
In der europäischen Musik und Musikausbildung spielt die Improvisation spätestens ab 1750 nur noch eine Nebenrolle, allerdings nicht in der Kirchenmusik, betont Wolfgang Seifen, Professor für Improvisation und Liturgisches Orgelspiel an der Universität der Künste in Berlin. Selbst renommierten Musikern fällt es schwer, sich von bereits geschriebenen Noten zu lösen, was seit der Renaissance und bis ins 18. Jahrhundert auch in der westlichen Welt üblich war. Der in Damaskus geborene Klarinettist Kinan Azmeh jongliert hingegen souverän zwischen Interpretation und Improvisation. In der arabischen Musikkultur basiert jegliches Zusammenspiel auf Tonskalen, die in virtuoser Art kombiniert werden, auf sogenannten Maqamat. Heute herrscht eine hitzige Diskussion darüber, ob sich diese auf Improvisation basierende Tradition in europäische Strukturen zwängen lassen soll. In der Kirchenmusik wiederum sowie im Jazz scheint sich eine Vermischung mit anderen Musikkulturen zu etablieren. Auch in zeitgenössischen Kompositionen ergänzt sich das musikalische Vokabular verschiedenartiger Kulturen. Längst sind auch Psychologen und Analytiker jener musikalischen Dimension auf der Spur, die nur in der Improvisation entstehen kann und weitaus mehr spiegelt, als musikgeschichtliche Entwicklungen.