Ziel der Reise sei, sich ein Bild von der Krim zu machen, erklärt Roger Beckamp, AfD-Abgeordneter des Landtags Nordrhein-Westfalen. Bemerkenswert sei "das Unverständnis der Menschen auf der Krim über die Sanktionen. Also warum sie bestraft werden für ein Referendum, in dem sie sich für Russland ausgesprochen haben."
Russische Zeitungen und Fernsehsender berichten ausführlich, erwähnen, die Deutschen hätten zerstörte Straßen auf der Krim erwartet und seien nun überrascht über manch neu gebaute Trasse. Längst nicht jeder Bericht schlüsselt auf, dass die acht Parlamentarier aus Landesparlamenten kommen. Sie werden stattdessen meist schlicht als Abgeordnete aus Deutschland präsentiert. Föderale Feinheiten, die unter den Tisch fallen. In Statements fordern die Politiker ein Ende der Sanktionen gegen Russland, so im Gespräch mit diesem Sender auch Harald Laatsch, Parlamentarier aus Berlin. "Das ist ja auch allgemeine AfD-Position. Die AfD steht ganz klar gegen die Sanktionen."
Abgeordneten als Privatpersonen unterwegs
Die Reise der Abgeordneten auf die Krim wird nicht in allen Landesverbänden gutgeheißen. Unterstützend äußern sich die Fraktionen in Baden-Württemberg und NRW, die Berliner Fraktionsspitze dagegen macht deutlich, was sie vom Besuch der Krim hält: nämlich nichts. Sie will sich aber nicht näher zitieren lassen und legt Wert auf die Feststellung, die Abgeordneten seien als Privatpersonen unterwegs; auch dies ist in russischen Medien ebenfalls kaum der Rede wert.
Roger Beckamp, Abgeordneter aus Köln, unterstreicht, jeder Teilnehmer trage die Kosten seiner Reise selbst: Flug, Unterkunft, Transport. "Das ist auch wichtig, ehrlich gesagt, damit wir gar nicht erst, sozusagen, den Vorwurf bekommen, wir würden irgendwelche Sachen sagen, weil wir eingeladen wurden." Die Einladung sei von der Organisation der Krimdeutschen ausgesprochen worden. Deren Vorsitzender Jurij Gempel sagte auf die Frage, wer die Kosten der Abgeordnetenreise trage:
"Wir als Nichtregierungsorganisation haben sie empfangen und einen Teil der Kosten übernommen. Alles andere bezahlen sie hier selbst. Und ich sage nochmals: Die Frage, wer was bezahlt, ist unangemessen. Lassen Sie uns sie nicht weiter vertiefen. Für Deutsche mag sie angemessen sein, für uns ist sie unangemessen."
Gäste werden medienwirksam präsentiert
Jurij Gempel leitet seit dem Jahr 2014, dem Jahr der Annexion der Krim durch Russland, das Programm "Volksdiplomatie", nach seinen Angaben zeitweise finanziert durch staatliche Zuwendungen. Weil offizielle Staatsbesuche seit fast vier Jahren auf Krim nicht mehr stattfinden, bieten Einladungen und Reisen auf der Halbinsel im Rahmen der "Volksdiplomatie" einen Ausweg: Das Reiseprogramm der Gastgeber führt zu touristischen Sehenswürdigkeiten, neu gebauter Infrastruktur. Russland investiert Milliarden Rubel in die Krim. Die Gäste werden meist medienwirksam präsentiert. Deren Gesprächspartner indes sind handverlesen. Begegnungen mit Krimtataren oder Ukrainern, die sich gegen die Annexion wehren und deshalb juristisch belangt werden, finden in der Regel nicht statt.
Gegen die Reise hat die Ukraine scharf protestiert. Die Parlamentarier waren von Deutschland nach Moskau und von dort weiter auf die Krim geflogen, der Rückweg morgen ist analog geplant. Die Krim gehört völkerrechtlich zur Ukraine, weshalb Kiew einen solchen Reiseweg als illegale Einreise betrachtet; Bundesregierung und Auswärtiges Amt teilen diese Haltung. Der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, hatte vorgestern mit AfD-Vertretern in Düsseldorf gesprochen. Auf Twitter schrieb er danach auf Ukrainisch von einer "unangenehmen, aber nützlichen Mission", das Denken der AfD-Führung in NRW gerade zu rücken. Offenkundig, so Melnyk, habe seine "kalte Dusche" gewirkt. Der Abgeordnete Roger Beckamp aus Köln hat auf Twitter angekündigt, im Frühling wieder auf die Krim zu reisen, will aber auch der Einladung in die Ukraine folgen. Einer Reise nach Kiew dürften aber Ermittlungen entgegenstehen, die die ukrainische Staatsanwaltschaft inzwischen gegen die Abgeordneten begonnen hat.