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Über "Fake News" - Dritter Teil
Haben Internet und soziale Medien "Fake News" groß gemacht?

Man kann das Internet und die sozialen Medien nicht für "Fake News" verantwortlich machen. Die digitale Welt bietet neue Spielräume für Lügen und Manipulation – sie hält aber auch ein Gegengift bereit. Hier der dritte Teil der Antwort aus der Nachrichtenredaktion zu Fragen der Hörer und Nutzer zum Phänomen "Fake News".

    Zu sehen ist der Schriftzug "falsch" - der Buchstabe "f" ist im facebook-Design gehalten. Im Hintergrund das stark vergrößerte Logo des Unternehmens.
    Auch Facebook will nach eigenem Bekunden nun stärker gegen Falschmeldungen vorgehen. (dpa / Fotomontage: DLF)
    Von Marco Bertolaso
    Medien waren immer schon Plattformen für die Verbreitung auch falscher Informationen. Alle reden jetzt über Breitbart. Aber, was ist denn mit der Boulevardpresse oder den Heftchen über Prominente? Was ist mit all den Blogs und Facebook-Gruppen mit Verschwörungstheorien? Und selbst die seriösesten der seriösen Medien, haben sie noch nie etwas berichtet, das Wahlen beeinflusst oder Politiker zum Rücktritt gezwungen hat und sich später doch als Lüge erwies?
    Und bekommt der Freispruch eines Abgeordneten, einer Firmenchefin oder eines Kulturprominenten immer den gleichen Stellenwert wie die Aufnahme von Ermittlungen ein Jahr vorher? Die Liste der Fragen ließe sich beliebig fortsetzen.
    Bekanntes Problem mit neuen Aspekten
    Oft wird jetzt behauptet, dass die Sozialen Medien das Problem entscheidend verschärft hätten. Einspruch auch hier. Der Medienwandel ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Die erste gedruckte Zeitung hat dem Rufmord ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Die Einführung des Radios – man denke an Goebbels – oder des Massenmediums Fernsehen haben politischen und ökonomischen Interessen potentiell ungeahnte Missbrauchsmacht an die Hand gegeben.
    Geschlossene Meinungsräume haben Tradition
    Rückzugsräume und Selbstbestätigungsmechanismen gibt es ebenfalls nicht erst in den sozialen Medien. Sicher, viele Menschen suchen am digitalen Stammtisch Rückhalt für die eigenen Positionen und manchmal auch emotionale Wärme. Aber waren nicht früher auch die meisten Tageszeitungen eindeutige Tendenzbetriebe, zum Teil sehr ausdifferenziert - mit einem Blatt für den katholischen Gewerkschafter und einem anderen für die protestantische Arbeiterschaft?
    Und wo ist eigentlich der strukturelle Unterschied zwischen den hermetischen Meinungsräumen von oft als rückständig und illiberal beschriebenen Menschen zu den "Filter-Blasen" der liberalen Elite, von denen nach der letzten US-Wahl so viel die Rede war?
    Digital muss nicht alles schlimmer werden
    Internet und soziale Medien haben das Problem nicht erfunden, sondern nur ein weiteres Mal verändert, wie dies frühere "neue Medien" auch gemacht haben. Dabei ist gar nicht ausgemacht, dass digital alles schlimmer wird. Ja, es stimmt, die neuen Plattformen kann niemand so kontrollieren oder regulieren wie das bei Print, Radio und TV möglich ist. Kein Staat kann das, aber auch kein Presserat oder ein stillschweigendes Übereinkommen von Journalisten, was man macht und was nicht. Diese Selbstkontrolle der Medien ist nebenbei oft sinnvoll, sie hat aber auch den Vorwurf der "politisch korrekten Lügenpresse" in Teilen bestärkt.
    Und es stimmt auch, dass Algorithmen-Programmierer, Trolle, Hacker und Social Bots eine riesige Gefahr darstellen. Netzpolitik.org hat dazu eine Begriffsklärung beigesteuert. Sie alle können im Auftrag von Unternehmen, Staaten, organisierter Kriminalität oder einfach so aus Spaß gravierende Fehlsteuerungen in der digitalen Informationsgesellschaft auslösen. Deshalb müssen die Demokratien dieser Welt technisch auf der Höhe und abwehrbereit sein, Medien müssen hier recherchieren und offenlegen, Bürger Skepsis zur Tugend erklären.
    Die Chancen der Sozialen Medien
    Netz und insbesondere soziale Medien bieten aber auch Chancen. Sicher, hier kann jeder Lügen verbreiten. Doch jede und jeder kann sich auch daran machen, Lügen entgegenzutreten. Und alle können versuchen, Wahrheiten, die zu kurz kommen, einen Raum zu verschaffen. Ein Einspruch bei Facebook, eine Bemerkung bei Twitter – man muss nicht aufwendig ein Blog anlegen, um seine Stimme zu erheben.
    In der alten Medienwelt kann man zwar einen Leserbrief schreiben, hat aber keinen Einfluss darauf, ob der abgedruckt wird. Keineswegs größer sind die direkten Beteiligungsmöglichkeiten bei den elektronischen Medien. Hier wird klar, dass in der neuen Medienwelt die/der Einzelne mehr Möglichkeiten hat, aber auch stärker gefordert ist. Wir alle sollten davon Gebrauch machen.
    Facebook, Google und Co.
    Auch die Technologiekonzerne sind gefragt, die die großen Plattformen anbieten. Facebook, Apple, Google und Co. sollten das Gerede von der unschuldigen Neutralität endgültig aufgeben. Einige der Firmenchefs wie Tim Cook von Apple haben sich schon positioniert und auch Facebook rührt sich. Die Konzerne müssen die eigene Verantwortung für die globale Informationsordnung anerkennen und handeln. Sie sollten aber nicht nach Gutdünken eigene Regeln aufstellten, sondern von der EU-Kommission und anderen reguliert werden.
    Politik und Schulen
    Die Politik muss das Thema von der Peripherie in das Zentrum parlamentarischer Arbeit rücken. Die mögliche Manipulation von Wahlen, die Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden durch Brunnenvergiftung in den Sozialen Medien - das sind keine Themen mehr, die man Nerds in den Fraktionen überlassen soll, die einmal im Jahr Rederecht bekommen. Diese Themen sind so wichtig wie alles, was der mächtige Haushaltsausschuss zu besprechen hat. Nicht nur die Politik alleine, wir alle sollten auch dafür kämpfen, dass der Umgang mit Medien in den Schulen die Rolle bekommt, die er verdient. Einen guten Überblick darüber, was die Politik in verschiedenen Ländern bereits unternommen hat, aber auch einige der Technologie-Unternehmen, bietet das Medien-Blog der London School of Economis.
    In den kommen Tagen gehen wir auf weitere Hörerfragen ein, die sich zusammenfassen lassen mit: