Erst mal die Karabinerhaken checken. Roland und Achim wollen hoch hinaus. 13 Meter geht es senkrecht die Wand hoch. Kletterhallenbetreiber Klaus Fasbender erklärt den Schwierigkeitsgrad:
"Die klettern gerade privat hier zusammen. Sind gerade in einer VI- drin. Die haben wir aus Tennisbällen gestaltet, die Route. Fühlt sich sanft und weich an, ist aber schwer zu beklettern."
Einer klettert, der andere sichert. Anders geht es in einer Kletterhalle nicht. Nur auf göttlichen Beistand zu hoffen, reicht nicht einmal in Deutschlands erster Kletterkirche, die Klaus Fasbender und Simone Laube seit sieben Jahren im Mönchengladbacher Stadtteil Waldhausen betreiben. Die Gemeinde konnte die Kirche St. Peter nicht mehr unterhalten und hat sie deshalb an die beiden für 25 Jahre vermietet. Seither ist der Altarraum mit großen Kletterwänden verkleidet. Wo früher die Sitzbänke standen, ist heute ein Kaffee- und Essbereich mit kleiner Küche, daneben trennen neue Wände einen Übungsraum ab, wo Gymnastikkurse stattfinden. Die Einrichtung ist teilweise aus den alten Kirchenbänken gezimmert. Klaus Fasbender:
"Letztendlich sind viele übergeblieben, die wir dann hier benutzen durften, um unseren Gastro-Bereich zu bauen. Man sieht, die ganzen Holzoberflächen sind dann aus den Bänken gestaltet worden. Das war ok für die Kirchengemeinde und uns gefällt es natürlich auch."
Dort, wo einst die Orgel stand, ist heute ein sogenannter Boulder-Bereich. Hier wird ohne Seil geklettert, große Matten lassen die Kletterer weich fallen. Im Garten ist eine Slackline gespannt, auf der im Sommer balanciert werden kann. Die Umkleidekabinen sind in der ehemaligen Sakristei untergebracht. Bislang läuft der Betrieb, sagt Klaus Fasbender:
"Wir können immer noch weiterbauen, wir können renovieren, wir aktualisieren unsere Kletterwände. Haben natürlich einen großen Kredit zu bedienen. Wir haben jetzt letztendlich noch zwei Jahre zu machen und dann kann man vielleicht ein bisschen durchatmen und sagen, wir sind jetzt nicht mehr so ganz gebunden."
Denkmalpflege bestimmt mit
So wie in Mönchengladbach geht es mittlerweile vielen Kirchengemeinden in Deutschland. Weil immer weniger Menschen den Gottesdienst besuchen und die Zahl der Gemeindemitglieder schrumpft, können evangelische und katholische Kirche nicht mehr alle Gotteshäuser halten. Martin Struck, Erzdiözesanbaumeister des Erzbistums Köln:
"Der Erhalt von einer Kirche ist nicht unser Kerngeschäft. Unser Kerngeschäft ist der Mensch, mit den Menschen Liturgie zu feiern oder eben soziales Engagement anzugehen. Der Erhalt von Kirchen, wo keiner mehr hingeht, ist demgegenüber natürlich schwierig. Insoweit werden sicherlich, denke ich, bis zu 30 Prozent des Gesamtkirchenbestandes hinterfragt werden in Zukunft."
Doch das ist längst nicht nur ein Problem für die Kirchen. Denn viele Gebäude sind architekturhistorisch wertvoll. Und deshalb will die Denkmalpflege auch bei der Nachnutzung mitreden. Inzwischen gibt es Kirchen, die zu Konzertsälen, Bibliotheken oder Wohnungen umgebaut wurden. Vieles ist möglich, betont Andrea Pufke, Landeskonservatorin im Rheinland:
"Es ist für uns natürlich eine Herausforderung und es ist natürlich auch eine hohe Verantwortung, mit diesen religiösen Empfindungen umzugehen. Aber rein denkmalpflegerisch, denkmalrechtlich gesprochen, kann das leider kein Kriterium sein. Wohl aber liturgiehistorische Gründe."
"Selbstverständlich sind auch viele nicht damit einverstanden"
So hatte auch in der Kletterkirche die Denkmalpflege von Anfang an ein Wort mitzureden. St. Peter wurde in den Jahren 1932/33 erbaut und ist seit 1987 denkmalgeschützt. Mit seiner verklinkerten Fassade und den Flachdächern fällt das Kirchengebäude schon von weitem auf. Das Konzept Kletterhalle hat es möglich gemacht, die Kirche zu erhalten. Regelmäßig wird der Denkmalschutz befragt, sagt Klaus Fasbender:
"Bei jeder größeren Umbaumaßnahme werden die natürlich dann wieder mit ins Boot geholt. Und da wird dann halt abgefragt, wie weit die damit einverstanden sind usw. Man kann nicht tausend Bohrungen an einer 10-Quadratmeter-Wand machen. Also, es gibt schon gute Vorgaben, die aber letztendlich auch das Kirchengebäude erhalten, auch optisch und ideell, denke ich. Also man muss sich nur absprechen, dann klappt immer alles."
Trotzdem waren viele Gemeindemitglieder anfangs nicht so begeistert von den neuen Mietern, sagt Bernd Peters, Mitglied im Kirchenvorstand.
"Selbstverständlich sind auch viele nicht damit einverstanden, dass hier eine Kletterkirche draus geworden ist. Eine Grabeskirche wäre denen sicherlich lieber gewesen, zumal man dann hier auch noch hier hätte weiterhin Gottesdienst machen können."
Attraktion im Reiseführer
Aber bessere Angebote als die Kletterkirche gab es nicht. Heute kommen Vermieter und Mieter gut miteinander zurecht, wie beide Parteien betonen.
Auch touristisch ist die Kletterkirche erschlossen. In Reiseführern wird sie als eine Attraktion von Mönchengladbach beworben. Im Vorraum erinnert eine Fotoausstellung an die Geschichte der Kirche und ihrer Gemeinde. Und sogar der Taufstein steht noch da, wo er hingehört. In anderen Nutzungskonzepten hätte er einem Aufzug weichen sollen.