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Verhaltener Aufschwung
Wirtschaftsforscher korrigieren Wachstumsprognose nach unten

Die deutsche Wirtschaft wird im laufenden Jahr weniger stark wachsen als zunächst angenommen. Das ist das Ergebnis des sogenannten Herbstgutachtens der führenden deutschen Konjunkturforscher. Der Grund für die Korrektur kommt aus Asien.

Von Stefan Maas | 08.10.2015
    Ein Mann steht vor einer großen Börsenanzeigentafel und hält sich den Kopf.
    Unter der schwachen Konjunktur in China leiden die Börsen weltweit. (dpa/picture-alliance/Kimimasa Mayama)
    Im Frühjahr hatten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute noch ein Wirtschaftswachstum von 2,1 Prozent für dieses Jahr prognostiziert, in ihrem heute vorgelegten Herbstgutachten dämpfen sie die Aussichten etwas und gehen von 1,8 Prozent aus.
    "Die Institute nennen diesen Aufschwung verhalten. Nämlich aufgrund des niedrigen Zinses, des gesunkenen Rohölpreises und der Abwertung des Euros hätte man durchaus eine kräftigere Konjunktur erwarten können."
    Erläutert Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung die Prognose. Allerdings macht eine schwächelnden Weltwirtschaft – hier ist vor allem China zu nennen - deutschen Unternehmen zu schaffen.
    Gestützt wird die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland unter anderem durch den privaten Konsum.
    "Die Realeinkommen profitieren weiterhin von der steigenden Beschäftigung, Tarifabschlüssen deutlich über der Inflation, einer sinkenden Steuerbelastung und steigenden Transfers. Letztere erhöhen sich auch aufgrund der zunehmenden Flüchtlingsmigration."
    Und auch die Exporte haben – ungeachtet des mäßigen Wachstums der Weltwirtschaft – kräftig zugelegt.
    "Wesentlichen Anteil daran hatte die Erholung im Euroraum und die Abwertung des Euro. Im Prognosezeitraum dürfte sich die Expansion in ähnlichem Tempo fortsetzen wie im ersten Halbjahr."
    Gutachter: Fluchtbedingte Migration ersetzt keine vernünftige Zuwanderungspolitik
    Allerdings, warnt Döhrn, dürften die Unternehmen sich nicht dauerhaft auf den Effekt durch die Euro-Schwäche verlassen. Hinzu kommt, dass die Wirtschaft in den Schwellenländern deutlich langsamer wachsen dürfte als bisher.
    Für den Arbeitsmarkt prognostizieren die Wirtschaftsforscher, dass die Zahl der Erwerbstätigen im kommenden Jahr um 0,6 Prozent oder gut eine Viertelmillion Personen steigen dürfte. Eine ähnliche Größenordnung wie dieses Jahr.
    "Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist hingegen zum Erliegen gekommen. Und die Arbeitslosigkeit dürfte im Prognosezeitraum sogar wieder leicht steigen. Dies liegt allerdings vor allem daran, dass in zunehmendem Maße Asylsuchende dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die Gemeinschaftsdiagnose basiert in diesem Bereich auf der Annahme, dass dieses Jahr 900.000 und im kommenden Jahr 600.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen."
    Mit Blick auf den Arbeitsmarkt schreiben die Institute: Fluchtbedingte Migration sei kein Ersatz für eine vernünftige Zuwanderungspolitik. Sie sei allerdings durchaus mit Chancen für die Zielländer verbunden. Um diese Chance zu nutzen, sei die schnelle Integration in den deutschen Arbeitsmarkt der wichtigste Hebel.
    Für die öffentlichen Haushalte zeichnet sich in diesem Jahr ein Überschuss von 23 Milliarden Euro ab:
    "Er liegt damit deutlich über dem des Vorjahres, was allerdings auf Sonderfaktoren zurückzuführen ist. Im kommenden Jahr dürfte der Überschuss auf etwas mehr als die Hälfte, auf 13 Milliarden Euro zurückgehen. Zum einen aufgrund eines etwas höheren Expansionsgrades der Finanzpolitik, unter anderem werden ja auch beim Einkommenssteuertarif einige Änderungen vorgenommen. Zum anderen aufgrund zusätzlicher Ausgaben im Zusammenhang mit der Flüchtlingsmigration."
    2016 rechnen die Wirtschaftsforscher ebenfalls mit einem Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent.