Der georgische Künstler Vachtang Kikabidze hat in der Sowjetunion eine glänzende Karriere gemacht. Als Schauspieler, Sänger und Regisseur gehörte er zuerst zur sowjetischen und später zur russischen Kulturelite. Bis 2008 der Bruch kam, als Russland gegen seine ehemalige Schwesternrepublik Georgien einen Blitzkrieg führte. Danach hatte Georgien 20 Prozent seiner Gebiete, Abchasien und Südossetien, eingebüßt.
Dieser georgisch-russische Blitzkrieg hat auch Kikabidze stark getroffen und geprägt:
"Als ich die russischen Panzer unweit von Tiflis sah, habe ich mich in einem Zimmer eingesperrt und bitter geweint. Man hat uns 20 Prozent unseres Gebietes einfach weggenommen! Das nenne ich Invasion! Gerade in jenen Tagen hatte ich aus dem Kreml ein Telegramm bekommen, mit der Mitteilung, dass man mir den Orden der Völkerfreundschaft verleiht. Ich habe abgelehnt und gesagt, dass ich nie mehr nach Russland fahren werde."
Nationale Ressentiments in Russland
Der Künstler hat sein Wort gehalten: Seit acht Jahren ist er nicht mehr in Russland gewesen, obwohl das für seine Karriere natürlich vom Nachteil war. Doch wie könnte er sonst seinen Enkelkindern in die Augen schauen, wenn er weiterhin in das Land fahren würde, von dem seiner Meinung nach vor allem Aggression und Leid ausgehen?
Der georgische Schriftsteller Lascha Bakradze glaubt, einmal in seiner Geschichte habe Georgien einen großen Fehler gemacht: Als es Anfang des 19. Jahrhunderts den russischen Zaren um den Schutz vor seinen muslimischen Nachbarn bat und über Russland eine Annäherung an Europa suchte:
"Ich habe so oft wiederholt, dass Russland kein Europa ist, es war und es bleibt ein Second-Hand-Europa. Und dieses Second-Hand-Europa hat einen unglaublich starken asiatisch-mongolischen Anschlag. Und wir sehen es heute deutlich, wie die russische Politik ist, gerade in der Ukraine. Das ist nicht die Politik des 21. Jahrhunderts, sondern bestenfalls des 19. Jahrhunderts, ein imperialistisches Denken."
Der georgische Film-Regisseur Levan Kitia will mit Russland keine Projekte mehr anfangen. Über die nationalen Ressentiments im heutigen Russland weiß der Künstler gut Bescheid. Und er hat Angst: Als Kaukasier könnte er in Moskau auf der Straße schnell von den Skinheads zusammengeschlagen oder von der Polizei festgenommen werden. In Moskau habe man vergessen, dass Territorialkonflikte in die Vergangenheit gehören:
"Ein großer Teil des historischen Georgiens gehört etwa heute in die Türkei. Es wurde der Türkei von Wladimir Lenin zum Geschenk gemacht. Aber die Türken pflegen die alten georgischen Denkmäler, überall gibt es dort georgische Inschriften – zur Freude eines jeden Touristen. Doch was passiert etwa in Abchasien? Die Russen bauen dort die georgischen Kirchen um! Wie nennt man das? Läuft das etwa nach dem Vorbild des Islamischen Staates, das gerade die alte Kultur Mesopotamiens zerstört? Russland benimmt sich ähnlich, doch davon spricht niemand."
Russlands wachsender Einfluss in Georgien beunruhigt die Künstler
Viele georgische Künstler sind angesichts des wachsenden Einflusses Russlands in Georgien beunruhigt. Und die neue Regierung wird von vielen als eine pro-russische wahrgenommen. Eine scharfe Kritik löste in den Regierungskreisen etwa der Einsatz des früheren Präsidenten Michail Saakaschwili als Berater des ukrainischen Präsidenten Poroschenko aus. Für die Kunstkuratorin und Galeristin Irena Popiaschwili ist ein solcher Einsatz aber nur logisch:
"Die Erfahrungen der früheren georgischen Regierung, die sie damals mit Russland gemacht hatte, sind heute für die Ukrainer extrem hilfreich. Saakaschwili hat Putin immer die Stirn geboten, und er hatte versucht, Putins wahres Gesicht der ganzen Welt zu zeigen, als niemand es noch sehen konnte."
Ein äußerst besorgniserregendes Zeichen sei, sagt Popiaschwili, der wachsende Einfluss der russischen Medien, die unter der früheren Regierung von Michail Saakaschwili in Georgien nicht ausstrahlen durften.
"Die russische Propaganda funktioniert einwandfrei, weil der Großteil der georgischen Öffentlichkeit immer noch am stärksten durch das Fernsehen beeinflusst wird. Die russische Propaganda tut unserem Land nicht gut. Natürlich soll es Pressefreiheit geben, doch wenn es um eine offene Propaganda geht, muss sie von der Regierung kontrolliert werden."
Die Kuratorin Irena Popiaschwili unterrichtet visuelle Kunst an der Freien Universität Tiflis. Als Gegengewicht zur russischen Propaganda haben ihre Studenten eine Video-Botschaft für die Ukrainer gedreht. Darin gedenken sie der Opfer des Sowjetregimes, etwa in der Hungersnot der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts. In ihrer Botschaft danken die jungen Georgier ihren ukrainischen Freunden für ihre Unterstützung im August 2008, als Georgien sich gegen die russische Aggression behaupten musste.