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VG-Wort-Urteil
Autoren brauchen Geld nicht mit Verlagen teilen

Seit Donnerstag ist in der Verlagsszene die Aufregung groß: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ihnen keine Urheberrechtsvergütungen zustehen. Es geht um Millionen, die Zeitungsverleger etwa fürchten nun um ihre Bildungseinrichtung. Autoren können hingegen mit Nachzahlungen rechnen.

Von Daniel Bouhs |
    Zahlreiche verschiedene Geldscheine.
    Bei den Urheberrechtsvergütungen geht es jährlich um Millionen. (dpa/picture-alliance/Daniel Reinhardt)
    159.000 Euro – so viel hat die VG Wort im vergangenen Jahr an den BDZV überwiesen, den Bundesverband der deutschen Zeitungsverleger. Geld, das die VG Wort auch im Auftrag der Zeitungsverlage dafür eingezogen hat, dass Zeitungsartikel kopiert wurden. Und Geld, das dem BDZV nun nicht mehr zusteht. So, wie die VG Wort nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs bis auf Weiteres keinem Verlag mehr etwas abgeben darf: Urheberrechtsabgaben gehören den Urhebern, also Autoren.
    Die Reaktion der Zeitungsverleger kam prompt: Die verbandseigene Akademie, die bislang etwa 20.000 Journalisten besucht hätten, müsse voraussichtlich noch vor der Sommerpause Liquidation anmelden. Das VG-Wort-Urteil gefährde also die Aus- und Weiterbildung von Journalisten. Ein harter Vorwurf. Und zumindest ein bisschen ist dran, denn: Die Ausschüttungen der VG Wort waren ausdrücklich zweckgebunden, eben für die journalistische Ausbildung. Allein: Das war eine freiwillige Vereinbarung.
    Ein Interview gibt BDZV-Geschäftsführer Dietmar Wolff in dieser Sache nicht, er antwortet immerhin schriftlich – etwa auf die Frage, ob sein Verband die Akademie denn nicht aus anderen Mitteln weiter finanzieren könne oder wolle:
    "Betriebswirtschaftlich sinnvoll kann die ABZV nicht ohne die Repro-Gelder existieren. Es müssten nicht nur diese fehlenden Gelder ersetzt werden, sondern die VG Wort hat zudem angekündigt, Rückzahlungsansprüche geltend zu machen. Wir stehen vor einem zu großen Finanzierungsrisiko."
    Was Wolff nicht sagt: Der BDZV steht auch sonst unter Druck – ihm schwindet der Rückhalt seiner Mitglieder, finanziellen Spielraum hat er deshalb kaum. Der Ausfall der VG-Wort-Zahlungen kommt da noch oben drauf.
    An die Buchverlage gingen Millionen
    Die Folgen des Urteils treffen allerdings ohnehin vor allem die Buchverlage – an sie gingen Jahr für Jahr Millionen. Bei einigen kleinen Buchverlagen sollen die Ausschüttungen der VG Wort bis zu einem Drittel des Umsatzes ausgemacht haben. Die VG Wort allein hatte bereits Rückstellungen von 90 Millionen Euro gebildet und Verlage zusätzlich vor möglichen Rückzahlungsforderungen der Urheber gewarnt.
    Für kleine Buchverlage geht es also tatsächlich um die Existenz. Der erfolgreiche Kläger, der Jurist und wissenschaftliche Autor Martin Vogel, hat hingegen schon im Vorfeld erklärt, dass es ihm ums Prinzip geht und nicht darum, Verlagen zu schaden:
    "Ich bin ja wirklich ein großer Freund der Bücher und vor allem auch der kleinen Verlage, die ja viel Literatur herausbringen, die wirklich das Kulturleben bereichern. Aber die Frage ist doch: Wem hat der Gesetzgeber diesen Anspruch zugeordnet? Und das ist eindeutig eben der Urheber."
    In der Frage, ob Verlage etwas von ihren Urheberrechtsvergütungen abbekommen sollten oder nicht, ist die Autorenschaft gespalten – immerhin seien es die Verlage, die ihre Werke überhaupt erst in Umlauf bringen, lektorieren und bewerben. Autoren hatten einst auch dem nun gekippten Verteilungsplan zugestimmt. Eine Autoren-Initiative kämpft außerdem dafür, dass die verlegerische Leistung honoriert wird.
    "Das ist eine Entwicklung, die nicht gut ist. Und die wir natürlich auch mit Sorge sehen, dass hier jetzt innerhalb der Autorschaft unterschiedliche Positionen vertreten werden", sagt auch der Geschäftsführende Vorstand der VG Wort, Robert Staats.
    Die VG Wort könnte allerdings bald wieder Geld auch ausdrücklich für Verlage einziehen: Die Branche lobbyiert bereits für ein eigenes sogenanntes Leistungsschutzrecht, zusätzlich zu dem, das es bereits für die ausschnittweise Nutzung von Online-Texten gibt. Die Frage ist nur, ob kleinere Verlage und die Akademie der Zeitungsverleger die Durststrecke bis dahin überleben würden. Mancher vermutlich nicht.