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Umweltsatellit Sentinel 2a
Europas neuer Wächter im All

Wie schlimm ist eine Waldregion von Schädlingen befallen? Wann können die Getreidefelder in bestimmten Gebieten abgeerntet werden? Wie verändert der Klimawandel die Vegetation? Darüber sollen die Bilder des Satelliten Sentinel 2a Aufschluss geben, der jetzt ins All gestartet ist.

Von Thomas Wagner |
    Da war er noch am Boden: Satellit Sentinel 2a in seiner Montagehalle in Bayern.
    Da war er noch am Boden: Satellit Sentinel 2a in seiner Montagehalle in Bayern. (dpa/picture alliance/Peter Kneffel)
    Er ist drei Meter hoch und wiegt 1.100 Kilogramm - ein richtiger Klotz im All.
    "Das ist ein relativ kompakter, quaderförmiger Satellit. Und die Verpackung sieht ziemlich goldig aus. Wir wollen, dass in der Weltraumumgebung der Satellit nicht zu heiß und nicht zu kalt wird."
    So beschreibt Heinz Sontag, Projektleiter beim Raumfahrtkonzern "Airbus Defense and Space" in Friedrichshafen den neuen europäischen Erdbeobachtungssatelliten "Sentinel 2 a". Das wichtigste Instrument, das er auf seiner knapp 800 Kilometer hohen Umlaufbahn mit sich trägt, ist ein sogenannter Multispektralbildgeber.
    "Es ist eine große Kamera. Man kann sagen: Eine Weitwinkel-Kamera. Dadurch messen Sie einen sehr breiten Streifen von 290 Kilometern am Boden mit einer Auflösung bis zu zehn Metern. Wir haben 13 Farbkanäle."
    Der lichtempfindliche Sensorchip der Kamera besteht aus einer Milliarde Pixeln. Die vorgeschaltete Optik ist ein Spiegelteleskop, gefertigt aus Siliziumkarbid. Dieses Material verformt sich selbst bei großen Temperaturunterschieden nur minimal und stellt von daher ein Höchstmaß an mechanischer Präzision sicher. Zudem macht der "High-Tech-Fotoapparat" aus dem All Bilder in einem breiten Frequenzbereich, vom sichtbaren Teil des Lichtspektrums bis hin zum kurzwelligen Infrarot. Diese Vielzahl an Farbschattierungen verspricht entscheidende Vorteile.
    "Sie wissen, unsere Umgebung ist schön bunt. Und in dieser Buntheit verbirgt sich viel Information. Das ist der Zustand der Vegetation, der Wassergehalt der Blätter zum Beispiel, der Zustand der Düngung von Feldern: Sind sie unterdüngt? Sind sie überdüngt? Das sehen sie wunderbar an den Farben. Sie sehen bei Trockenheit, wenn die Blätter und Nadeln braun werden. Das sehen sie natürlich alles an dem Farbspektrum, wenn sie von außerhalb der Erde schauen und zur Erde runterschauen, wo's grünt und blüht."
    Der Satellit soll einen Zwillingsbruder bekommen
    Von diesen optischen Informationen erhoffen sich die Wissenschaftler Antworten auf viele Fragen: Wie schlimm ist eine Waldregion von Schädlingen befallen? Wann können die Getreidefelder in bestimmten Gebieten abgeerntet werden? Wie verändert der Klimawandel die Vegetation? Und das sind noch längst nicht alle Fragen, auf die sich Forscher von dem neuen Wächter im Orbit Antworten erhoffen, erklärt Volker Liebig, Direktor für Erdbeobachtung der Europäischen Weltraumorganisation ESA.
    "Wir haben zum Beispiel dieses rasante Wachstum der Bevölkerung. Wir haben schon in 30 Jahren zwei Milliarden Leute mehr auf dem Planeten. Das heißt: Wir müssen unsere Nahrungsmittelproduktion fast verdoppeln. Dazu brauchen wir Satelliten, die zum Beispiel voraussagen: Wie wird die Weizenernte hier und dort? Oder die Reisernte? Und das können diese Satelliten."
    Sentinel 2a ist Teil des Copernicus-Programms der Europäischen Weltraumagentur ESA. Seine detailreichen Bilder sollen mit den Radaraufnahmen anderer Erdbeobachtungssatelliten kombiniert werden. Allerdings sehen sich die Experten gerade bei der fotografischen Erfassung der Erde, wie sie mit "Sentinel 2a" vorgesehen ist, mit einem gravierenden Problem konfrontiert, so Projektleiter Heinz Sontag:
    "Das Hauptproblem bei der optischen Beobachtung sind Wolken. Und mit Optik durchdringen sie nun mal keine Wolken."
    Um die Chance auf freie Sicht zu erhöhen, bekommt "Sentinel 2a" einen "Zwillingsbruder": Der baugleiche "Sentinel 2b" soll ab Anfang kommenden Jahres die Erde umrunden, auf genau derselben Bahn, aber um 180 Grad versetzt. Gemeinsam, so hoffen die Wissenschaftler, müsste das Duo in der Lage sein, jeden Punkt der Erde alle fünf Tage einmal zu fotografieren.