehr wichtig sind. Die eine Sache: Uns ist die Kooperation, die enge Zusammenarbeit mit den Moscheegemeinden sehr wichtig. Wir werden weiterhin zwei ganz ausgestreckte Arme Richtung des Koordinierungsrats haben. Das ist das eine, und das andere, was uns sehr wichtig ist hier, dass wir weiterhin diese Linie verfolgen, dass wir für einen weltoffenen Islam hier stehen.

    Müller-Ullrich: Wenn Sie sagen, Sie verstehen die Anwürfe überhaupt nicht, Sie selbst würden sich aber schon einer liberalen Auffassung des Islam zurechnen, oder?

    Khorchide: Ich würde das nie als liberal bezeichnen. Im Gegenteil! Ich sehe mich innerhalb der islamischen Tradition. Ich knüpfe in meiner Theologie an Positionen, die anerkannt sind innerhalb der islamischen Theologie. Nur wenn andere die islamische Tradition nicht kennen, oder zu wenig kennen und für sie diese Positionen befremdend sind, wenn man vom barmherzigen Gott spricht, oder davon spricht, dass der Mensch im Mittelpunkt der Islamischen Theologie steht, dann sollte man auch eine inhaltliche Debatte führen, respektive innerhalb der islamischen Theologie, und nicht einfach loslegen und Menschen das eine oder das andere vorwerfen. Wie gesagt: Für mich ist deshalb der Diskurs an sich, der inhaltliche Werdegang der Islamischen Theologie sehr wichtig und das steht im Mittelpunkt.

    Müller-Ullrich: Mouhanad Khorchide, Islamwissenschaftler an der Universität Münster und dort zuständig für die Ausbildung muslimischer Religionslehrer in Deutschland. Danke für die Auskünfte.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.