Archiv


UN-Klimakonferenz in Neu Delhi

Spengler: Seit Mittwoch letzter Woche diskutieren in der indischen Hauptstadt Neu Delhi rund 4500 Delegierte aus etwa 180 Staaten über die Klimapolitik der Zukunft. Es sollen neue, ehrgeizigere Klimaschutzziele entwickelt werden. Deutschland wird auf dem UN-Gipfel unter anderem von Nordrhein-Westfalens grüner Umwelt- und Naturschutzministerin Bärbel Höhn vertreten. Sie habe ich zu Beginn unserer Sendung gefragt, ob denn die Konferenz in Neu Delhi Anlass zur Hoffnung gibt, dass das Kyoto-Klimaprotokoll, das eigentlich in diesem Herbst in Kraft treten sollte, nun doch bald wirksam wird.

01.11.2002
    Höhn: Es ist ja so, dass das Kyoto-Protokoll erst dann in Kraft tritt, wenn es auch von den Staaten, die für 55 Prozent des Emissionsausstoßes zuständig sind, unterzeichnet wird. Weil die USA es ja nicht unterzeichnen wollen, braucht man unbedingt noch Russland, damit das Kyoto-Protokoll in Kraft treten kann, weil Russland mit über 17 Prozent doch einen erheblichen Anteil, zumindest 1990, noch hatte. Von daher ist es ganz entscheidend: Wann wird Russland diesen Prozess beendet haben. Die Regierung hat mehrfach erklärt, dass sie den Prozess vorlegen wird, aber die Duma muss darüber noch entscheiden, und das kann sich etwas hinziehen. Wir hoffen sehr und drängen auch darauf – das haben auch alle hier gemacht -, dass im Frühjahr des nächsten Jahres dann endlich das Kyoto-Protokoll steht und auch vollzogen werden kann.

    Spengler: Wir müssen ja alle beklagen, dass die USA nach wie vor nicht mitmachen, oder hat sich da jetzt auf der Konferenz in Neu Delhi eine anderer Politik angedeutet?

    Höhn: Leider ist es so, dass die USA nicht mitmachen und das auch weiter sehr kräftig bestätigen. Man muss auch letzten Endes sagen, dass die Position des Präsidenten Bush von diesem Punkt eigentlich schon immer sehr klar war. Man kann ihm auch nicht vorwerfen, dass er sich in irgendeiner Weise erst nach seiner Wahl davon abgewendet hat. Er hat auch im Wahlkampf klar die Interessen der Industrie vertreten, und das macht er jetzt in seiner Regierungszeit auch. Das bedeutet auch, dass die Amerikaner zum einen natürlich versuchen wollen, das Kyoto-Protokoll stärker zu konterkarieren und auch durchaus Anstalten unternehmen, es eben auch zu verzögern. Deshalb gibt es da sicher auch bilaterale Gespräche zwischen den USA und Russland, denn den Amerikanern ist es ja recht, wenn Russland die Ratifizierung möglichst noch herauszögert.

    Spengler: Was schätzen Sie denn, wie sich Russland verhalten wird? Wird es dann demnächst doch unterschreiben?

    Höhn: Russland wird wahrscheinlich auf jeden Fall unterschreiben, weil dadurch, dass es seine Emissionen, auch durch den Zusammenbruch der Wirtschaft, erheblich gesenkt hat, eben auch profitieren würde. Sie wären auch Gewinner des Emissionshandels, weil sie gegenüber 1990 eben sehr stark CO2 minimiert haben. Deshalb wird Russland das tun. Die entscheidende Frage ist, was Amerika den Russen verspricht. Das ist eben noch ein Stück verzögernd. Also, insofern glaube ich, überlegt Russland momentan auch, wie sie über eine Verzögerung noch ein bisschen eigenen Gewinn heraus ziehen können. Das ist eine Sache, unter der der gesamte Prozess momentan leidet.

    Spengler: Kyoto regelt die Zeit bis 2012, also Rückgang der Emissionen um durchschnittlich 5 Prozent im Vergleich zu 1990. Nun hat Ihr Parteifreund, Bundesumweltminister Jürgen Trittin angeboten, mit gutem Beispiel für die Zeit nach 2012 voranzugehen und zum Beispiel, was die Bundesrepublik angeht, die Emissionen von momentan 19 Prozent auf 40 Prozent zurückzuführen, also den Rückgang sozusagen zu steigern. Folgt diesem guten Beispiel denn irgendjemand? Hat man da Andeutungen gehört?

    Höhn: Also, wir haben ja diese Forderung auch in der Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene stehen. Und zwar haben wir gesagt: Deutschland wird seine CO2 und auch die Summe aller anderen klimaschädlichen Gase um 40 Prozent bis zum Jahre 2020 senken, wenn die anderen, auch speziell die EU mit 30 Prozent folgen. Also, wir haben das schon auch an das gekoppelt, was die anderen tun. Nicht nur alleine vorangehen, sondern das auch mit den anderen verbinden. Insofern glaube ich, dass Deutschland hier eindeutig eine Vorreiterposition hat. Es gibt aber auch Großbritannien, die auch Erhebliches in der CO2-Minderung erreicht haben. Die beiden sind auch Vorreiter von den großen in der EU. Bei anderen Ländern ist das sehr viel schwieriger. Es gibt momentan die Diskussion, dass Entwicklungsländer sagen: Passt mal auf, ihr Industrieländer, ihr habt eure Verpflichtungen nicht erfüllt. Ihr seid wesentlich hinter den Kyoto-Anforderungen zurückgeblieben. Wir sehen, dass ihr es bis 2012, so wie Kyoto es sagt, ja gar nicht mehr schaffen könnt, und wenn ihr das gar nicht macht und euch selber an die Verpflichtung nicht haltet, dann wollen wir als Entwicklungsländer auch keine Verpflichtung für die Zukunft eingehen, denn es kann nicht sein, dass wir, die wir uns noch entwickeln wollen, hier Verpflichtungen eingehen, wenn die Industrieländer, die für 80 Prozent der klimaschädlichen Emissionen zuständig sind, eben ihre Reduktion nicht machen. Das ist momentan die Diskussion um die zukünftigen Ziele, die auch sehr klar und eindeutig von den Entwicklungsländern geführt wird.

    Spengler: Warum sollten denn überhaupt die Entwicklungsländer in diese Klimaschutzpflicht? Die haben doch wirklich relativ wenig Schadstoffausstoß und müssten sehen, dass sie doch erst einmal eine Produktion aufbauen. Ketzerisch gesprochen könnte man sagen: Die müssen doch überhaupt erst einmal sehen, dass sie etwas haben, womit sie die Luft verschmutzen können.

    Höhn: Ja, da haben Sie recht. Nun ist es natürlich so, dass das Kyoto-Protokoll auch bestimmten Ländern ein Plus zubilligt. Also insofern ist daran natürlich auch schon gedacht, dass Entwicklungsländer auch zusätzlich klimaschädliche Gase ausstoßen können. Nur, das ist den Entwicklungsländern nicht ausreichend. Ich glaube, der entscheidende Punkt ist eher, dass wir auch ganz unterschiedliche Entwicklungsländer haben, oder die sogenannten G77-Länder, die sind sehr, sehr unterschiedlich. Da gibt es schon welche, die, auch was klimaschädliche Gase angeht, eine ganz schön dramatische Entwicklung machen.

    Spengler: Heißt das, dass man von Ländern wie Mexiko oder Brasilien, die weiter sind, mehr verlangen können muss?

    Höhn: Also, ich glaube, wir müssen einfach dahin kommen, dass wir sagen: Das, was pro Person an CO2 ausgestoßen wird, das müssen wir angleichen. Also nicht so sehr: Wir sind auf einem bestimmten Standard und von diesem Standard müssen die einen ein bisschen was abgeben und die anderen dürfen noch etwas drauflegen. Das würde ja immer zu einer Ungleichheit führen. Letzten Endes muss es schon Ziel sein, dass pro Person auch den Entwicklungsländern zugebilligt wird, sozusagen einen Verbrauch langfristig so haben zu können wie die Industrienationen. Wenn man das zubilligt, dann heißt es auf der einen Seite: Entwicklungsländer dürfen in Zukunft mehr an klimaschädlichen Gasen ausstoßen, aber Industrieländer müssen das massiv reduzieren. Wenn alle so viel ausstoßen würden, wie die Industrieländer, brauchten wir nicht eine Erde, sondern vier. Das macht ungefähr das Problem deutlich, wie stark die Reduktionen kommen müssen.

    Spengler: Letzte Frage, Frau Höhn: Wird denn in der Abschlussdeklaration, die heute in Neu Delhi erarbeitet werden wird, irgendwas von dieser Perspektive, die sie eben beschrieben haben, drin stehen?

    Höhn: Das ist alles noch sehr ungewiss. Der heutige Tag wird, glaube ich, ein sehr, sehr langer Tag werden. Es wird bis tief in die Nacht verhandelt werden. Momentan ist es so, dass über dieser Deklaration gebrütet wird, dass es auch noch nicht ganz sicher ist, ob es eine Deklaration geben wird, und deshalb ist heute, glaube ich, sehr viel Diplomatie angesagt. Ich würde dafür plädieren, dass wir auf jeden Fall versuchen sollten, eine Deklaration zu machen, gerade auch deshalb, weil wir in einem der Entwicklungsländer sind. An einem Standort wie Neu Delhi zu sagen, eine Konferenz ist gescheitert, das wäre, glaube ich, ein schlechtes Zeichen.

    Spengler: So weit Bärbel Höhn, die Umweltministerin von Nordrhein Westfalen.