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Umweltbundesamt
Kampf gegen Obsoleszenz

Wie lang sollen Elektrogeräte halten - und dürfen Hersteller eigentlich die Lebensdauer von Produkten planen? Oder fängt da schon der Betrug am Kunden an? Und wie lässt sich die Verschwendung von Rohstoffen durch Obsoleszenz eingrenzen, also durch das vorzeitige Ende der Lebens- und Nutzungsdauer von Produkten? Mit solchen Fragen hat sich jetzt eine Fachtagung vom Umweltbundesamt beschäftigt.

Von Daniela Siebert |
    Waschmaschinen in einem Waschsalon in Paris
    Bei einer Waschmaschine muss man schon mehr als 500 Euro ausgeben, wenn diese wirklich zwölf Jahre halten soll, meinen Experten. (AFP/Loic Venance)
    "Der aktuelle Murks-Virus ist die LED-Lampe! Das Leuchtmittel. Immer mehr Hersteller kommen auf die Idee, dieses LED-Leuchtmittel fest einzubauen, und die Lebensdaueraussage beim Leuchtmittel gilt nur für die LED, nicht für das ganze Leuchtmittel, und dann gibt es da drin Schwachstellen, die gehen früher kaputt als das Leuchtmittel selber - ja und dann können Sie es nicht mehr austauschen."
    Stefan Schridde ärgert sich leidenschaftlich über solche Phänomene und macht mit seinem Verein "Murks? Nein danke!" regelmäßig auf solche Fälle aufmerksam. Die Hersteller machen das mit Absicht, ist er überzeugt.
    Obsoleszenz auch im digitalen Bereich
    Auch Hubertus Primus, Vorstand der Stiftung Warentest, beobachtet immer neue Beispiele von Obsoleszenz, zunehmend auch im digitalen Bereich:
    "Ein großes Problem ist, dass Geräte, die eigentlich technisch noch völlig in Ordnung sind, durch Update von Software gar nicht mehr genutzt werden können. Wenn sie also einen Drucker haben und ihr neuer PC bedient den gar nicht mehr, ihr Druckertreiber funktioniert nicht mehr, das sind große Probleme: gar nicht ein eingebauter Fehler, sondern einfach eine Obsoleszenz, dadurch dass Software veraltet und nicht bereitgestellt wird."
    Auch bei Smartphones und Apps spiele das oft eine Rolle.
    Zu häufigen Schwachstellen, die die Nutzungsdauer von Produkten vorzeitig abwürgen, gehören unter anderem auch Akkus, Lötstellen, Elektrolytkondensatoren und Netzteilkarten. Ein weiteres Riesenproblem für die langfristige Produktnutzung sind Reparaturen. Oft sind die vom Hersteller offenkundig nicht gewünscht. Etwa wenn Gerätehüllen komplett verschweißt oder verklebt sind und sich nicht zur Reparatur öffnen lassen, oder wenn Ersatzteile schon nach kurzer Zeit nicht mehr zu bekommen sind - all das sind Faktoren, die zur Obsoleszenz beitragen.
    Reparaturen unerwünscht
    Doch die Verbraucher sollten auch die Chance haben, all das bei ihrer Kaufentscheidung einzukalkulieren. Experten beim Umweltbundesamt fordern daher eine bessere Verbraucherinformation auf den Verpackungen oder den Energielabeln. Ines Oehme:
    "Solange Lebensdauer messbar ist in vernünftigem Maße: Das oder eben gibt es Ersatzteile? Für wie lange wird es die Ersatzteile geben? Und ist es auch für freie Werkstätten verfügbar? Die Idee, die heute vorgestellt wurde, ist ja die Überlegung, eine Garantieaussagepflicht, dass jeder eine Aussage dazu machen muss, welche Garantie gebe ich dir als Verbraucher, sodass man auch bewusster wahrnimmt: Hier bekomme ich eine hohe Garantie oder hier bekomme ich keine, um mehr Transparenz in den Markt zu bekommen."
    In Frankreich gebe es so etwas bereits, betont Ingmar Streese vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Er findet diesen Ansatz richtig:
    "Aus unserer Sicht sollte der Gesetzgeber da ran, Frankreich ist ja auch mit gutem Beispiel vorangegangen: schreiben eine Lebensdauer vor, schreiben Ersatzteil vorhalten und Reparaturanleitung vorhalten vor, verlängern Garantiefristen, da könnte sich Deutschland orientieren."
    Frankreich mit gutem Beispiel voran
    Man müsse aber auch bei der Gewährleistung für die Produkte nachbessern.
    "Da ist eben das Kernproblem, diese Beweislastumkehr, dass ich als Kunde irgendwann beweisen muss, dass das Gerät fehlerhaft war, das ist schlichtweg oft einfach unmöglich für Kunden."
    Das ist ganz im Sinne von Stefan Schridde: Eine Beweislastumkehr nach sechs Monaten sei viel zu früh, findet auch er und würde diese Schwelle erst bei zwei Jahren ansetzen und die Gesamtdauer der Gewährleistung auf fünf Jahre hochschrauben.
    Die Fachleute im Umweltbundesamt weisen noch auf andere politische Optionen hin: Der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf Reparaturen könnte gesenkt werden. Andere EU-Staaten hätten das bereits getan. Und man könnte die Verbandsklagebefugnisse auf Umweltschutzverbände ausdehnen, sodass auch diese Druck auf die Hersteller ausüben könnten, die Produkte langlebiger zu machen.
    EU bereits sensibilisiert
    Auch die Verbraucher können im Übrigen etwas tun, um die Verschwendung zu bekämpfen. Hubertus Primus:
    "Bei einer Waschmaschine muss man schon, das haben unsere Tests ergeben, mehr als 500 Euro ausgeben, wenn die dann wirklich diese zwölf Jahre halten soll und nicht vorher in die Knie gehen.
    Auch auf EU-Ebene ist man zunehmend für das Thema sensibilisiert. Derzeit werden sowohl die Energiekennzeichenrichtlinie als auch das europäische Umweltzeichen überarbeitet. Dabei werde geprüft, ob auch die Reparaturfähigkeit künftig als Kriterium einbezogen werde - so ein Mitarbeiter der EU-Kommission gestern in Berlin.
    Hersteller, die die Programme zu ihren Produkten nicht mehr aktualisieren, sollten diese Open Source stellen, sodass andere das übernehmen könnten, war ein anderer häufiger Vorschlag auf der Fachtagung.