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Urteil in Dresden
Richter verbietet Politikwissenschaftler Aussagen über NPD

Ein Richter in Dresden hat dem Wissenschaftler Steffen Kailitz mehrere Thesen über die NPD untersagt. Thesen, die er schon im NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vorgetragen hat. Kailitz vertritt seine Ansichten seit neun Jahren – dass sie ihm jetzt im Eilverfahren verboten wurden, irritiert dessen Anwalt. Der hat auch sonst Zweifel an einem fairen Verfahren und spricht von einem Justizskandal.

Von Bastian Brandau |
    Teilnehmer einer Kundgebung der NPD, einer trägt eine NPD-Flagge.
    Bild von einer NPD-Demonstration am 1. Mai in Schwerin. (dpa / Jens Büttner)
    Der Dresdner Politikwissenschaftler Steffen Kailitz gilt als renommierter Extremismusforscher. Als das Bundesverfassungsgericht im März über ein Verbot der NPD verhandelte, lud es Kailitz als Sachverständigen. Nun hat die NPD per einstweiliger Verfügung vor dem Landgericht Dresden erreicht, dass Kailitz mehrere seiner Thesen nicht mehr öffentlich äußern darf. Konkret ging es dabei um einen Artikel, der im April auf den Meinungsseiten der Zeit erschienen war.
    Dort schreibt Kailitz, die NPD plane "rassistisch motivierte Staatsverbrechen" und wolle "acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben", "darunter mehrere Millionen deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund". Kailitz‘ Anwalt Jörg Nabert hat die Aufhebung der einstweiligen Verfügung beantragt. Der Hamburger Medienanwalt spricht von einem Justizskandal:
    "Der Vorsitzende Richter war im Urlaub, und in einer Vertretungslage hat das Gericht dann entschieden, dass der Einzelrichter Maier diese Entscheidung alleine treffen könne. Das ist nur in ganz extremen Ausnahmesituationen der Fall, die hier alle nicht vorliegen. Und deswegen hätte dieser Richter nicht als Einzelrichter entscheiden dürfen. Schon aus diesem Grund ist die Entscheidung falsch."
    Kailitz' Anwalt sieht keine Dringlichkeit
    Seit etwa neun Jahren vertritt Kailitz die nun beanstandeten Thesen in Publikationen und in den Medien. Sie sind Ergebnis seiner Forschungsarbeit, basierend auf NPD-Parteiprogrammen, Strategiepapieren und anderen Quellen. Dieser lange Zeitraum widerspreche auch der Dringlichkeit, mit der Richter Jens Maier die Sache nun behandelt habe, ohne Anhörung des Beklagten, ohne Begründung, sagt Medienanwalt Nabert:
    "Das ist nun kein juristischer Fehler, aber in einem demokratischen Rechtsstaat ist es immer ganz hübsch zu erfahren, warum einem etwas verboten worden ist. Hier wird aber überhaupt nichts erklärt. Und ich hatte versucht, mit dem Richter Kontakt aufzunehmen, der hat sich aber anders als viele andere Presserichter geweigert, mit mir am Telefon zu sprechen. Das darf er natürlich, er muss mit mir nicht sprechen, aber es zeigt, dass hier etwas ungewöhnlich vonstatten geht."
    NPD bejubelt Gerichtsentscheidung
    Der Süddeutschen Zeitung sagte Richter Maier, ihm sei der Wissenschaftler Kailitz bisher kein Begriff gewesen. Auch von dessen Wirken als Sachverständiger vor dem Bundesverfassungsgericht habe er erst nachträglich erfahren. Ausdrücklich distanzierte sich AfD-Mitglied Maier von einer möglichen Nähe zur NPD. Es sei im Gegenteil als Mitglied des AfD-Landesschiedsgerichts seine Aufgabe, Neonazis aus der AfD herauszuhalten. Die ideologische Nähe zur Antragstellerin NPD sei ihm egal, sagt Anwalt Nabert über Richter und AfD-Mitglied Jens Maier:
    "Er hat hier einem Wissenschaftler eine wissenschaftliche Aussage untersagt, und diese wissenschaftliche Aussage gehört in den Kernbereich seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Und das ist, glaube ich, ein Unikat. Also einen solchen Fall habe ich in meine über 30-jährigen presserechtlichen Laufbahn noch nicht erlebt, dass ein Richter einem Wissenschaftler die Kernthese seiner wissenschaftlichen Aussagen verbietet, die ja auch Teil des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ist. Denn er darf jetzt noch nicht mal seine Thesen, die er vor dem Bundesverfassungsgericht vorgetragen hat, anderweitig verbreiten, das ist skandalös."
    Die NPD indes bejubelte Maiers Entscheidung in mehreren Pressemitteilungen. Das Gericht habe Kailitz in die Schranken gewiesen. Verwunderung dagegen bei der sächsischen Linkspartei. Der Beschluss des Landgerichts Dresden bestärke leider alle Vorurteile gegen Teile der Justiz in Sachsen. Ein Sprecher des Landgerichts Dresden sagte, das Gericht werde nun die Verhandlung eröffnen. Einen Termin will das Gericht heute (am Donnerstag) bekannt geben.