"Ok, wer mag moderieren? Ich. Ich frage auch ganz viel nach. Ok, cool. Willst Du dann Laura zuschalten über den Laptop?"
Heute trifft sich der Management-Kreis bei der Firma Soulbottles in Berlin. Das sind sechs Personen, Laura von der Marketing-Abteilung ist per Handy zugeschaltet - sie arbeitet heute von zuhause aus. Das Berliner Start-Up kombiniert Trinkflaschen aus Glas mit coolen Designs und motiviert Menschen so, mehr Leitungswasser zu trinken. Und: Bei Soulbottles gibt es ganz bewusst keinen Chef.
"Hallo Laura, na?"
Johanna Ebeling war CEO des Unternehmens, bis vor einem Jahr Holacracy eingeführt wurde. Holacracy, altgriechisch hólos für "alle" und -kratie für "Herrschaft", ist eine von dem US- amerikanischen Unternehmer Brian Robertson entwickelte Organisationsform, durch die alle Mitarbeiter eines Unternehmens Entscheidungsprozesse mitgestalten.
"Ja, also ein großer Aspekt unseres Arbeitens ist (...) diese non-hierarchische Form, in der es darum geht, dass der einzelne Mensch, der einzelne Mitarbeiter/Mitarbeiterin im Mittelpunkt steht und zwar nicht nur in ihrer Funktion, ihrer Rolle (...) sondern in der gesamten Form als Mensch."
Damit das funktioniert, werden so genannte "Kreise" gebildet, erklärt Mitbegründer von Soulbottles, Georg Tarne.
"Also es gibt einen Steuerungskreis (...), der auf die gesamte Firma schaut, und dann gibt es Unterkreise, die das sozusagen auf einzelne Bereiche runterbrechen."
In den Steuerungskreis wird je ein Vertreter der Unterkreise gewählt, sodass alle Kreise miteinander verzahnt sind wie ein Uhrwerk. Für Georg Tarne war es wichtig, eine Organisationsform für Soulbottles zu finden, in der sich seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frei entfalten können.
"So wie wir aufwachsen - gerade Schule etc. - wird uns abgewöhnt, auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu hören, da ist es wichtiger zu funktionieren (...) Und das führt halt dazu, dass wir in hierarchischen Organisationen gut funktionieren und Autoritäten nicht in Frage stellen."
Deswegen fordert Holacray auch viel Offenheit und Mitarbeit von allen Seiten, so der 26-Jährige. Aber es lohnt sich: Für die Atmosphäre, aber auch für die Effizienz des Unternehmens - gerade bei der Entscheidungsfindung. Denn die funktioniert nach dem Prinzip der Zustimmung, dem Consent-Prinzip. Das klingt furchtbar kompliziert, klappt aber gut, erklärt Monika Frech, Holacracy-Expertin und Mitverfasserin des Buchs "Thank God it's Monday".
Man fängt immer mit einem konkreten Vorschlag an, (...) und dann gibt's verschiedene Runden, und dann gibt es den so genannten "schwerwiegenden Einwand", das heißt, Entscheidungen sind dann angenommen, wenn keiner einen schwerwiegenden Einwand dagegen vorbringt.
Nach diesem Prinzip arbeiten auch die Soulbottles-Mitarbeiterinnen beim Treffen des Management-Kreises.
"...ich würde das vorschlagen im VE Meeting und falls es dann noch einen Einwand von Patty gibt... "
Innerhalb von anderthalb Stunden fallen auf diese Weise Entscheidungen über fast 20 Tagesordnungspunkte - die Gründer sind aber nicht bei jedem Treffen anwesend. Dazu braucht es Vertrauen den Mitarbeitern gegenüber.
Ein gutes Arbeitsklima ist auch für Holacracy eine Voraussetzung. Wenn das gegeben ist, braucht man keine Hierarchien, sagt Mitarbeiterin Johanna Ebeling.
"Also, vor allem merke ich das über die Eigenverantwortlichkeit, die jeder übernimmt. Die Motivation kommt ganz stark aus einem selber raus, weil man (...) auch unterstützt wird. Also Eigenverantwortlichkeit bedeutet bei uns nicht, alleine gelassen werden (...) sondern es ist auch eine ganz starke Kollegialität und Unterstützung sowohl auf persönlicher als auch auf beruflicher Ebene."
Darüber freut sich auch Georg Tarne. Seine Horrorvision:
"Papa Georg entscheidet, Papa Georg muss meine Probleme lösen (....) und du hast dann Verantwortung dafür, die Probleme der Leute zu lösen.(...)"
Mit Holacracy ist er diesem Schicksal entgangen - nicht nur zwischen den Jahren.