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Verunsicherte Gesellschaft (Teil 2)
Das Phänomen Populismus

Islamistisch motivierter Terror, Flüchtlingskrise, der Aufstieg populistischer Parteien, die Erosion des Vertrauens in die Politik und in die Medien. Eine Vielfalt von Faktoren sorgt für Verunsicherung oder Irritation. Parallel dazu verroht das Diskussionsklima. Wut und Beschimpfungen prägen die sozialen Netzwerke.

Von Susanne Grüter |
    Ein Demonstrant der Bergida-Bewegung, einem Ableger von Pegida, hält ein Plakat mit der Aufschrift "Let us make Germany great again" am Hauptbahnhof im Regierungsviertel in Berlin.
    Ein Demonstrant der Bergida-Bewegung, einem Ableger der islamfeindlichen Pegida-Bewegung, mit einem Slogan angelehnt an den künftigen US-Präsidenten Donald Trump (imago / IPON)
    "Wir sind das Volk" - Rufe.
    Donald Trump: "These are people who work hard but no longer have a voice – I am your voice.”
    Björn Höcke: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Merkel scheitern muss, damit Deutschland und Europa gerettet werden können, liebe Freunde."
    "Merkel muss weg" - Rufe
    Der Populismus rechter Couleur, der sich zur Zeit überall in Europa und in den USA ausbreitet, hat viele Gesichter. Mit ihm verbinden sich Namen wie Frauke Petry von der AfD in Deutschland, Marine Le Pen vom Front National in Frankreich, Geert Wilders von der Partei für die Freiheit in den Niederlanden, Heinz-Christian Strache von der FPÖ in Österreich und Donald Trump von den Republikanern in den USA.
    Donald Trump: "The American People will come first, once again."
    "Die Wahl Trumps ist ein Triumph des amerikanischen Volkes. Es ein Sieg der einfachen Menschen über das politische Establishment. Es ist ein Sieg über die am Wohlergehen der Völker wenig interessierten Eliten."
    Gemeinsames Muster der Populisten
    Parteichefin Frauke Petry im vergangenen November bei einer AfD-Kundgebung im sächsischen Pirna.
    "Das gemeinsame Muster das, was alle Populisten miteinander verbinden, ist die Anti-Establishment-Orientierung, die dann zusammengeht mit einer Parteinahme für das sogenannte einfache Volk. Die Populisten reklamieren, dass sie dessen Willen erkennen, den wahren Volkswillen, und sie werfen den gesellschaftlichen und politischen Eliten vor, dass sie sich gegen diesen wahren Volkswillen permanent vergehen. Das ist der gemeinsame Kern aller Populisten."
    Sagt der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker. Inhaltlich können Populisten durchaus unterschiedliche Programme verfolgen. Aber sie nutzen stets die gleichen Agitationsmuster. Der Aachener Politikwissenschaftler Emanuel Richter:
    "Es ist immer irgendeine Art von Ausgrenzungsideologie und Schuldzuweisung, also immer irgendwie ein Feindbild. Und damit einhergeht: Das sind immer auch Meinungsführer, also starke Persönlichkeiten, die im Vordergrund stehen, und die die populistische Zentralinstanz darstellen, die dann eben als größter Provokateur in Erscheinung tritt."
    "Ihre Bundeskanzlerin, Frau Merkel sagt, der Islam gehöre zu Deutschland – und ich frage Euch, hat sie Recht?"
    Rechtspopulisten wie Geert Wilders machen sich die Verunsicherung in der Gesellschaft zunutze. Sie schüren Ängste, malen den vermeintlichen Untergang an die Wand und inszenieren sich selbst als Retter, weil angeblich nur sie die Wahrheit aussprechen. Wer Populisten kritisiert, wird zum Verschwörer stilisiert und bekommt ihren Zorn zu spüren.
    Rechtspopulisten im Europäischen Parlament: die Britin Janice Atkinson (UKIP), die Französin Marine Le Pen (Front National), der Niederländer Geert Wilders (PVV)
    Rechtspopulisten im Europäischen Parlament: die Britin Janice Atkinson (UKIP), die Französin Marine Le Pen (Front National), der Niederländer Geert Wilders (PVV) (dpa / picture alliance / Olivier Hoslet)
    Pegida, die rechtspopulistische Organisation "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", bekannt durch ihre Montagsaufmärsche in Dresden, hebt sich besonders hervor. Der CDU-Politiker Karl Lamers, der in seiner aktiven Zeit vor allem Europa-Experte seiner Partei war, beobachtet die Aggressivität der Populisten mit Sorge.
    "Es ist ja geradezu sehr, sehr unangenehm, um mich zurückhaltend auszudrücken, wenn man etwa sieht, wie Pegida unsere beiden höchsten Repräsentanten, übrigens beide Ostdeutsche, von denen man eigentlich erwarten könnte, dass ihre Landsleute stolz auf sie wären, wie man die als Verräter beschimpft und an den Galgen wünscht."
    Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel wurden beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober von Pegida-Demonstranten in Dresden angefeindet. Auch der AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Björn Höcke, zielt immer wieder auf die Bundeskanzlerin.
    "Dieses Land wird von Idioten regiert. Merkel hat den Verstand verloren. Sie muss in den politischen Ruhestand geschickt werden oder in der Zwangsjacke aus dem Bundeskanzleramt abgeführt werden."
    "All das, was ich Ihnen hier sage, wird niemanden überzeugen, der immer nur ‚Merkel weg’ schreit. Das ist mir klar. Es heißt ja neuerdings, wir lebten inpostfaktischen Zeiten. Das soll wohl heißen, die Menschen interessieren sich nicht mehr für Fakten. Sie folgen allein den Gefühlen."
    Fakten und Argumente verlieren ihren Wert. Wahrheit wird ersetzt durch gefühlte Wahrheit – und damit machen Populisten Politik.
    "We will honour the American People with the truth and nothing else."
    Donald Trump verspricht dem amerikanischen Volk nichts als die Wahrheit, hat aber nachweislich im Wahlkampf gelogen. Seine Anhänger stört das nicht. Zum Repertoire der Populisten gehört es auch, die Bezeichnung "politisch korrekt" zu instrumentalisieren.
    "Wir wollen unser Land zurück aus den Händen der politisch Korrekten, die alle Probleme in Wohlwollen auflösen und aller Welt mit gutem Willen begegnen – außer dem eigenen Volk." Wie ein großes, klebriges Spinnennetz hat sich diese politische Korrektheit viel zu lange über unser Land und über einen Großteil der entwickelten Welt gelegt."
    Thüringens AfD-Fraktions- und Landeschef Björn Höcke spricht am 18.05.2016 auf dem Domplatz in Erfurt (Thüringen) bei einer Demonstration der Alternative für Deutschland (AfD) gegen die Asyl- und Integrationspolitik von Bundes- und Landesregierung. Dabei ging es auch um den geplanten Bau einer Moschee in Erfurt.
    AfD Demo in Erfurt: Björn Höcke zu dem geplanten Moscheebau (dpa / Foto: Martin Schutt)
    Rechtspopulisten sehen sich ständig in der Opferrolle. Sie beanspruchen alle demokratischen Rechte für sich, Meinungsfreiheit zum Beispiel, wollen aber die Ansichten des politischen Gegners nicht gelten lassen, schon gar nicht Kritik der Medien. Björn Höcke von der AfD:
    "Oh, was haben die Medien darüber hergezogen, wie bin ich mit Dreck beschmissen worden, man verschweigt, man verfälscht, und man brandmarkt."
    Angst vor der Globalisierung bringt den Rechtspopulisten Zulauf
    Die Verachtung der Presse findet auch in den sozialen Netzwerken der Rechtspopulisten breite Resonanz – dort, wo Behauptungen nicht begründet werden müssen und man fast nie zur Verantwortung gezogen wird. Gezielte Falschmeldungen – sogenannte Fake News – die in den Netzwerken kursieren, haben nicht nur den US-Wahlkampf massiv beeinflusst, sondern drohen auch in Europa, das politische Klima zu vergiften.
    Ob im Internet oder bei Veranstaltungen - Rechtspopulisten tangieren immer wieder die Nähe zum Extremismus. Wo die Grenze verläuft, ist nicht immer eindeutig zu bestimmen. Der Politikwissenschaftler Frank Decker von der Universität Bonn:
    "Der Populismus negiert offen oder versteckt etwas, was für jede liberale Demokratie konstitutiv ist, nämlich den Pluralismus. Beim Extremismus ist es ganz klar, der negiert die Demokratie auch als solche. Die AfD ist eine rechtspopulistische Partei, aber sicherlich keine durchgängig extremistische Partei, aber doch eine Partei mit mittlerweile starken extremistischen Einsprengseln, und darin ähnelt sie zum Beispiel auch der österreichischen FPÖ."
    Laut einer jüngst veröffentlichten Bertelsmann-Studie bringt vor allem die Angst vor der Globalisierung den Rechtspopulisten großen Zulauf - europaweit und in den USA.
    "Americanism – not globalism – will be our credo."
    "Die Verheißungen der Globalisierung sind gescheitert. Denn Verheißungen der Globalisierung hieß ja, dass über eine neoliberale Vernetzung auf der ganzen Welt es allen Menschen gut geht, insbesondere denjenigen, denen es bislang eben immer nicht gut gegangen ist, sagen wir mal wie der Arbeitermilieus, prekäre Berufsgruppen usw. Und das ist nicht gekommen."
    Analysiert der Aachener Politikwissenschaftler Emanuel Richter. Und der frühere Europapolitiker der CDU, Karl Lamers, meint, die Auswirkungen der Globalisierung würden durch die Beschleunigung in der Welt verstärkt.
    "Diese hat ja durch die digitale Kommunikationsrevolution noch einmal eine neue Dimension erfahren. Und das Bewusstsein der Menschen hinkt hinter der Wirklichkeit her. Deswegen gibt es eine Tendenz, sich in das jeweilige nationale Schneckenhaus zurückzuziehen, sich die Decke über den Kopf zu ziehen, die Wirklichkeit nicht wahrnehmen zu wollen."
    "Zum einen haben wir es mit sozialen, ökonomischen Verteilungskonflikten zu tun. Dazu kommen dann kulturelle Konflikte. Man bezeichnet die populistischen Parteien als Identitätsparteien, das ist eigentlich ihr Schlüsselthema, und da geht es im Kern um kulturelle Identität, das verbindet sich dann etwa mit der Zuwanderung, und das wird eben von vielen als verstörend empfunden."
    Donald Trump spricht vor Anhängern in Pennsylvania.
    Donald Trump bei einer Veranstaltung seiner Dankes-Tour in Pennsylvania. (picture alliance / dpa / Sputnik / Caitlin Ochs)
    Meint der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker. Bereits seit fast 15 Jahren ist die Zuwanderung in den Niederlanden das große Streitthema. Rob Savelberg arbeitet als niederländischer Journalist in Berlin für verschiedene niederländische und deutsche Medien.
    "Dieses Feld hat Geert Wilders besetzt mit seiner Islamkampagne. Er wollte den Koran abschaffen, er hat es gleichgestellt mit ‚Mein Kampf’, hat auch sehr viel Aufmerksamkeit so erregt, und das ist auch seine Masche, er skandalisiert das quasi, und er hat damit Erfolg."
    So spielen Angst vor Globalisierung, vor Zuwanderung und Identitätsverlust den Rechtspopulisten in die Hände, sagt Frank Decker.
    "Das verbindet sich dann drittens in einer Repräsentationskrise, also eigentlich einer Krise des politischen Systems, vor allem einer Krise der Volksparteien. Die Wähler finden sich nicht mehr wieder, die Parteien sind eben nicht in der Lage, Lösungsangebote zu formulieren."
    Von allen etablierten Parteien wandern Wähler, auch aus der Mittelschicht, zu den Rechtspopulisten. In manchen Ländern trifft es besonders die Sozialdemokraten. Dramatisch ist es in den Niederlanden. Rob Savelberg:
    "Die Partei von der Arbeit, eine Partei, die es seit 100 Jahren gibt, also die holländische SPD quasi, die hat den Parteichef entlassen, weil seine Partei eigentlich nur noch 8 Prozent vielleicht von den Wählerstimmen bekommt. Und ich weiß auch nicht unbedingt, ob die Nachfolger, ob sie diesen Trend stoppen können. Also, dass die Sozialdemokraten marginalisiert werden und sogar drohen, ganz zu verschwinden, also das ist natürlich, in Westeuropa ist es ein Unikum, es ist ein Vorgang ohne Präzedenz."
    Die Linke habe ihre Stammwähler aus den Augen verloren
    Der Aachener Politikwissenschaftler Emanuel Richter geht sogar so weit, zu sagen, die Linke in Europa habe beim Thema Globalisierung versagt und ihre Stammwähler aus den Augen verloren.
    "Es wäre ja eigentlich immer die Aufgabe linker und sozialdemokratischer, sozialistischer Gruppierungen gewesen, die Sorgen und Nöte genau dieser Bevölkerungsgruppe aufzugreifen und gegen diese Art von neoliberale Globalisierung aufzubegehren. Das haben sie aber nicht getan. Das war ein großer, strategischer Fehler."
    "Die Menschen haben es satt, ihre Probleme nicht frei aussprechen zu dürfen. Sie haben die Eliten satt, die abgehoben in den besseren Wohngegenden leben und die einfachen Leute mit ihren Problemen alleine lassen und sie als Rassisten und Nazis beschimpfen, wenn sie ihre Sorgen aussprechen."
    Dieses Gefühl des "Abgehängtseins" richtet sich zunehmend auch gegen die Europäische Union. Sie wird verantwortlich gemacht für Verteilungskonflikte zwischen den Südländern, die vermeintlich schlecht wirtschaften, und den stabilitätsorientierten Nordländern. Sie gilt als Einfallstor für unerwünschte Zuwanderung.
    Was in Brüssel geschieht, erscheint vielen Bürgern bürokratisch und intransparent, zum Beispiel, wie über die Freihandelsabkommen CETA und TTIP verhandelt wurde. Die Wut auf die EU gipfelte im Brexit. Aber auch viele Niederländer würden, wie die Briten, der EU gern den Rücken kehren.
    Eine rechtspopulistische Bewegung, die nicht so schnell verschwinden wird
    "Immer wieder Österreich."
    Längst haben die Rechtspopulisten ihre Gemeinsamkeiten entdeckt und vernetzen sich. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache lädt zum "Patriotischen Frühling".
    "Die große Persönlichkeit Marine Le Pen."
    Rechtspopulisten suchen auch die Nähe zur Putin-Partei "Einiges Russland". Die FPÖ, die AfD und der Front National können gut mit Putin. Sie bewundern seinen autoritären Führungsstil. Er versucht auf diese Weise, die EU zu destabilisieren.
    Es ist also eine rechtspopulistische Bewegung entstanden, die nicht so schnell verschwinden wird. Da sind Strategien gefragt. Es stellt sich die Frage, welchen Handlungsspielraum ein Nationalstaat allein überhaupt hat, um die Globalisierung auf einen neuen Weg zu bringen, meint der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker.
    "Man kann diese Entwicklungen natürlich auch nicht mehr ohne weiteres rückgängig machen. Sie müssen tatsächlich gestaltet werden, und insoweit ist es einfach etwas billig, jetzt das den Parteien vorzuwerfen. Da wird im Grunde auch ein Allmachts-Mythos von Politik und von politischer Gestaltungsfähigkeit beschworen, der in Wahrheit gar nicht mehr besteht."
    "Man darf sich nichts vormachen, man kann eher sagen, was man nicht machen soll, also beispielsweise Volksentscheide. Die Referenden, alle, die in letzter Zeit stattgefunden haben, für uns besonders anschaulich das Referendum in Großbritannien, haben doch gezeigt, dass gar nicht das entschieden wurde, um was es eigentlich ging", sagt der CDU-Politiker Karl Lamers. Die Briten hätten in Wirklichkeit gegen die Freizügigkeit der EU gestimmt. Um dem Populismus den Wind aus den Segeln zu nehmen, da sind sich die meisten Experten einig, sind langfristige Lösungen in der Sozialpolitik notwendig: Mehr Verteilungsgerechtigkeit, mehr Teilhabe, mehr Bildung.
    FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bei einer Pressekonferenz in Wien.
    Längst haben die Rechtspopulisten ihre Gemeinsamkeiten entdeckt und vernetzen sich. (afp / Georg Hochmuth)
    Die Parteien müssen den Bürgern mehr Gehör schenken, ohne sich anzubiedern. Eine schwierige Aufgabe, so Karl Lamers.
    "Das ist ein grundsätzliches Problem beim Populismus. Man darf nicht in dasselbe Horn tuten. Dann fühlen sie sich nur bestätigt, und sagen, ja, dann haben wir ja doch recht, sie haben aber absolut nicht recht."
    In Deutschland hat der Rechtspopulismus erst durch die Flüchtlingsdebatte Aufschwung bekommen. Die Silvesternacht von Köln gab ihm zusätzlich Auftrieb. Den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt Anfang vergangener Woche nutzt die AfD nun, um ausländerfeindliche Ressentiments zu schüren. "Es sind Merkels Tote"- twitterte der Landesvorsitzende der AfD von Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell.
    Und der Reflex einiger Regierungspolitiker: CSU-Chef Horst Seehofer will nun die gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik neu justieren. Viele sehen bei Seehofer Tendenzen zum Populismus und werfen ihm vor, er spiele der AfD in die Hände. Weil er wieder und wieder eine Obergrenze bei der Zuwanderung fordere, erwecke er den Eindruck, die Bundesregierung hätte die Flüchtlingspolitik nicht im Griff.
    Ein Patentrezept für den Umgang mit Rechtspopulisten gibt es nicht. Ignorieren geht nicht, dämonisieren auch nicht, so hatte es der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel zunächst versucht.
    "Ganz nah an der Sprache der Feinde der Demokratie, der Nazis der 20er- und 30er-Jahre."
    Rechtspopulisten fehlt die Bereitschaft zum Kompromiss
    "Wir müssen gar nicht an Weimar denken, das ist so ein bisschen auch ein deutscher Reflex, wir müssen einfach den Populismus ernst nehmen, und er stellt eine Gefahr für die demokratische Kultur dar."
    Empfiehlt der Aachener Politikwissenschaftler Emanuel Richter. Rechtspopulisten fehlt die Bereitschaft zum Kompromiss. Das erschwert den Dialog mit ihnen. So bleibt den etablierten Parteien nur, sich inhaltlich mit ihnen auseinanderzusetzen und Desinformationen konsequent zu entlarven. Emanuel Richter setzt außerdem ausgerechnet auf Donald Trump.
    "Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass er Widerstand haben wird in seiner eigenen Partei, dass er Widerstand haben wird von vielen großen Unternehmen, Widerstand haben wird von der politischen Öffentlichkeit. Und diese Art von Entzauberung der Populisten ist natürlich auch ganz wichtig, ja, um eben deutlich zu machen, die flotten Sprüche sind das eine, und die Politik tatsächlich dann auszuführen, ist das andere."
    Dennoch sieht es zur Zeit so aus, als hätten Geert Wilders in den Niederlanden und Marine Le Pen in Frankreich im nächsten Jahr Chancen, gewählt zu werden. Den etablierten Parteien und Regierungen dämmert allmählich, was auf dem Spiel steht. Für den bevorstehenden Wahlkampf in Deutschland bedeutet das, er wird mit harten Bandagen geführt. Auf dem CDU-Parteitag Anfang Dezember in Essen hat Angela Merkel immerhin Kampfeswillen erkennen lassen.
    "Wer das Volk ist, das bestimmt bei uns noch immer das ganze Volk, das bestimmen wir alle, nicht ein paar wenige, und mögen sie auch noch so laut sein. Das bestimmen wir alle."
    Susanne Grüter studierte u. a. Politikwissenschaften, Geschichte, Volkswirtschaft und Journalistik an den Universitäten Bonn und Mainz, ist freie Journalistin, war u. a. viele Jahre Korrespondentin im Hauptstadtstudio DW TV in Bonn und Berlin, hat weltweit über 25 Reisedokumentationen für Vox realisiert, ist u. a. tätig für Phoenix. Seit 2004 arbeitet sie als freie Autorin beim Deutschlandfunk für die Sendungen "Hintergrund" und "DLF-Magazin". RIAS-Stipendium für Journalisten an der Duke University, Durham, North Carolina und für die Heinz-Kühn-Stiftung in Israel.

    Populismus 2.0: Wird das offene Internet zum Netz der Wutbürger?

    "Radikale Parteien und radikale Strömungen haben viel besser verstanden, wie soziale Medien funktionieren", sagt Janko Tietz von "Spiegel Online". Was können Journalisten hierzulande besser machen, um die Leser nicht an Falschmeldungen und postfaktische Online-Lektüre zu verlieren. Was müssen IT-Konzerte unternehmen und ist Donald Trump ein reines Social-Media-Phänomen? Wir erleben den rasanten Aufstieg einer Teilöffentlichkeit im Netz, einer Eigendynamik, die mit Journalismus nur noch wenig zu tun hat - und kaum zu kontrollieren ist. Aber hat der Journalismus deswegen versagt? Nein, sagt Janko Tietz, aber er habe eine Entwicklung verschlafen. Welchen Preis zahlen wir für ein offenes Internet und wer steht in der Verantwortung für das populistische 'Unheil' und welche Faktoren beeinflussen die Viralität?

    dbate-Reporterin Denise Jacobs hat sich auf dem VOCER Innovation Day in Hamburg umgehört. Ist es reine Unternehmensideologie, dass das Internet ein öffentlicher Raum ist, in dem sich Demokratie besser entfalten kann als in traditionellen Institutionen? Facebook-Gründer Marc Zuckerberg verneinte zunächst den Vorwurf, dass Fake-News den Wahlsieg von Donald Trump beeinflusst hätten. Jetzt lenkt er ein und entschloss sich kurzerhand doch für Maßnahmen gegen Falschmeldungen. Auf dem VOCER Innovation Day suchen Journalisten und Medienexperten nach Antworten auf diese drängenden Fragen?