Wenn Bob Woodward ein neues Buch veröffentlicht, freut sich das politische Washington nicht einfach auf eine spannende Lektüre - es fiebert einem regelrechten "Ereignis" entgegen. Der legendäre Enthüller des Watergate-Skandals und langjährige Journalist der Washington Post genießt nämlich nicht bloß einzigartigen Zugang zu den Machthabern der mächtigsten Stadt der Welt. Woodward genießt auch den Luxus, sich bisweilen jahrelang auf die gründliche Analyse eines einzigen Themas konzentrieren zu können - und so ganz neue Erkenntnisse ans Tageslicht zu fördern.
Das ist Woodward auch in seinem neuen 428-Seiten-Werk "The Price of Politics" gelungen, das sich den dramatischen politischen Ereignissen des Sommers 2011 annimmt. Damals stritten der demokratische Präsident Barack Obama und Kongress-Republikaner unter Führung ihres Sprechers John Boehner wochenlang um einen Kompromiss zur US-Schuldengrenze - so lange, bis gar die Zahlungsfähigkeit der USA in Zweifel geriet.
Für Woodward ist diese Episode ein Lackmustest für das Funktionieren des politischen Systems der USA. Und sein Buch darüber - wie jedes Woodward-Werk umgehend ein Besteller - hat für heftige Diskussionen in den Salons der US-Hauptstadt gesorgt. Schließlich gilt Woodward nicht als Ideologe, eher als unparteiischer Chronist. Nun aber schreibt er beinahe zornig:
Die Schuldenkrise war eine Zeit der Bedrohung für die Vereinigten Staaten, für ihre Wirtschaft und ihren Platz in der Ordnung der Weltfinanzen. Wenn man die Ereignisse genau analysiert, muss man zu dem Schluss kommen, dass weder Präsident Obama noch Sprecher Boehner die Krise gut handhabten. Obwohl sie sich persönlich immer besser verstanden, konnten sie nie über ihren Schatten springen. Statt das Problem zu lösen, vertagten sie es einfach.
Gestützt auf ausführliche Gespräche mit allen Beteiligten, nimmt Woodward den Leser mit hinter die Kulissen einer US-Hauptstadt, die über drei Jahre nach dem Amtsantritt des selbst ernannten "Versöhners" Obama in zwei verfeindete Lager gespalten war. Republikanerführer Boehner, selbst durchaus kompromissbereit, spürte den Druck vom rechten Flügel seiner Partei, der Tea Party. Ihre Anhänger verlangten radikale Opposition und lehnten Steuererhöhungen strikt ab, so Woodward:
Viele im Weißen Haus hatten das Gefühl, mit Boehner kaum eine Einigung erzielen zu können, weil die Mitglieder seiner Partei von ihm eine Demütigung Obamas erwarteten. Nur so ließen sich die Unterstützer der Tea Party zufrieden stellen. Für sie war jeder Kompromiss ein Verbrechen - eine Einigung, die beide Seiten zufrieden stellte, war für sie also inakzeptabel: Obama musste zerstört werden.
Der Präsident wiederum musste die linke Basis der Demokraten befrieden, die er für seine Wiederwahl dringend benötigt - und die wie Nancy Pelosi, Ex-Sprecherin des Repräsentantenhauses, vor notwendigen Reformen der überlasteten sozialen Sicherungsnetze zurückschreckte. Wie soll es in einer so aufgeheizten Atmosphäre eine Einigung gelingen? Woodward weiß auch keine Antwort, aber er benennt Schuldige - allen voran den Präsidenten. Obama habe gezögert und gezaudert, er sei ein schlechter Verhandler gewesen, analysiert der Buchautor. Woodwards Fazit fällt besonders harsch aus im Vergleich zu Vorgängern des amtierenden Präsidenten:
Es stimmt, dass Obama eine lausige Wirtschaftslage erbte und die Republikaner zu unerbittlichem Widerstand entschlossen waren. Aber US-Präsidenten können den wichtigsten Themen der Nation ihren Willen aufzwingen. In diesem Buch war mehrmals von Präsident Reagan und Präsident Clinton die Rede. Kritik an beiden ist berechtigt, aber ihnen ist genau dieser Willensakt weitgehend gelungen. Obama kann das nicht von sich behaupten.
Entsprechend trist ist das Urteil der Reporterlegende Woodward gegen Ende seines Buches, indem er die schwierige Ausgangslage für jeden Bewohner des Weißen Hauses skizziert, egal wie die Wahl am 6. November ausgeht. Er schreibt:
Amerikas gewaltige Schuldenlast und seine jährlichen Haushaltsdefizite beruhen auf zwei Problemen: immer höheren Ausgaben und zu geringen Steuereinnahmen. In den dreieinhalb Jahren seiner Amtszeit kürzten Obama, die Republikaner und die Demokraten kein einziges Mal ernsthaft die Staatsausgaben. Stattdessen einigten sie sich darauf, das erst Anfang 2013 zu tun. Sie haben auch niemals die Steuern erhöht. Kurzum: Sie waren einfach risikoscheu, was Amerikaner mit einer immer noch wackeligen Wirtschaftslage zurücklässt. Es bleibt beim Status quo - nur schlimmer.
Tatsächlich wären weder der Demokrat Obama noch der Republikaner Romney um den wohl schwierigsten Job der Welt zu beneiden. Siegt Obama erneut, muss er bereits in wenigen Monaten mit dann noch zornigeren Republikanern im Kongress Amerikas Budget neu verhandeln. Und gewinnt Romney, steht er aufgebrachten Demokraten gegenüber - die für Obamas Niederlage die Blockadehaltung der Republikaner verantwortlich machen werden.
Bob Woodward: The Price of Politics, Simon & Schuster, 448 Seiten, 17,95 Euro, ISBN: 978-1-451-65110-2
Das ist Woodward auch in seinem neuen 428-Seiten-Werk "The Price of Politics" gelungen, das sich den dramatischen politischen Ereignissen des Sommers 2011 annimmt. Damals stritten der demokratische Präsident Barack Obama und Kongress-Republikaner unter Führung ihres Sprechers John Boehner wochenlang um einen Kompromiss zur US-Schuldengrenze - so lange, bis gar die Zahlungsfähigkeit der USA in Zweifel geriet.
Für Woodward ist diese Episode ein Lackmustest für das Funktionieren des politischen Systems der USA. Und sein Buch darüber - wie jedes Woodward-Werk umgehend ein Besteller - hat für heftige Diskussionen in den Salons der US-Hauptstadt gesorgt. Schließlich gilt Woodward nicht als Ideologe, eher als unparteiischer Chronist. Nun aber schreibt er beinahe zornig:
Die Schuldenkrise war eine Zeit der Bedrohung für die Vereinigten Staaten, für ihre Wirtschaft und ihren Platz in der Ordnung der Weltfinanzen. Wenn man die Ereignisse genau analysiert, muss man zu dem Schluss kommen, dass weder Präsident Obama noch Sprecher Boehner die Krise gut handhabten. Obwohl sie sich persönlich immer besser verstanden, konnten sie nie über ihren Schatten springen. Statt das Problem zu lösen, vertagten sie es einfach.
Gestützt auf ausführliche Gespräche mit allen Beteiligten, nimmt Woodward den Leser mit hinter die Kulissen einer US-Hauptstadt, die über drei Jahre nach dem Amtsantritt des selbst ernannten "Versöhners" Obama in zwei verfeindete Lager gespalten war. Republikanerführer Boehner, selbst durchaus kompromissbereit, spürte den Druck vom rechten Flügel seiner Partei, der Tea Party. Ihre Anhänger verlangten radikale Opposition und lehnten Steuererhöhungen strikt ab, so Woodward:
Viele im Weißen Haus hatten das Gefühl, mit Boehner kaum eine Einigung erzielen zu können, weil die Mitglieder seiner Partei von ihm eine Demütigung Obamas erwarteten. Nur so ließen sich die Unterstützer der Tea Party zufrieden stellen. Für sie war jeder Kompromiss ein Verbrechen - eine Einigung, die beide Seiten zufrieden stellte, war für sie also inakzeptabel: Obama musste zerstört werden.
Der Präsident wiederum musste die linke Basis der Demokraten befrieden, die er für seine Wiederwahl dringend benötigt - und die wie Nancy Pelosi, Ex-Sprecherin des Repräsentantenhauses, vor notwendigen Reformen der überlasteten sozialen Sicherungsnetze zurückschreckte. Wie soll es in einer so aufgeheizten Atmosphäre eine Einigung gelingen? Woodward weiß auch keine Antwort, aber er benennt Schuldige - allen voran den Präsidenten. Obama habe gezögert und gezaudert, er sei ein schlechter Verhandler gewesen, analysiert der Buchautor. Woodwards Fazit fällt besonders harsch aus im Vergleich zu Vorgängern des amtierenden Präsidenten:
Es stimmt, dass Obama eine lausige Wirtschaftslage erbte und die Republikaner zu unerbittlichem Widerstand entschlossen waren. Aber US-Präsidenten können den wichtigsten Themen der Nation ihren Willen aufzwingen. In diesem Buch war mehrmals von Präsident Reagan und Präsident Clinton die Rede. Kritik an beiden ist berechtigt, aber ihnen ist genau dieser Willensakt weitgehend gelungen. Obama kann das nicht von sich behaupten.
Entsprechend trist ist das Urteil der Reporterlegende Woodward gegen Ende seines Buches, indem er die schwierige Ausgangslage für jeden Bewohner des Weißen Hauses skizziert, egal wie die Wahl am 6. November ausgeht. Er schreibt:
Amerikas gewaltige Schuldenlast und seine jährlichen Haushaltsdefizite beruhen auf zwei Problemen: immer höheren Ausgaben und zu geringen Steuereinnahmen. In den dreieinhalb Jahren seiner Amtszeit kürzten Obama, die Republikaner und die Demokraten kein einziges Mal ernsthaft die Staatsausgaben. Stattdessen einigten sie sich darauf, das erst Anfang 2013 zu tun. Sie haben auch niemals die Steuern erhöht. Kurzum: Sie waren einfach risikoscheu, was Amerikaner mit einer immer noch wackeligen Wirtschaftslage zurücklässt. Es bleibt beim Status quo - nur schlimmer.
Tatsächlich wären weder der Demokrat Obama noch der Republikaner Romney um den wohl schwierigsten Job der Welt zu beneiden. Siegt Obama erneut, muss er bereits in wenigen Monaten mit dann noch zornigeren Republikanern im Kongress Amerikas Budget neu verhandeln. Und gewinnt Romney, steht er aufgebrachten Demokraten gegenüber - die für Obamas Niederlage die Blockadehaltung der Republikaner verantwortlich machen werden.
Bob Woodward: The Price of Politics, Simon & Schuster, 448 Seiten, 17,95 Euro, ISBN: 978-1-451-65110-2