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USA wollen "Sachen" nach Syrien bringen

Die USA haben sich entschieden: Die rote Linie ist überschritten, nun will Washington Waffen an bestimmte syrische Oppositionsgruppen liefern. Im Inland und bei den europäischen Partnern stößt die neue Syrienpolitik der USA auf ein geteiltes Echo.

Von Marcus Pindur |
    Barack Obama informierte einige der europäischen Verbündeten über seine neue Syrienpolitik. Der Präsident beriet sich gestern Abend in einer Videokonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel, dem britischen Premier Cameron, dem französischen Präsidenten Hollande, und dem italienischen Ministerpräsidenten Letta.

    Die Konferenz war Teil der Vorbereitung des G8-Gipfels in Nordirland – Syrien sei das zentrale Thema gewesen, hieß es. Die Bedenken des deutschen Außenministers Westerwelle sind in Washington bekannt. Der stellvertretende Sicherheitsberater Ben Rhodes sprach in einer Pressekonferenz die Bedenken gegenüber Waffenlieferungen an. Man wisse, wem man militärische Unterstützung gebe, erklärte Rhodes.

    "Wir haben jetzt Beziehungen nach Syrien, die wir vor sechs Monaten noch nicht hatten. Und das gibt uns eine größere Gewissheit die Sachen ins Land bringen zu können und sie den richtigen Oppositionsgruppen zu geben, so, dass sie nicht den Extremisten in die Hände fallen."

    Am Donnerstagabend hatte die amerikanische Regierung erklärt, nach intensiven Untersuchungen gingen US-Geheimdienste davon aus, dass das Assad-Regime chemische Waffen, darunter das Nervengas Sarin, eingesetzt habe. Dadurch habe sich das politische Kalkül des Präsidenten grundlegend verändert, hieß es.

    Die Position von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ist unverändert – er will überhaupt keine Waffenlieferungen, weder an die Rebellen, noch an das Assad-Regime.

    "Waffenlieferungen, egal an wen, können das Problem nicht lösen. Es gibt keine militärische Lösung. Nur eine politische Lösung kann des Problems dauerhaft Herr werden."

    Die Realität sieht jedoch anders aus. Die Rebellengruppen sind in den letzten Wochen immer mehr auf dem Rückmarsch, weil das Assad-Regime einen steten Fluss von modernen Waffen und Munition aus Russland und dem Iran erhält. Außerdem kämpft die gutausgerüstete Terrormiliz Hisbollah an der Seite der Assad-Truppen.

    Verschiedenen Quellen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge würden die Rebellen in den nächsten zwei bis drei Wochen die ersten amerikanischen Waffenlieferungen erhalten. Wahrscheinlich sei, dass die Rebellen außer Gewehren und Munition auch panzerbrechende Waffen erhielten, jedoch keine mobilen Luftabwehrraketen.

    Die Obama-Administration wird unterdessen kritisiert für ihren Mangel an Strategie und Zielstrebigkeit. Es sei nicht klar, was die US-Regierung in Syrien erreichen wolle, sagt der ehemalige Mitarbeiter des State Department, Vali Nasr.

    "Was wollen wir mit der Bewaffnung der Rebellen erreichen? Wollen wir die humanitäre Krise eindämmen? Wollen wir das Assad-Regime zurückdrängen? Ist das die Reaktion auf die Anwendung von Chemiewaffen? Man weiß nicht, ob das jetzt ausreicht, oder ob es schon zu spät ist, wenn man nicht weiß, was erreicht werden soll."

    Der stellvertretende Sicherheitsberater Rhodes nannte außer den Chemiewaffen als weiteren Grund für ein stärkeres Engagement der USA das Eingreifen der Hisbollah. Das habe den Handlungsdruck erhöht. Offenbar ist der Obama-Regierung jetzt klar geworden, dass nicht nur die großen Flüchtlingsströme, sondern auch die Perspektive eines iranischen Klientelstaates in Syrien bedrohlich ist. Ob die Lieferung von kleineren Waffen in begrenztem Umfang allerdings eine Wirkung hinterlässt, wird von vielen bezweifelt. Obama erwägt angeblich auch die Einrichtung einer Flugverbotszone.