Bei dem mutmaßlichen Angreifer handelt es sich nach ersten Erkenntnissen um einen Marokkaner, der 25 Jahre alt sein soll. Den französischen und spanischen Behörden war er als radikaler Islamist bekannt. Nach Angaben der spanischen Ermittler lebte er bis 2014 in Andalusien, dann sei er über Frankreich ins Bürgerkriegsland Syrien gereist. Am 10. Mai hielt er sich nach Erkenntnissen der französischen Behörden in Berlin auf. Von hier aus sei er in die Türkei geflogen, nach seiner Rückkehr habe er dann in Belgien gewohnt.
Aus französischen Polizeikreisen verlautete, der Mann habe in einer ersten Vernehmung ein terroristisches Motiv bestritten, die Ermittler aber nicht überzeugt. Auch die belgische Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen Terrorverdachts ein, da der Mann am Freitagnachmittag in Brüssel zugestiegen war. Die belgische Regierung kündigte am Samstag an, umgehend die französisch-belgischen Patrouillen in den Thalys-Zügen sowie in den internationalen Bahnhöfen zu verstärken.
Zwei US-Soldaten und ein Student überwältigten den Täter
Der mit einer Kalaschnikow, einer Pistole und einem Teppichmesser bewaffnete Täter war am Freitag in Brüssel in den Thalys eingestiegen. Zwei US-Soldaten und ein befreundeter Student überwältigten den Angreifer, zwei Menschen wurden schwer verletzt. Die drei US-Bürger, die durch ihr Eingreifen offenbar ein Blutbad verhinderten, wurden als Helden gefeiert.
Derweil erhebt der französische Schauspieler Jean-Hugues Anglade Vorwürfe gegen das Bahnpersonal. Als an Bord Panik ausgebrochen sei wegen des bewaffneten Angreifers, hätten sich mehrere Mitarbeiter in einem speziellen Abteil verschanzt und die übrigen Passagiere ausgesperrt, sagte er. Der aus dem Kultfilm "Betty Blue" bekannte Schauspieler führte gegenüber dem Magazin "Paris Match" aus, das Bahnpersonal habe das Abteil mit einem speziellen Schlüssel geöffnet und sich eingeschlossen. "Der Schütze war wenige Meter von uns entfernt im Waggon Nummer zwölf", berichtete der 60-Jährige. Er habe zusammen mit seinen beiden Kindern und seiner Lebensgefährtin im benachbarten Abteil gesessen, dem hintersten Personenwaggon des Zuges.
"Wir haben geschrien, dass uns das Personal hineinlassen solle"
Mit den anderen Passagieren habe er mit dem Rücken an der Wand zu dem abgeriegelten Abteil gekauert. "Wir haben geschrien, dass uns das Personal hineinlassen solle", sagte Anglade. Doch niemand habe reagiert. "Dieses Verlassensein, diese Hilflosigkeit, diese Einsamkeit - es war schrecklich und unerträglich. Für uns war das unmenschlich."
Die Geschäftsführerin der Thalys-Gesellschaft, Agnès Ogier, wies die Anschuldigungen zurück. "Einer der Mitarbeiter hat gemerkt, wie er von einem Schuss gestreift wurde." Er sei weggelaufen und mit fünf oder sechs Reisenden in den Gepäckraum am Ende des Zuges geflohen. Dort habe er den Alarm ausgelöst und anschließend die Kollegen aus dem anderen Zugteil und den Fahrer informiert. Ein anderer Mitarbeiter habe den Zugführer außerdem per Telefon alarmiert. In den beiden Zugteilen des Thalys befinden sich jeweils zwei Mitarbeiter der französischen Bahngesellschaft SNCF oder der belgischen SNCB.