Der Lkw-Konvoi bewegte sich in Richtung der Krisenregion Lugansk. "Wir ertragen die offenen Lügen und die Weigerung, eine Einigung zu erzielen, nicht länger - Russland hat beschlossen, zu handeln", erklärte das Außenministerium in Moskau am Freitag. "Unser humanitärer Hilfskonvoi startet in Richtung Lugansk", hieß es weiter. Zur selben Zeit wurde das Passieren der Grenze durch den ersten Lkw gemeldet.
Das Internationale Rote Kreuz beklagte fehlende Sicherheitsgarantien für seine Mitarbeiter. Russland hatte ursprünglich eingewilligt, die Leitung des Konvois dem Internationalen Roten Kreuz zu übergeben. Das IKRK wollte den Konvoi aber nicht ohne Sicherheitsgarantien der Ukraine begleiten und tat dies laut einer eigenen Meldung per Twitter auch nicht:
The #Russian #AidConvoy is moving into #Ukraine, but we are not escorting it due to the volatile security situation.— ICRC (@ICRC) 22. August 2014
Valentin Naliwajtschenko, der den ukrainischen Sicherheitsdienst leitet, nannte die Grenzüberschreitung eine "direkte Invasion Russlands in der Ukraine". Er versicherte allerdings, die ukrainische Armee werde die Lastwagen nicht angreifen. Die Ukraine forderten die westlichen Partnerländer auf, das Vorgehen Moskaus zu verurteilen. Russland habe das Völkerrecht verletzt, erklärte das Außenministerium in Kiew. Nach Angaben des russischen Zolls befinden sich inzwischen alle 280 Lastwagen auf ukrainischem Staatsgebiet. Die Agentur Interfax meldet unter Berufung auf die prorussischen Separatisten, die ersten LKW hätten bereits die Stadt Lugansk erreicht.
Konvoi seit 12. August in Wartestellung
Der Konvoi soll nach russischen Angaben Hilfsgüter für die Menschen in den umkämpften Gebieten der Ost-Ukraine bringen. Die Regierung in Kiew hatte befürchtet, dass damit auch Waffen für die pro-russischen Kämpfer ins Land geschmuggelt werden sollen. Die Kolonne mit rund 2000 Tonnen Lebensmitteln war am 12. August in Moskau losgefahren und hatte danach tagelang an der Grenze gestanden.
Regierungstruppen und prorussische Separatisten lieferten sich erneut heftige Gefechte mit zahlreichen Toten. Bei Kämpfen nahe der Stadt Snischne im Osten der Ukraine sind nach Angaben des Militärs rund 100 prorussische Rebellen getötet worden. Zudem seien elf Raketenabwehrsysteme, drei Panzer und fünf Schützenpanzerwagen zerstört worden, teilte das ukrainische Militär am Freitag mit. Allerdings konnten diese Informationen nicht unabhängig bestätigt werden. Die Angaben der Ukraine zu ihren Erfolgen waren in der Vergangenheit häufig übertrieben.
Schon mehr als 2000 Menschen getötet
Die Rebellen teilten am Freitag mit, sie hätten zwei Siedlungen westlich von Snischne besetzt und 13 Soldaten festgenommen, darunter drei Offiziere. Die prorussischen Aufständischen in Donezk berichteten von starkem Artilleriebeschuss durch das Militär. Die Separatisten schossen zudem nach eigener Darstellung erneut drei ukrainische Militärmaschinen ab. Sie nehmen seit Wochen Flugzeuge der ukrainischen Luftwaffe ins Visier. Am Mittwoch wurde von den Separatisten nach ukrainischen Angaben zudem ein Helikopter abgeschossen, beide Piloten seien getötet worden.
Der Sicherheitsrat in Kiew meldete zudem, Soldaten hätten in der Nähe der ukrainischen Stadt Lugansk zwei russische Schützenpanzer erobert, in denen sie auch russische Dokumente befunden haben sollen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau wies dies nach einem Bericht der Agentur Itar-Tass zurück. In dem seit mehr als vier Monaten andauernden Konflikt wurden nach Angaben der Vereinten Nationen schon mehr als 2000 Menschen getötet.
Hoffnung auf Dialog
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko will bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im weißrussischen Minsk am kommenden Dienstag einen Rückzug der prorussischen Separatisten aus dem Osten des Landes fordern. "Ich bin überzeugt, dass es uns gelingen wird. Die Ukraine will Frieden", sagte Poroschenko. An den Gesprächen sollen auch Vertreter der Europäischen Union sowie den Staaten Kasachstan und Weißrussland teilnehmen. Mit diesen beiden Ländern bildet Russland eine Zollunion.
Merkel reist Samstag nach Kiew
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Samstag in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko über mögliche Unterstützung sprechen. Militärische Hilfe schließt die Bundesregierung jedoch aus. Diese hatte der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin im Deutschlandfunk gefordert.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprachen nach Angaben aus Moskau in einem Telefonat über eine mögliche Waffenruhe.
(nch/pg/tk)