Nach dem Terroranschlag im März bittet die Londoner Polizei die Bevölkerung, Videoaufnahmen des Geschehens zur Verfügung zu stellen. Und nach dem Anschlag in Sankt Petersburg Anfang April wissen die Ermittler sehr schnell, wer der Täter ist:
"Russische Ermittler haben bestätigt, dass genetische Spuren von Akbarschon Dschalilow auch auf einer Tasche gefunden worden seien."
London gilt als video-totalüberwacht, im entscheidenden Moment aber war keine Kamera online. In der St. Petersburger U-Bahn waren es nicht die allgegenwärtigen Kameras, die den Täter überführten, sondern seine DNA. Was also haben die Kameras geliefert? In London: nichts. In St. Petersburg: Propagandamaterial für die Täter.
So geschehen auch nach dem Anschlag am Breitscheidplatz in Berlin, als der Attentäter Anis Amri seine Opfer noch verhöhnen konnte, indem der das Victory-Zeichen in die Kamera hielt:
"Also mit Sicherheit beflügelt das viele der Terroristen, da geht es ja gerade um die Aufmerksamkeit, um die Verbreitung von Angst und Schrecken und gerade um das Herbeiführen der Hysterie, was ihnen ja gerade ganz gut gelungen ist. Da sollte natürlich auch jede einzelne Person gut überlegen, welche Bilder sie da vielleicht ins Netz stellt und ob es nicht ausreicht, vielleicht relevante Bilder der Polizei zu übergeben."
Videoüberwachung = Videoaufzeichnung
Anja Heinrich ist Juristin und engagiert sich im Vorstand der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union dezidiert gegen ein Übermaß an Überwachung. Im Kontext Terror ist das Thema Videoüberwachung für sie eine Scheindiskussion: Jeder weiß, dass Kameras vor Ort nichts bringen gegen den Terror, aber diskutiert wird darüber nach jedem neuen Anschlag. Und zwar wild durcheinander.
Daher zunächst einige Begrifflichkeiten und Fakten: Sprechen wir von Videoüberwachung, so geht es in der Mehrzahl der Fälle eigentlich um Videoaufzeichnung. Darauf legt Petra Reetz großen Wert, sie ist die Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe BVG. Denn das Gros der Bilder, die die BVG in Zügen und Bahnsteigen macht, wird nie ausgewertet, das heißt: Die Fahrgäste sind eigentlich unbeobachtet.
"Das Datenschutzrecht ist ja Ländersache. In Berlin ist es so, dass wir nicht länger als 48 Stunden die Bilder speichern dürfen."
Hier werden also zu einem Großteil Videos maschinell aufgezeichnet und ungesehen automatisch wieder gelöscht. Videoaufzeichnung eben.
Videoüberwachung findet dann statt, wenn Menschen hinter der Kamera bzw. vor Monitoren sitzen und das Geschehen live beobachten. Videoüberwachung hilft beispielsweise dabei, Personal effektiver einzusetzen, nach dem Motto: Zwei Augen sehen mehr mit 10 Kameras. Dies erklärt uns Thomas Neuendorf, der Sprecher der Berliner Polizei. Dabei wird der Videoüberwachung oft die persönliche Präsenz der Polizei vor Ort entgegengesetzt:
"Man braucht weniger Personal, um sich größere Bereiche live anzuschauen. Gerade bei Straftaten kommt eben nicht nur das direkte Eingreifen bei Vorfällen, sondern eben auch das Subjektive hinzu. Ein Polizist, der Streife läuft auf dem Alexanderplatz, wird eben anders wahrgenommen und ist ansprechbar auch für Sachen, die vielleicht von der Kamera nicht erfasst werden, als ein großer Bereich, der mit Videokameras überwacht wird."
Die Begriffe Videoaufzeichnung einerseits und Videoüberwachung andererseits werden in der aktuellen Diskussion um Datenschutz versus Sicherheit oft vermischt. Selbst die Experten schwenken immer wieder zwischen den Begrifflichkeiten hin- und her wie die neuen Kameras auf den Bahnsteigen der BVG.
Auf dem Weg zur Bundespolizeiinspektion Berlin.
"Nächste Haltestelle: Ostbahnhof, Ausstieg rechts."
Am Ende des großen Bahnhofsgebäudes eine Dienststelle, die das riesige S-Bahnnetz von Berlin und die großen Bahnhöfe – insgesamt acht – im Blick hat. Die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn ist eng, man bedient sich gemeinsamer Systeme der Videoüberwachung.
Ein Treffen mit Rene Göbel, dem Videobeauftragten der Bundespolizei am Berliner Ostbahnhof. Es liegt quasi an seinem Job, dass er an die Erfolge der Videoüberwachung bei der Verbrechensbekämpfung glaubt:
"Weil durch die Aufnahmen sich die Täter selber erstmal erkennen, der Fahndungsdruck kann dadurch erhöht werden, wenn diese Öffentlichkeitsfahndungen gemacht werden und es wird immer Zeugen geben, die die Person erkennen und deswegen bin ich der Meinung, diese Erhöhung der Videoaufnahmen bringt uns in der Sicherheit ein großes Stück voran."
"Dann sehen wir hier vier große Bildschirme, die unterteilt sind in vier Quadrate. Vielleicht können Sie mir einfach mal erzählen, wo in Berlin wir uns da gerade befinden, wenn wir links oben anfangen?"
"Auf drei Bildschirmen werden nur Videosequenzen gezeigt, auf dem vierten Bildschirm sieht man den Ostbahnhof zu Hälfte und zur unteren Hälfte kann man andere Bahnhöfe auswählen und auf den drei Bildschirmen, wo Videosequenzen zu sehen sind, sind alles nur Videosequenzen vom Ostbahnhof. Das ganze System nennt sich Visma, es sind acht Bahnhöfe angeschlossen an diesem System."
"Wenn wir jetzt auf diese vielen Geschehnisse gucken, dann laufen Menschen auf den Bahnsteigen rum, vor den Shops und wir sehen das Gebiet vor dem Ostbahnhof. Wann werden Sie überhaupt aufmerksam, dass es sich hier jetzt lohnt, polizeilich tätig zu werden?"
"Wenn sich Situationen entwickeln, werden die erst beobachtet, also durch einen Mitarbeiter, der hier sitzt. Dementsprechend, wenn sich daraus Straftaten oder auch andere Maßnahmen daraus entwickeln, werden schon Kräfte in die Richtung beordert. Die beweglichen Kameras werden dann in die Richtung ausgerichtet, manchmal auch mit mehreren Kameras, um das in einem solchen Fall von allen Seiten beobachten zu können."
Zusammen mit den Beobachtern der Deutschen Bahn – drei S heißt das Versprechen: Service, Sauberkeit und eben Sicherheit – haben die Beamten der Bundespolizei hier Alles im Blick. Der große Rest, der nicht stetig von Menschen beobachtet wird, ist Videomaterial, das die Bahn bei der Zugabfertigung benötigt.. Wenn sich vor diesen Kameras ein Verbrechen ereignet, hat die Bundespolizei einen schnellen Zugriff auf die Dateien der Bahn und das zunächst ohne Staatsanwaltschaft.
"Ohne Staatsanwaltschaft. Wir müssen ja prüfen, ob auf den Aufnahmen etwas ist. Es gibt ja immer Situationen, dass wir zwar wissen, da ist was passiert, aber durch irgendwelche Umstände sieht man vielleicht gar nichts. Deshalb fordern wir die Bilder an, werten die aus und wenn dann wirklich was Auswertbares ist, dann bekommt das die Staatsanwaltschaft."
Hohe Hürden für Öffentlichkeitsfahndungen
Immer öfter genehmigen Richter in Berlin jetzt Anträge der Staatsanwaltschaft auf Öffentlichkeitsfahndung, die Polizeiberichte an die Medien liefern Bilder – bewegt oder nicht – im Anschluss gleich mit.
So geschehen am 27. Oktober des letzten Jahres. Eine Überwachungskamera am U-Bahnhof Herrmannstraße erfasst Swetoslaw S., als er eine Passantin hinterrücks eine Treppe heruntertritt. Die Frau bricht sich einen Arm und erleidet Platzwunden am Kopf. Der Fall des Berliner "U-Bahn-Treters" macht bundesweit Schlagzeilen. Aber erst, nachdem die Staatsanwaltschaft Berlin die sogenannte "Öffentlichkeitsfahndung" einleitet, nämlich Monate später. Zuvor aber hatte die Polizei jene 48h Stunden Frist genutzt, um Videomaterial sicherzustellen und auszuwerten.
"Zum Fall des U-Bahn-Treters muss man den Medien und der Polizei in erster Linie natürlich auch zu Gute halten, dass hier lange abgewartet wurde, bevor Bilder veröffentlicht wurden. Das ist sehr wichtig, weil die Veröffentlichung dieser Bilder immer nur das letzte Mittel sein darf, wenn man den Täter anderweitig nicht bekommt, weil hier natürlich auch eine Stigmatisierung erfolgt."
Anja Heinrich von der Humanistischen Union begrüßt es, dass die gesetzlichen Hürden für eine solche Öffentlichkeitsfahndung so hoch sind, denn bei einer unberechtigten öffentlichen Suche kann das Leben eines Beschuldigten schweren Schaden nehmen, denn gerade im Netz, wie es so schön heißt, "bleibt immer etwas hängen". Außerdem sollen sich Aufrufe zu einer öffentlichen Fahndung auf schwerwiegende Fälle beschränken, sodass sich diese juristische Konsequenz einer Videoaufnahme nicht abnutzt. Damit dieses Fahndungsinstrument also nicht überstrapaziert wird, müssen zunächst einmal klassische Ermittlungsverfahren herangezogen werden. Polizeisprecher Thomas Neuendorf:
"Nämlich dass Kollegen selber gucken müssen, ob man den kennt. Wir vergleichen das auch mit unserer Datei, die Bilder. Und es gibt auch, bevor eine Öffentlichkeitsfahndung ausgelöst wird, in vielen Fällen eine interne Fahndung, das heißt im internen Polizeikreis wird das Bild rumgeschickt, um nachzufragen: Kann den Täter jemand identifizieren?"
Mehr Aufklärung dank Digitalisierung
Aber erst, wenn es hinreichend Aussicht auf Erfolg gibt, macht die Staatsanwaltschaft den Weg frei, diese Bilder auch zu veröffentlichen.
"Wir werden schon in den nächsten Zeiten sehen, dass dieses Mittel immer häufiger angewendet wird, was letztendlich damit zusammenhängt, dass wir deutlich mehr Videoüberwachung haben und dass die Qualität der Aufnahmen deutlich mit der Digitalisierung gestiegen ist, sodass es sich auch lohnt, mit den Bildern eine Fahndung auszulösen, weil man darauf was erkennt."
Wenige Tage nach Veröffentlichung der Bilder sitzt Swetoslaw S. in Untersuchungshaft. Bei der BVG herrscht sogenannte Vollüberwachung, wenn einem hier was passiert, gibt es eine Chance der Aufklärung:
"Der Fortschritt ist, dass wir tatsächlich bessere Bilder haben. Und sicherlich werden wir die Anlagen, die wir heute als die ganz modernen ansehen, auch in zehn Jahren wieder ersetzen müssen. Man wird mit einem Programm, das nicht wir, sondern die Polizei hat, zum Beispiel bestimmte Gesichtserkennungsmerkmale machen. Das können unsere alten Bilder nicht. Was für uns auch ganz entscheidend ist: Wir bekommen Kameras, die wir auch schwenken können, die wir auch bewegen können."
Für Petra Reetz von der BVG ist das Thema nicht zuletzt ein Marketinginstrument:
"Ich habe nur dann Fahrgäste, wenn die sich bei mir wohl und sicher fühlen. Und insofern ist natürlich auch dieser Sicherheitsfaktor, dass niemand bei mir Angst hat, vor was oder wem auch immer, für mich tatsächlich auch ein Verkaufsargument als Verkehrsunternehmen."
Die vollumfängliche Überwachung der Berliner Verkehrsbetriebe – in allen U-Bahnen, Bussen, Bahnsteigen und Straßenbahnen – wird – wohl auch wegen der millionenschweren Investitionen, von der Wirtschaft in Berlin mitgetragen. Christian Amsinck ist der Hauptgeschäftsführer des örtlichen Unternehmerverbandes UVB:
"Wir haben jedes Jahr in der Stadt 30 Millionen Besucher und die dürfen erwarten – und dann kommen sie auch nur – dass es wirklich objektiv sicher ist und dass der Senat das Mögliche getan hat - alles ist nie auszuschließen – um Sicherheit zu gewährleisten und wir haben in diesem Jahr große Ereignisse – Turnfest, Kirchentag und so weiter – aber wir haben auch große Plätze, wo viele Menschen zusammenkommen, deswegen ist es auch richtig, hier auf Videoüberwachung zu setzen. Es verstärkt das Gefühl, sicher zu sein."
Der Berliner Senat jedoch will die Videoüberwachung nicht generell auf öffentlichen Plätzen ausweiten, sondern gezielt nur bei Gefahrenabwehr, wie es heißt, also auch bei erwartbaren Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Szenenwechsel also zum Oranienplatz in Kreuzberg, das ist genau so ein Ort – zumindest alle Jahre wieder am 1. Mai.
Mögliche Alternativen zur Videoüberwachung
Was aber wären die Alternativen zu der inzwischen nahezu kompletten Überwachung eines Nahverkehrssystems oder der Diskussion über mehr Videokameras auf öffentlichen Plätzen? Dabei hilft uns erneut Anja Heinrich von der Humanistischen Union:
"Dazu gehört natürlich erstmal Polizeipräsenz, weil Polizisten natürlich auch immer direkte Ansprechpartner sind, die die Situation vor Ort besser beurteilen können als eine Videokamera, erst Recht, wenn es eine Blackbox ist, wo letztendlich gar niemand dahinter sitzt. Im Übrigen ist es wichtig, dass hier an Prävention und Deregulierung gearbeitet wird, da hat ja jetzt das Land Berlin einen Schritt unternommen und beschlossen die Ausgaben für Prävention und Deradikalisierungs-Programme zu verdoppeln. Prävention und Deradikalisierung, wenn man da die Leute erreicht, ist das letztendlich der einzige Weg, hundertprozentige Sicherheit auf den einzelnen potenziellen Täter dann auch zu schaffen."
Aber wie steht es mit der Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität im öffentlichen Raum? In der ersten Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt forderte Raed Saleh, Fraktionschef der SPD, bei der Videoüberwachung ehrlich zu bleiben:
"Die Leute fragen sich zu Recht, ob es noch zeitgemäß ist, so restriktiv wie bisher bei der Videoüberwachung zu sein. Es ist ein Widerspruch, dass wir die Bürgerinnen und Bürger um Handyvideos bitten und zugleich der Staat sich selbst über die Maßen hinaus Fesseln bei der Videoüberwachung auferlegt. Niemand versteht, warum die Videoüberwachung auf Bahnhöfen erfolgreich ist, aber auf kriminalitätsbelasteten Plätzen nicht erlaubt sein soll, das passt nicht zusammen."
Saleh hatte damit die öffentliche Diskussion treffend umschrieben, seinem ungeliebten Parteichef, dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller, damit aber einen Kuckuck ins Nest gelegt. Kurz davor hatte sich nämlich die neue rot-rot-grüne Regierung in Berlin strikte Grenzen der Videoüberwachung in den Koalitionsvertrag geschrieben. Der Applaus für Saleh kam folglich von der Opposition.
Fast klammheimlich hat dann der Bürgermeister nach dem Anschlag am Breitscheidplatz die Position seines Senats zum Thema Videoüberwachung korrigieren lassen: Anlassbezogen, also wie bei den eben angesprochenen Großveranstaltungen oder auch bei Orten mit besonderer Gefährdungslage kann jetzt die Polizei Überwachungsmaßnahmen durchführen, allerdings eben nicht ständig.
Ein difuses Gefühl der Verunsicherung
Laufen die Menschen in Berlin also Gefahr, auf öffentlichen Plätzen zum Opfer zu werden, während sie sich in Bus und Bahn immer sicherer fühlen können?
"Wenn du auf einem öffentlichen Platz bist und da ist Videoüberwachung und du machst nichts, dann ist's doch eigentlich ok. Also, ich fänd's jetzt nicht schlimm."
Benjamin Geiger ist am Potsdamer Platz Opfer einer Gewalttat geworden. Nach einem Discobesuch wurde er auf offener Straße zusammengeschlagen und landete mit gebrochenem Kiefer im Krankenhaus. Seither sieht er das Thema Videoaufzeichnung im öffentlichen Raum anders. Der Berliner Senat hat Pläne zur dauerhaften Überwachung an Kriminalitätsschwerpunkten gestoppt. Ist er enttäuscht, dass der Staat ihn somit nicht mehr schützt?
"Ja natürlich, das wär überhaupt kein Problem gewesen, wenn wir das sehen hätten können und dann die Typen identifizieren. Dann hätte man die Videoaufzeichnungen durchforsten können, aber wurde nicht gemacht oder wird nicht mehr gemacht. "
Die Hilflosigkeit, die viele Verbrechensopfer ergreift, weil die Chancen, den Täter zu ermitteln, ohne Videomaterial viel geringer sind, diese Hilflosigkeit verwandelt sich in der Gesellschaft zu einem diffusen Gefühl der Verunsicherung. Populistische Parteien wie die AfD bedienen sich dieser Verunsicherung und machen sich zu Fürsprechern der Videoüberwachung. Georg Pazderski ist AfD- Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus:
"Und zu Videoüberwachung hat sich die AfD sehr sehr klar geäußert. Wir möchten Videoüberwachung an den Kriminalitätsschwerpunkten haben, das ist ganz klar. Weil wir sehen auch heute schon wieder, dass die, die den Kiosks überfallen haben ... gestern hat sich der 19 Jährige gemeldet, weil nämlich das Bild in der Fahndung war."
Anja Heinrich von der Humanistischen Union hält dagegen:
"Was viel in dieses Unsicherheitsgefühl reinspielt ist natürlich auch der Umgang mit solchen Straftaten, da ist natürlich die Politik gefragt, aber auch die Medien. Wie wird mit solchen Straftaten umgegangen? Wird hier permanent im Sekundentakt berichtet? Sind die Menschen quasi live dabei und erleben ihr persönliches Trauma und wird von der Politik dann auch offen und ehrlich darüber geredet: Was ist schief gelaufen?
Was kann man in Zukunft besser machen? Und wird vor allem – und das habe ich auch nach dem Anschlag in Berlin vermisst – erstmal abgewartet und ermittelt. Wo gab's denn Defizite, bevor massenhaft neue Sicherheitsgesetze vorgeschlagen werden und dann wird auch ehrlich über Vor- und Nachteile solcher neuen Sicherheitsgesetze diskutiert und nicht versprochen, was letztendlich durch – hier im Fall der Videoüberwachung, worüber wir ja sprechen – gar nicht gehalten werden kann."
Vor- und Nachteile sozialer Medien bei der Verbrechensaufklärung
Nicht zu unterschätzen ist die Rolle der sozialen Medien bei der Aufklärung von Verbrechen mittels veröffentlichter Videoaufnahmen.
Zunächst haben Facebook und Co. zumindest an der Geschwindigkeit der Verbreitung von Fahndungsmaterial ihren Anteil, vor allem junge Leute, wie Gewaltopfer Benjamin Geiger, teilen diese Bilder und so hatte der U-Bahn Treter von Neukölln nur noch wenige Tage in Freiheit, bevor er gefasst wurde:
"Gerade mit sozialen Medien, dieses von der Hermannstraße, das wurde ja über Facebook und Alles Mögliche geteilt, und so haben die den ja auch gekriegt, glaube ich."
Doch was dann kam, spielt wieder Populisten in die Arme: Das Material steht im Raum und für jede Weiterverarbeitung zur Verfügung. In diesem Falle tauchen die Fahndungsbilder in Youtube auf mit der Überschrift: "Zigeuner Svetoslav S. (27) in Berlin gefasst".
"Svetoslav S. kam gerade mit einem Reisebus an. Ende Oktober hatte der 27 Jahre alte Bulgare ohne erkennbaren Grund eine junge Frau mit einem Tritt eine Treppe in einer Berliner U-Bahn hinuntergestoßen."
Dieser Text wird unterlegt mit Bildern von seinem angeblichen Wohnort in Bulgarien, die Fahnen, die dort wehen, sind aber russische. Ein Anwalt spricht von lebenslänglicher Strafe. Und das Monate, bevor die Staatsanwaltschaft überhaupt Anklage erhob.
Videoüberwachung ist kein Beitrag zur Prävention
Die Fahndungserfolge nach einer solchen Tat sind in den letzten Monaten unbestritten, gerade in Berlin, das eng mit der politischen Diskussion zu diesem Thema verbunden ist. Doch wie steht es mit der Prävention? Anja Heinrich von der Humanistischen Union:
"Und, was ziemlich eindeutig ist und da sind sich die Fachleute eigentlich recht einig: Dass es zur Prävention- auch wenn bekannt ist unter bestimmten Gewalttätern, dass dort videoüberwacht wird, zur Prävention wird es nicht beitragen, die Videoüberwachung. Das haben wir ja gesehen. Mit Sicherheit war auch dem U-Bahn-Treter und den Jugendlichen, die da den Obdachlosen angezündet haben, bekannt, dass videoüberwacht wird. Aber Fachleute sagen: Gerade bei solchen Gewaltdelikten, und das bestätigen ja diese Fälle aus dem letzten Jahr, bringt Videoüberwachung nix. Weil sie häufig im Affekt passieren, oder unter Alkoholisierung und Menschen in dem Moment nicht darüber nachdenken, ob sie jetzt gefilmt werden oder nicht."