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Urteil im Fall Safia S.
"Diese harte Strafe ist durchaus angebracht"

Das harte Urteil im Fall der jugendlichen Salafistin Safia S. sei angebracht, sagte Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime im DLF. Er äußerte die Hoffnung auf ihre Resozialisierung im Jugendvollzug. Darüber hinaus plädierte Mazyek für eine Professionalisierung der Präventionsarbeit und einen differenzierten Diskurs zum Thema Islam.

Aiman Mazyek im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime
    Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime begrüßte die Schließung salafistischer Einrichtungen, dennoch sei es "ein sehr tiefer Einschnitt auch in die Grundrechte". (imago stock & people)
    Jasper Barenberg: Versuchter Mord - in seinem Urteil folgt das Gericht der Bundesanwaltschaft. Viele sehen darin auch ein Signal: Keine Milde für IS-Täter. Hält das auch der Zentralrat für Muslime für gerecht und angemessen? Das habe ich vor dieser Sendung Aiman Mazyek gefragt, den Vorsitzenden des Zentralrats.
    Aiman Mazyek: Ich glaube, da ist auch viel Pädagogik und Abschreckung dabei, und das ist durchaus so gewollt, dass man das Höchstmaß eingesetzt hat. Dieses Mädchen ist ja noch ein Mädchen, ist noch jung, und es besteht durchaus die Möglichkeit, dass sie resozialisiert wird, auch über diesen Weg. Der Jugend-Gefangenenbereich ist ja durchaus nicht zu vergleichen mit dem Erwachsenen-Gefangenenbereich. Da ist diese auch zum Teil harte, abschreckende Strafe, denke ich, durchaus angebracht, um einfach andere auch noch mal darauf aufmerksam zu machen, dass das so nicht geht. Auch dass das Mädchen inzwischen Reue gezeigt hat und sich auch beim Opfer entschuldigt hat, dadurch besteht ja durchaus die Möglichkeit, über die Resozialisierung im Jugendvollzug, dass das Erfolg haben kann. Also es sind noch Chancen da.
    "Muslime sind mitunter die ersten, die unter diesem Diskurs leiden"
    Barenberg: In den letzten Wochen und Monaten erkennen Beobachter ja geradezu einen Strategiewechsel bei den Sicherheitsbehörden, die nicht mehr nur in den Blick nehmen, wer ausreist und für den IS beispielsweise in den Dschihad, in den Kampf ziehen will, sondern die Sicherheitsbehörden nehmen mehr und mehr auch die ideologischen Wegbereiter, Hassprediger, also die Radikalisierer in den Blick. Teilen Sie diese Beobachtung zunächst einmal?
    Mazyek: Ja, es besteht durchaus die Berechtigung für diese Beobachtung, weil gerade auch die Lage in Syrien und anderswo machen deutlich, dass der IS ein Stück weit im Rückzug sich befindet. Das war ja vor ein, zwei, drei Jahren nicht so. Da konnte er zum Teil unbemerkt im Irak rekrutieren, aufbauen und dann in Syrien zuschlagen. Das ist so nicht mehr möglich und insofern, denke ich, ist da durchaus auch eine Taktik dahinter, und man sieht das ja auch an dem Fall Amri, dass das leider der Fall ist.
    Was wichtig ist, glaube ich, für Deutschland, dass wir viel stärker in den gesellschaftlichen Mittelpunkt setzen, dass die Muslime mitunter die ersten sind, die unter diesem Diskurs leiden und unter dieser Situation. Und wir müssen da viel, viel genauer hinschauen. Ich verstehe manchmal nicht, wie man eine umfunktionierte Wohnung, die dann von diesen Radikalen und Terroristen als Moschee deklariert wird, auch dann wiederum als Moschee bezeichnet. Da muss man wesentlich vorsichtiger vorgehen. Das ist eine Wohneinheit und eine Moschee hat Dienstleistung, ist ein öffentlicher Raum, ein öffentliches Gebäude, und da muss man vorsichtig sein mit solchen Deklarationen und mit solchen Etiketten, weil man dann natürlich wiederum in der Bevölkerung für Angst sorgt und uns, den Muslimen diese Präventionsarbeit, die ohnehin sehr schwer ist, noch mal erschwert.
    "Wir brauchen eine Professionalisierung der Präventionsarbeit"
    Barenberg: Ihnen werden sicherlich viele zustimmen, wenn Sie daran appellieren, bei der Wortwahl sehr genau zu sein. Auf der anderen Seite, Herr Mazyek, sagen ja die Sicherheitsbehörden selber, dass sich junge Menschen vor allem über den Freundeskreis radikalisieren, aber auch über salafistische Moscheen. Wie groß ist diese Gefahr?
    Mazyek: Vor knapp einem Monat sind salafistische Einrichtungen geschlossen worden. Wir haben das grundsätzlich auch begrüßt, obwohl es ein sehr tiefer Einschnitt ist auch in die Grundrechte. Aber es ist gerechtfertigt, wenn, wie gesagt, das unter dem Mantel oder unter dem Deckmantel ausgenutzt wird für terroristische Aktivitäten. Dann muss entsprechend vorgegangen werden. Auch hier nicht nur bei der Wortwahl, sondern auch Behutsamkeit in der Art und Weise, wie man das darstellt. Wir haben etwa 2.000 Moscheegemeinden in Deutschland. Ein großer Teil davon sind Gebetsräume, öffentliche Gebetsräume, und ein ganz, ganz kleiner Teil davon sind Rekrutierungsräume für Salafisten und meist auch illegale oder Wohneinrichtungen, wo konspirativ vorgegangen wird. Da ist die Zuschreibung Moschee, finde ich, hoch problematisch. Da muss man, denke ich, anders vorgehen.
    Barenberg: Wie kommt es dann, dass der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen beispielsweise davon spricht, dass 55 Moscheen Gedankengut der gewaltbereiten Salafisten verbreiten? Oder anders gefragt: Was tun Sie vom Zentralrat eigentlich in diesem Punkt dagegen?
    Mazyek: Wir haben ja Hunderte von Moscheegemeinden und der Verfassungsschutz hat ja den vier großen Verbänden attestiert, dass da nicht von denen eine Moschee dabei ist. Noch mal: Vorsichtig mit dem Begriff Moschee. Was machen wir? - Wir weisen erst mal darauf hin, dass ein geregelter Moscheeablauf wie zum Beispiel mit Freitagsgebet, Ansprache der Muslime, Jugendarbeit und anderes mehr, eine nachhaltige Präventionsarbeit darstellt. Darüber hinaus brauchen wir - und das haben wir seit vielen Jahren eingefordert und wir fangen jetzt erst langsam damit an - eine Professionalisierung der Präventionsarbeit. Das heißt, es kann nicht nur so sein, dass das Ehrenamtliche machen; das müssen auch Hauptamtliche sein, die pädagogisch dazu in der Lage sind.
    Imame sensibilisieren, um Ideologie früh zu erkennen
    Barenberg: Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Wenn Sie von Prävention reden, reden Sie nicht von Moscheevereinen, sondern von Schulen, Sozialarbeitern, oder wovon reden Sie?
    Mazyek: Nein, nein! Ich rede zum Beispiel von dem Projekt, das wir auf die Beine gestellt haben vor etwa eineinhalb Jahren, "Safer Spaces" heißt das. Das ist ein Präventionsprogramm, zweigliedrig, ein öffentlicher Teil und ein nichtöffentlicher Teil. Der öffentliche Teil ist die Ansprache an vor allen Jugendliche, Familien und Vorstände. Und der nichtöffentliche Teil ist vor allen Dingen die Sensibilisierung, aber auch die Aufarbeitung von Problemen und Schwierigkeiten in der Gemeinde, wenn sie denn da sind, und wie man damit umgeht. Insbesondere was auch die Sensibilisierung bei den Vorständen, bei den Imamen angeht, dieses Thema überhaupt zugänglich zu machen, zum Beispiel Ideologie zu erkennen, früh zu erkennen, bestimmte Ansprachen. Das kennen wir auch aus dem Kampf gegen Rechtsextremismus, diese Arbeit, und die müssen wir jetzt verstärkt machen. Das leisten wir. Aber das ist erst punktuell. Viele Sicherheitsexperten sagen uns, das ist gut, aber das ist noch viel zu wenig und das muss eigentlich ausgebaut werden.
    "Unser Prophet warnt vor dem Fanatismus in der Religion"
    Barenberg: Da haben Sie sicher Recht. - Im Fall Safia haben wir ja gelernt, dass die Mutter das Mädchen streng religiös erzogen hat. Das passt ein wenig zu dem Vorwurf, der immer wieder erhoben wird, dass gerade ein konservativer Islam mit seinen strengen Geschlechterrollen beispielsweise dafür kritisiert wird, dass da die Übergänge zum radikalen Islam fließend sind.
    Mazyek: Dass Fanatismus auch letztendlich zu Radikalität führt, ist eine Binsenweisheit und ist etwas, was wir aus unserem Glauben heraus bekämpfen wollen. Wir haben ein existenzielles Interesse, dass dies nicht passiert. Unser Prophet sagt ja, er warnt vor dem Fanatismus in der Religion. Die Übertreibung hat er das genannt. Übertreibung ist im Endeffekt Fanatismus, Fundamentalismus, Extremismus, und dagegen müssen wir uns natürlich wappnen und müssen wir dagegen vorgehen. Religion und Weltanschauungen sind auch nicht gefeit, dass so was passieren kann. Und in der Tat, Sie haben recht: Dieser Fanatismus, die Engstirnigkeit, die Übertreibung in der Religion führt letztendlich auch dazu, und das müssen wir unterbinden.
    Barenberg: Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.