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Ukraine
Bogdan Globa kämpft für Homosexuelle

Er demonstriert mit und gilt als erster in der Ukraine, der sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt hat: Bogdan Globa. Er kämpft für den Schutz von Minderheiten und hat sich sogar schon vor dem Parlament dazu geäußert. Sein Weg ist schwierig, und auch seine Eltern haben Schwierigkeiten mit seiner Orientierung.

Von Sabine Adler |
    Demonstranten mit einer Regenbogenflagge beim "Marsch der Gleichberechtigung" während des Kiew Pride im Juli 2013.
    In der Ukraine ist die Unwissenheit über Homosexualität sehr groß (picture alliance / dpa / Sindeyev Vladimir)
    Seit fast zwei Monaten spielt sich Bogdans Leben hauptsächlich auf der Straße ab. Wie Tausende Ukrainer geht der junge Mann Tag für Tag auf den Maidan, baut Barrikaden, blockiert das Regierungsviertel, nimmt an den Demonstrationen teil. Feierte dort Silvester und Weihnachten. Denn die Protestbewegung kann seiner Meinung nach weit mehr bewirken als jeder EU-Assoziierungsvertrag, sie muss zur Abwahl der Regierung und zur Hinwendung zu Europa führen. Bogdan Globa kämpft um den Schutz von Minderheiten, denn er ist homosexuell. Der Erste, der sich in der Ukraine überhaupt dazu öffentlich bekannt hat. Der 26-Jährige trat im ukrainischen Parlament vor den Abgeordneten auf, um sie davon zu überzeugen, dass ein Gesetz gegen die Diskriminierung von Minderheiten nötig ist.
    "Die Europäische Union", erklärt er hier in der Werchowna Rada, "bedeutet nicht, ein Konto in der Schweiz zu haben, sondern westliche Werte und Menschenrechte anzuerkennen. In der EU lebt man nicht gut, weil man reich ist, sondern weil man sich gegenseitig achtet und Minderheiten schützt. Sie, die Abgeordneten hier, glauben, dass es in der Ukraine keine Diskriminierung gibt. Sie als Angehörige der Mehrheit sind davon auch nicht betroffen. Aber ich bin ein bekennender Schwuler. Mich hat man dafür geschlagen, ein Mal pro Woche – zur Prophylaxe. Man hat mich vergiftet, verfolgt. Wissen sie, was es heißt, wenn Ihre Mutter ihnen ins Gesicht sagt, dass Sie nicht ihr Kind sind. Wenn Sie mit 16 fortgejagt werden, weil man denkt, dass sie krank sind? Ihnen geht es nur um Wähler, Prozente, aber mir geht es um mein Leben."
    Viele hörten ihre eigene Geschichte
    Ein paar Wochen sind seitdem vergangen. Den jungen Finanzfachmann, der eine Hilfsorganisation für Homosexuelle führt, hat sein Mut landesweit bekannt gemacht.
    "Ich bin danach kein anderer Mensch geworden, aber ich weiß jetzt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich habe über 600 Briefe bekommen. Doch das Wichtigste ist, dass wir die Haltung der Politiker geändert haben. Die wissen jetzt, dass es Homosexuelle in der Ukraine gibt, dass sie diskriminiert werden und dass ein gesetzliches Verbot von Diskriminierung nicht der EU zuliebe verabschiedet werden muss, sondern für die eigenen Bürger in unserem Land."
    Bogdan, der in der ukrainischen Stadt Poltawa 350 Kilometer von Kiew aufgewachsen ist, sprach unzähligen Betroffenen aus dem Herzen, viele meinten, ihre eigene Geschichte zu hören, als er in der Werchowna Rada seinen Leidensweg beschrieb.
    Seine Mutter Olena Globa beschleichen noch heute ungute Gefühle, wenn sie daran denkt, wie sie als Familie auf die Nachricht reagiert haben, dass der Sohn schwul ist. Sie erinnert sich vor allem an:
    "Tränen, Enttäuschung. Mir war klar, dass das ein Geheimnis bleiben musste. Dass ich mich nicht meinen Freunden anvertrauen durfte, nicht einmal meinen Eltern. Mein Vater, der einen Bericht über eine Schwulen-Parade voller Verachtung kommentiert hat. Ich habe zufällig herausgefunden, dass Bogdan schwul ist. Ich war darauf nicht vorbereitet. Ich fand in unserem Computer eine Datei mit Gedichten: über die Liebe von Männern zu Männern. Das war ein Schlag. Homosexualität wurde als Sünde betrachtet, man lachte über Schwule. Vielleicht bin ich als Mutter nicht objektiv, aber ich fand, dass mein Sohn auch gar nicht schwul aussah."
    Die Unwissenheit über Homosexualität ist in der Ukraine so verbreitet, dass selbst Hochschul-Dozenten wie Bogdans Mutter und ihr Mann nicht wussten, wie sie damit umgehen sollen.
    Unwissenheit ist weit verbreitet
    "Mein Mann war anfangs zuversichtlich und sagte, dass wir unseren Sohn behandeln lassen werden. Ich fuhr nach Kiew in eine Bibliothek, denn obwohl Poltawa eine Bezirksstadt ist, fand ich zu dem Thema nichts. Was ich dann las, machte mich erst recht mutlos: dass man Homosexualität nicht heilen und nur in einzelnen Fällen korrigieren kann. Ich schlug meinem Sohn vor, eine Umorientierung zu versuchen, er lehnte rundweg ab. Als mein Mann das Material las, das ich kopiert hatte, reagierte er mit aller Härte. Er warf mir vor, Schuld zu sein, ich hätte unseren Sohn verdorben, weil ich immer verhindert hätte, ihn mit Härte, Schlägen zu erziehen. Er war überzeugt davon, dass ein Junge nur so zum Mann wird. Wir trennten uns, denn ich konnte seine Einstellung nicht akzeptieren."
    Gemeinsam helfen
    Im Unterschied zu seinem Vater ließ die Mutter ihren Sohn nicht fallen, sie begriff, dass sich niemand seine sexuelle Orientierung aussuchen kann. Ihre eigenen Umwege zu dieser Erkenntnis möchte sie anderen Eltern ersparen.
    "Eltern. Ich habe so viel Zeit und Kraft darauf verwendet, mich mit der Tatsache anzufreunden. Dieses Leid war völlig überflüssig und heute glaube ich, dass es meinen Sohn sehr verletzt hat, dass ich leide, nur weil er schwul ist. Dass mein Sohn und ich uns wieder so nahe sind wie früher, hat Jahre gebraucht."
    Heute leiten Mutter und Sohn eigene Hilfsorganisationen, er für Homosexuelle, sie für deren Angehörige und Freunde.
    Großer Schritt: Auftritt im Parlament
    Für beide war Bogdans Auftritt im Parlament ein enormer Schritt. Er musste all seinen Mut zusammennehmen, war ängstlich.
    "Sehr. Ich bin der erste Schwule, nicht nur in der Ukraine, sondern im gesamten GUS-Raum, der sich öffentlich geoutet hat. Ich habe es gemacht, damit unsere Politiker nicht mehr leugnen können, dass es in der Ukraine Schwule gibt und sie diskriminiert werden. Homosexuelle sind in unserem Land einfach unsichtbar. Vor allem, wenn sie in der Provinz leben. Wer sich bekennt, lädt seiner Familie eine große Bürde auf, gefährdet seine Karriere, wird geschlagen, verfolgt. Wer wagt da schon sein Coming-out? Niemand!"
    Eine Zollunion mit Russland, so fürchtet Bogdan Globa, wird die in der ukrainischen Bevölkerung extrem verbreiteten Ressentiments noch weiter schüren.
    Bogdan Globa dagegen hofft, dass die Maidan-Bewegung die Annäherung an die EU bringt, die Diskriminierung von Minderheiten aufhört.