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US-Airbase Okinawa
Japaner fühlen sich wie Fremde im eigenen Land

Auf der japanischen Insel Okinawa befindet sich der größte Stützpunkt der US-Streitkräfte außerhalb Amerikas. Bei der Bevölkerung Okinawas regt sich zunehmend Protest gegen die amerikanischen Soldaten. Die Japaner wollen sich nicht länger wie Fremde im eigenen Land fühlen.

Von Jürgen Hanefeld |
    US-Helikopter auf der US-Airbase Okinawa
    Auf Okinawa befindet sich der größte Stützpunkt der US-Streitkräfte außerhalb Amerikas. (dpa / Hitoshi Maeshiro)
    Wie eine gewaltige Hornisse hebt sich die Flugmaschine in die Höhe. Ein bulliger Senkrechtstarter mit schwenkbaren Rotoren, den die US-Marines "Osprey" getauft haben, Fischadler. Doch dazu ist er einfach zu klobig und zu laut. Wenn eine der 24 Maschinen dieses Typs auf der Futenma Air Base in Okinawa startet, verstehen die Kinder in der benachbarten Schule ihr eigenes Wort nicht mehr: "Beim Sportunterricht draußen hören wir nichts. Wir halten uns die Ohren zu, weil sie sonst wehtun", sagt ein Kind. "Außerdem habe ich Angst, dass sie abstürzen. So nah wie die sind!"
    Nicht nur "Ospreys" unterbrechen regelmäßig den Unterricht. Höllenlärm verbreiten auch Hubschrauber und Kampfjets auf dem größten Stützpunkt der US - Streitkräfte außerhalb Amerikas. Das sei nicht mehr auszuhalten, schimpft Seiryo Arakaki. Der Mann im bunten Südseehemd ist Abgeordneter im Regionalparlament von Okinawa: "Es ist doch nicht einzusehen, dass wir auf dieser kleinen Insel die Hauptlast der US-Miltiärpräsenz tragen! Okinawa macht 0,6 Prozent von Japan aus. Aber hier befinden 74 Prozent aller US-Basen in Japan. Wenn das Bündnis mit den Amerikanern so wichtig ist, dann sollen sie das Militär besser verteilen!"
    Protest gewinnt an Schärfe
    Der Protest ist nicht neu, gewinnt aber zusehends an Schärfe. Ein Auslöser dafür war ironischer Weise das Angebot der USA, ihren größten und lautesten Flugplatz aus dem dicht besiedelten Wohngebiet Ginowan zu verlegen. Die Ankündigung aus dem Jahr 1997 war eine Reaktion auf Massenproteste wegen der brutalen Vergewaltigung eines 12-jährigen Mädchens durch drei US-Soldaten. Doch während die empörte Bevölkerung verlangte, den Luftwaffenstützpunkt zu schließen, boten die USA lediglich den Umzug in ein weniger dicht besiedeltes Gebiet weiter im Norden an. Dort, in der noch weitgehend unzerstörten Henoko-Bucht, wollen sie Erde aufschütten, um darauf neue Landebahnen zu bauen. Doch dort ist der Widerstand nicht geringer als am alten Standort. Wortführerin ist die Schriftstellerin Urashima Etsuko: "Das ist doch gar keine Verlegung! Die alte Airbase stammt von 1945. Sie platzt aus allen Nähten. Deswegen wollen die Amerikaner hier eine ganz neue, moderne Luftwaffenbasis schaffen, die 100 Jahre lang benutzt werden soll. Wenn wir diesem Projekt zustimmen, dann wäre das ein Verbrechen an der Natur und an unseren Nachkommen."
    Frau Etsuko verweist auf wertvolle Korallenriffs und Dugongs, seltene Meeressäuger, die sich in der Bucht tummeln und die sie nicht einer weiteren Militäreinrichtung opfern will. Immerhin gibt es schon 40 US-Camps auf der Insel. Doch eigentliche Gegner sei nicht die amerikanische Regierung, sondern die japanische. Etsuko: "Es ist der japanische Staat, der uns im Stich lässt. Okinawa wurde schon immer von Tokio diskriminiert, wir waren immer die Opfer. Aber seit Shinzo Abe Regierungschef ist, ist es schlimmer denn je. Abe denkt nicht an uns, sondern nur an den Schutz seiner Hauptinseln. Wie im Krieg soll Okinawa nur ein Puffer sein für Japan. Ganz klar: Abe ist unser Hauptgegner."
    Ein neuer Deal mit den USA
    Klar ist: Die Regierung in Tokio möchte einen neuen Deal mit den USA: Der nationalkonservative Premierminister Shinzo Abe will seine Streitkräfte aufrüsten. Dazu muss das Pazifismusgebot, das die Siegermacht USA einst in der japanischen Verfassung verankert hat, gelockert werden. Um die Zustimmung der USA für dieses Manöver zu erhalten, will Abe den Amerikanern erlauben, ihren Standort auf Okinawa in die unberührte Bucht zu verlegen, so der Verdacht der Naturschützer. Bisher hatte der störrische Gouverneur der Insel diesen Plan blockiert.
    Doch seit es dem Premierminister im Januar gelungen war, den alten Herrn mit Geld und großen Versprechungen auf seine Seite zu ziehen, ist die Stimmung auf der Insel explosiv. Die Mehrheit der Bevölkerung fühlt sich buchstäblich ein weiteres Mal verraten und verkauft, sagt Susumu Inamine, der Bürgermeister der Gemeinde Nago, zu der die Bucht gehört. Der entschiedene Gegner der Verlegung ist erst im Januar mit großer Mehrheit wiedergewählt worden: "Es geht um nichts weniger als die Menschenrechte! Die Bürger von Nago haben durch meine Wahl ausdrücklich erklärt, dass sie gegen die Airbase in unserer Bucht sind. Wenn Tokio und Washington das jetzt gegen uns durchsetzen, widerspricht das der Demokratie und den Menschenrechten!"
    Geballte Macht zweier Regierungen
    Tatsächlich geht es nicht um eine knappe Mehrheit. Aktuelle Umfragen besagen, dass 84 Prozent der Bürger Okinawas gegen den Umzug der Luftwaffenbasis sind, nur 9 Prozent dafür. Die Hauptstadtpresse spricht bereits von einem "Zombie-Projekt". Trotzdem bleibt die Frage, ob sich eine Gemeinde wie Nago gegen die geballte Macht zweier Staatsregierungen durchsetzen kann. Bürgermeister Inamine, den man in Tokio als "Stein im Schuh des Premierministers" bezeichnet, ist zuversichtlich: "Ich mache keine große Politik. Aber wer eine Landebahn ins Meer bauen will, braucht sehr viel Erde. Den Transport dieser Erde kann ich verbieten, denn das Verwaltungsrecht liegt bei mir. Ich sehen dem Kampf gelassen entgegen."
    Dabei hatte die US-Regierung im Zuge ihrer "Pazifischen Strategie" vor zwei Jahren noch Verständnis gezeigt für die Sorgen der Inselbevölkerung. Vor dem Hintergrund von Kürzungen der Rüstungsausgaben erklärte Präsident Obama im Mai 2012: "Darin spiegelt sich unsere Anstrengung, unsere Verteidigungsstellungen im Pazifik zu modernisieren und zugleich die Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften wie in Okinawa zu reduzieren." Okinawa musste schon immer mehr ertragen als andere Inseln im Pazifik. Weit südlich vom japanischen Hauptarchipel gelegen, auf der Höhe von Hawaii oder Florida und näher an Taiwan als an Tokio, wurde das kleine Königreich erst Ende des 19. Jahrhunderts von Japan annektiert. Am Ende des Zweiten Weltkriegs starben hier binnen weniger Wochen mehr als 200.000 Zivilisten und Soldaten in der Schlacht von Okinawa.
    Fremde im eigenen Land
    Während sich die siegreichen Amerikaner aus dem größten Teil Japans bald nach der Kapitulation zurückzogen, behielten sie Okinawa noch bis 1972 als Kriegstrophäe und als so genannten unsinkbaren Flugzeugenträger im Pazifik. Die etwa 30.000 amerikanischen Soldaten - offiziell wird diese Zahl nicht bestätigt - leben in 40 Lagern auf der Insel hinter hohen Zäunen. Diese "Camps" sind verstreut über eine Fläche, die einem Fünftel Okinawas entspricht. Trotz der offiziellen Rückgabe der Insel an die Regierung in Tokio vor mehr als 40 Jahren fühlen sich viele Inselbewohner wie Fremde im eigenen Land.
    Sie machen die Amerikaner nicht nur für Lärm und Unfälle verantwortlich - allein 43 Flugzeugabstürze seit 1972 - sondern auch für Diebstähle und Gewalttaten, die aber nicht der japanischen, sondern der amerikanischen Gerichtsbarkeit unterliegen und - wenn überhaupt - sehr milde geahndet werden. Unter den mehr als 100 Vergewaltigungen überwiegend junger Frauen und Kinder löste ein Fall helle Empörung aus. 1995 war ein 12-jähriges Mädchen von drei Soldaten brutal missbraucht worden. Das war der Auslöser für den organisierten Widerstand der Inselbevölkerung gegen die US-Stützpunkte.