Ungarische Privat-Radios und Fernsehstationen protestieren mit einer Sendepause gegen die Pläne der Regierung Orbán, eine Werbesteuer von bis zu 40 Prozent einzuführen. Am Morgen danach drucken auch einige Zeitungen ihren Protest auf ansonsten leeren Titelseiten ab. Auch Online-Medien ziehen mit, insgesamt äußern 60 Medien ihren Unmut über die Regierungsabsichten. László Simon, Abgeordneter der Regierungspartei Fidesz, hat den entsprechenden Gesetz-Entwurf eingebracht. Er versteht die Aufregung nicht.
"Der Staat hat das Recht, einen Markt zu regulieren, und das Wirtschaften von Privatmedien. Man sollte lieber darüber nachdenken, wieso man Medien aufrecht erhält, die über Jahre keinen Gewinn abwerfen. Da ist nicht der Staat das Problem, sondern das Geschäft."
Alle Medien wären von der Steuer betroffen
Doch betroffen von der Steuer wären alle: regierungsnahe Medien wie Hir TV oder das Internet-Angebot der Tageszeit Magyar Nemzet wie regierungskritische, etwa der Fernsehsender ATV. Und die regierungsnahen wie Class FM oder Lánchíd Rádió laufen gut. Der Vorsitzende des Verbandes der ungarischen Werbewirtschaft, Zsolt Urbán hält die Steuer deshalb für ein kurzsichtiges Projekt mit zweifelhaftem Nutzen.
"Diese Steuer wird nicht gut gehen. Kurzfristig nimmt der Staat 23 Millionen Euro ein. Aber langfristig wird er mehr als 100 Millionen verlieren."
Die Zeitung "Magyar Nemzet", eigentlich ein serviles Sprachrohr der Regierung, äußerte in einem Leitartikel den Verdacht: "Jetzt wollen sie der Pressefreiheit endgültig an die Gurgel". Werbesteuer bedeute Gleichschaltung, meint der linke Oppositionspolitiker Gergely Karácsony.
"In Sachen Pressefreiheit hat dies eine einen Riesen-Effekt. Mit dieser Steuer werden die Wähler in jedem TV-Kanal vielleicht nur noch den Kopf Viktor Orbáns sehen."
Noch sei ja gar nichts entschieden, heißt es aus Regierungskreisen. Und schließlich wolle man mit den Einnahmen aus der Werbesteuer ja nur Gutes tun, so der Chef des Ministerpräsidenten-Büros, János Lázár.
"Wenn das Parlament die Werbesteuer verabschiedet in den nächsten Wochen, wird die Regierung die Einnahmen daraus nicht für den Schuldenabbau verwenden, sondern für Kinder und Schulentwicklung."
Lázár selbst steht derzeit massiv unter Druck. Spesen für ihn und Begleitung auf Auslandsreisen sollen aus der Staatskasse bezahlt worden sein. Die hat er mittlerweile privat beglichen. Allerdings musste der Chefredakteur des Online-Portals origo.hu gehen, das den Fall ans Licht geholt hatte. Gegen die Entlassung protestierte nicht nur die Organisation "Reporter ohne Grenzen", sondern auch ungarische Journalisten. Sie sei auf politischen Druck hin erfolgt, so der Vorwurf.
Demonstration gegen politischen Druck auf Medien
"Freies Land, freie Medien" riefen die Demonstranten in Budapest. Der mächtige János Lázár wies den Vorwurf der Einflussnahme zurück.
"Niemals habe ich politischen Druck auf eine Redaktion ausgeübt."
Unterdessen meldet ein ungarisches Nachrichtenportal unter Berufung auf einen Informanten aus der Regierung. Es habe sehr wohl politischen Druck Lázárs auf die Eigentümer des Nachrichtenportals origo.hu gegeben. Druckmittel sei die Verlängerung der Mobilfunk-Lizenzen in Ungarn gewesen. Das Nachrichten-Portal origo.hu gehört der ungarischen Telekom-Tochter. Die Deutsche Telekom wies politischen Druck auf ihr Tochterunternehmen zurück.