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Unicef-Jahresbericht
250 Millionen Kinder wachsen in Konfliktregionen auf

Das UNO-Kinderhilfswerk Unicef prangert an: Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg litten so viele Kinder unter den Folgen von Konflikten, Krisen und Naturkatastrophen wie heute. Jedes neunte Kind wachse in einer Kriegsregion auf - mit fatalen Folgen für die Zukunft. Außerdem richte sich Gewalt zunehmend gezielt gegen Minderjährige.

    Jemenitische Kinder stehen vor ihrer Unterkunft in einem Slum in Sanaa.
    Jemenitische Kinder stehen vor ihrer Unterkunft in einem Slum in Sanaa. (dpa-Bildfunk / EPA / Yahya Arhab)
    "Wir haben es mit einer neuen Ära humanitärer Krisen zu tun, in der eine 'Generation der Kriegs- und Krisenkinder' aufwächst", sagte der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider. Rund 250 Millionen Jungen und Mädchen lebten in einer Umgebung, in der Gewalt und bewaffnete Konflikte über einen langen Zeitraum ihrer Kindheit zum Alltag gehören. Im vergangenen Jahr seien 16 Millionen Babys in Krisengebieten geboren worden.
    75 Millionen Kinder zwischen drei und 18 Jahren können nicht in den Kindergarten und nicht oder nur unregelmäßig in die Schule gehen. Drastische Folgen hätten Krisen auch für das Sozialleben, kritisierte Unicef: So müssten seit Beginn des Konflikts in Syrien immer mehr Flüchtlingskinder arbeiten, zum Beispiel auf Feldern im Libanon, als Aushilfe in jordanischen Geschäften oder in der Fertigung von Schuhen in der Türkei. In Jordanien sei zudem jedes dritte syrische Flüchtlingsmädchen unter 18 Jahren verheiratet.
    Syrische Mädchen im Flüchtlingslager Al-Zataari in Jordanien.
    Syrische Mädchen in Jordanien - jedes Dritte heiratet sehr jung. (imago/Xinhua)
    Psychische Probleme drohen
    Schneider betonte, im Krieg breche das Grundvertrauen der Kinder zusammen. Unicef schätzt, dass 20 Prozent der Kinder, die vom Konflikt in Nahost betroffen sind, leichte bis moderate psychische Probleme entwickeln könnten. Drei bis vier Prozent von ihnen drohten schwere psychische Probleme, wenn sie keine Hilfe erhielten.
    Im Unicef-Jahresbericht heißt es weiter, es sei besonders erschreckend, dass sich Gewalt zunehmend gezielt gegen Kinder richte. In vielen Konflikten seien Entführung, Vergewaltigung, Folter und Ermordung von Kindern verbreitete Methoden, um Erwachsene zu demoralisieren. Jeden Tag würden zudem im Schnitt vier Schulen oder Krankenhäuser angegriffen.
    So registrierte Unicef im Jahr 2014 in Afghanistan 164 Angriffe auf Schulen, im Irak waren es 67. In Nigeria habe die Terrormiliz Boko Haram seit 2009 mehr als 1.200 Schulen angegriffen und Hunderte Lehrer getötet. Allein in Syrien zählte das Kinderhilfswerk im vergangenen Jahr mehr als 1.500 schwerste Kinderrechtsverletzungen. In 60 Prozent der Fälle seien Kinder durch Bomben in dicht besiedelten Wohngebieten getötet oder verstümmelt worden. Schneider mahnte, es gebe keinerlei moralische Grenzen mehr: Dass zum Beispiel Anschläge auf Schulen international geächtet sind, spiele für die Kriegführenden allem Anschein nach keine Rolle.
    Ein junger Schüler liegt mit einem eingegipsten Arm in einem Krankenhaus.
    Kinder sind immer wieder gezielt Opfer von Anschlägen - wie dieser Junge, der bei dem Angriff radikal-islamischer Taliban-Kämpfer auf eine Schule in Peschawar verletzt wurde. (picture alliance / dpa / Arshad Arbab)
    Unicef ruft zu Spenden auf
    Der Vorsitzende von Unicef Deutschland, Jürgen Heraeus, betonte, für Kinder im Krieg und auf der Flucht sei Heimatlosigkeit ein schweres Schicksal. "Trotzdem ist es möglich, ihnen Erfahrungen zu vermitteln, die alle Kinder brauchen: Ein Stück Sicherheit, Vertrauen, die Möglichkeit zu spielen und zu lernen." Deshalb sei es wichtig, dass Kinder auch in Konfliktregionen zur Schule gehen könnten. Der Jahresreport ist Auftakt der Kampagne "Letzte Chance für eine Kindheit". Damit ruft Unicef Deutschland zu Spenden auf.
    Das Hilfswerk forderte zudem die internationale Gemeinschaft auf zu handeln. Bislang habe sie völlig unzureichend reagiert, sagte die Direktorin der weltweiten Unicef-Nothilfeprogramme, Afshan Khan. Die internationale Gemeinschaft tendiere dazu, humanitäre Krisen und Entwicklungskrisen separat zu behandeln, erklärte sie. Kinder, die unmittelbar von Krisen betroffen seien, unterschieden jedoch nicht zwischen Not- und Entwicklungshilfe. Es gelte, humanitäre und Entwicklungsprogramme besser zu vernetzen und lokale Kapazitäten auszubauen.
    (hba/nin)