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Unterzeichner-Liste "Antwort 2018"
"Menschenrechte enden an keiner Grenze"

Auf die "Erklärung 2018" für mehr Grenzschutz und gegen "Masseneinwanderung" folgte nun eine "Antwort 2018" für Demokratie und Menschenrechte. Sie will eine Gegenstimme sein, sagte die Schriftstellerin Sybil Volks im Dlf. Die Unterzeichner der "Antwort" solidarisieren sich mit den Geflüchteten.

Sybil Volks im Gespräch mit Karin Fischer |
    Ein aktuelles Foto der Schriftstellerin Sybil Volks
    Sybil Volks (Lotte Ostermann)
    Karin Fischer: Was am Beispiel Uwe Tellkamp schon als "Kulturkampf" bezeichnet wurde, ist in diesen Tagen eher ein Kampf der Listen. Auf die "Erklärung 2018", die aus einem rechtskonservativen Gesprächskreis um die ehemalige Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld entstanden ist, gibt es seit Kurzem eine "Antwort 2018". Vor allem SchriftstellerInnen, KünstlerInnen oder GeisteswissenschaftlerInnen gehören hier zu den Erstunterzeichnern, die Erklärung mit dem Titel "Unsere Antwort für Demokratie und Menschenrechte" ist nämlich im Umfeld des Schriftstellerverbandes entstanden. Wie die "Erklärung 2018" besteht sie aus zwei Sätzen, die lauten: "Die Menschenrechte enden an keiner Grenze dieser Welt. Wir solidarisieren uns mit allen Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Armut in unserem Land Zuflucht suchen, und wenden uns gegen jede Ausgrenzung." Mit ausgearbeitet und die Initiative auf den Weg gebracht hat diese Erklärung die Schriftstellerin Sybil Volks, ich habe sie vor der Sendung gefragt, warum und wozu diese Antwort?
    Sybil Volks: Ja, unsere Antwort für Demokratie und Menschenrechte ist tatsächlich eine aktuelle Gegenstimme zur "Erklärung 2018", die ja mit unwahren Behauptungen, Unterstellungen arbeitet, dazu komme ich noch, aber auch einfach in etwas verbrämtem Gewand altbekannte fremdenfeindliche Ressentiments schürt und die sehr viel Aufmerksamkeit bekommen hat, wie Sie auch schon sagten, in den Medien dadurch, dass sie eben nicht von Pegida und Co. auf der Straße stammt, sondern eben von namhaften Autoren und Publizisten wie auch Thilo Sarrazin und Uwe Tellkamp.
    "Pauschale Behauptungen schaden"
    Fischer: Nun haben Sie die inhaltliche Kritik an der Erklärung schon erwähnt, der wurde nämlich vorgehalten, sie käme zur Unzeit, es gäbe längst keine schrankenlose Migration mehr, keine Masseneinwanderung, wie dort behauptet wird. Ihre Antwort, die Solidarität mit allen Flüchtenden, ist im Grunde aber doch genauso pauschal, um nicht zu sagen sehr naiv.
    Volks: Also wir widersprechen der Erklärung inhaltlich in zwei Punkten: Wir sind nicht der Meinung, dass es eine illegale Masseneinwanderung gibt, dass die Grenzen in Deutschland schutzlos offenstehen und der Rechtsstaat sozusagen wiederhergestellt werden muss. Und diese pauschalisierenden Behauptungen, unwahren Behauptungen auch, die schädigen unserer Meinung nach das Land. Indirekt unterstellt wird ja außerdem in der Behauptung, dass die illegale Masseneinwanderung unser Land geschädigt hat, und wir setzen dagegen eben ganz gezielt als Antwort, die Menschenrechte enden an keiner Grenze dieser Welt. Das heißt jetzt nicht, Grenzen offen und alle können völlig ungefiltert kommen, aber wir möchten dem widersprechen, dieser Haltung, die dahintersteht, der Erklärung, nämlich, dass die Leute Deutschland als ihr Eigentum qua Geburtsrecht betrachten, dass sie mit niemandem teilen wollen – aus den eigenen Reihen kommt ja auch jetzt das Stichwort Bestandswahrerproteste. Und dem widersprechen wir. Wir sagen, die Menschenrechte gelten auch für Menschen, die nicht das Glück haben, zufällig in einem reichen, demokratischen, friedlichen Land wie Deutschland zu leben, und die Lösung kann nicht sein, Grenzen dicht, Schotten dicht. Das ist eigentlich das alte Deutschland den Deutschen in etwas verbrämter Form.
    Fischer: Die "Erklärung 2018" hat bald 100.000 Unterschriften zusammen, Ihre Petition geht eher langsam los. Steht es schlecht derzeit um die Willkommenskultur in Deutschland seit der Hochphase 2015?
    Volks: Das glaube ich nicht. Ich selbst mache das auch und kenne auch persönlich viele Leute, die nach wie vor arbeiten in dem Bereich Integration und so weiter. Ich glaube, dass eher so ein gewisses Schweigen bei vielen Kulturschaffenden herrschte, weil man vieles als selbstverständlich oder lange vorausgesetzt hat, dass wir in einem toleranten, liberalen Land leben, gerade auch im Kulturbereich. Wir haben ja auch erst vor einer Woche angefangen und wollen eine Gegenstimme bieten. Bei uns können alle unterzeichnen, auch wenn die Initiative von Kulturschaffenden kommt.
    "Ich finde den Begriff Kulturkampf nicht zielführend"
    Fischer: Frau Volks, viele sehen ja einen neuen Kulturkampf, zumindest den Kampf um die Meinungsführerschaft und Deutungshoheit sozusagen um Volkes Willen. Wird der jetzt neuerdings über Listen, Erklärungen, Petitionen ausgetragen?
    Volks: Nein, diese Erklärungen und Listen und Petitionen, da geht es jetzt wirklich um eine Sammlung von Stimmen und Gegenstimmen, die dann auch zu weiteren Schritten führt. Aber ich finde auch den Begriff Kulturkampf nicht zielführend, weil es geht auch nicht darum, ob jetzt irgendwelche mehr oder weniger selbst ernannten Rechten, Linken, Intellektuellen, Eliten gegeneinander im Ring stehen und wer geht als Sieger hervor, wer hat am schnellsten am meisten Unterschriften gesammelt, dafür ist die Sache viel zu ernst. Sie geht uns alle im Land an, und Kulturkampf höchstens in der Hinsicht, meinen wir, dass wir alle uns überlegen müssen, in welcher Kultur wollen wir leben. Wollen wir in einer Kultur leben, in der Einwanderer als Eindringlinge betrachtet werden, die um jeden Preis draußengehalten werden müssen, eine Schotten-dicht-Mentalität, oder wollen wir in einer Kultur leben, die Einwanderung auch als etwas Positives sieht, die auch Menschen aus anderen Kulturen, mit anderen Religionen, mit anderen Sprachen als Bereicherung betrachtet und die auch sagt, Menschen, die Schutz suchen, die weisen wir nicht ab, so nach dem Motto: Das ist illegal, die Grenze ist dicht, sollen sie doch draußen sterben – wenn man es in letzter Konsequenz betrachtet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.