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Vom strahlenden Atommüll zum harmlosen Abfall

Auf den Geländen deutscher AKWs stapeln sich tonnenweise abgebrannte Brennstäbe mit hoch radioaktiven Substanzen, die 100.000 Jahre lang strahlen. Fachleute forschen an einem Verfahren, mit dem sich stark strahlender Stoff in harmloseren Müll verwandeln ließe.

Von Ralf Krauter |
    Wenn in vermutlich rund 10 Jahren der letzte deutsche Atommeiler vom Netz geht, werden die Betreiber auf einem stattlichen Berg stark radioaktiven Mülls sitzen. Ungefähr 127 Tonnen Plutonium, 6 Tonnen Neptunium und 14 Tonnen Americium dürften sich bis dahin angehäuft haben. Wohin damit weiß keiner. Weltweit wurde bis heute kein einziges Endlager für solch hochaktiven Strahlenmüll in Betrieb genommen.

    "Um das Endlager wird man nicht ganz drum herum kommen. Die Frage ist nur, wie aufwändig das Endlager ist."

    Dr. Arnd Junghans vom Forschungszentrum Rossendorf bei Dresden forscht seit Jahren an einem Rezept, mit dem sich die Anforderungen an die Langzeitstabilität künftiger Endlager deutlich senken ließen.

    "Rezept ist schon ein guter Ausdruck, weil der Kuchen ist noch zu backen. Das Rezept besteht darin, dass man mit schnellen Neutronen im Prinzip auch die langlebigen Atomkerne, die jetzt das Atommüllproblem darstellen, umwandeln kann, transmutieren kann, in kurzlebige Radioaktivität. Dafür braucht man natürlich besondere technische Anlagen. Die gibt es noch nicht. Da gibt es nur Vorstufen und Entwicklungsprojekte dazu. Aber mit diesen schnellen Neutronen kann man eben alle schweren Atomkerne spalten."

    Nukleare Transmutation heißt das im Fachjargon. Plutonium und andere Langzeitstrahler lassen sich damit in harmlosere Folgeprodukte verwandeln. Im Labor funktioniert das bereits, aber ließe es sich auch im industriellen Maßstab umsetzen, um Tonnen von Strahlenmüll unschädlich zu machen?

    "Wenn es möglich wäre, das Plutonium zu nutzen in Transmutationsanlagen oder in speziell dafür geeigneten Reaktoren, dann könnte man die Endlagerzeit schon deutlich reduzieren, weil sie durch das Plutonium dominiert wird. Man würde dann von 200 000 Jahren schon auf einige zehntausend Jahre kommen, also das um einen Faktor zehn reduzieren. Das wäre schon ein erster Ansatz. Und wenn man dann noch weiter gehen würde und man wäre in der Lage, die minoren Aktiniden, das sind die schweren Atomkerne außer dem Plutonium zu transmutieren, die sind ein weiteres Problem, dann könnte man auch auf weniger als 1000 Jahre kommen. Das wäre natürlich der Optimalfall. Aber ob das technisch umsetzbar ist, das bleibt noch zu untersuchen."

    Neben EU-Forschungsinitiativen zur Transmutation gibt es auch ein vom Bundesforschungsministerium gefördertes Projekt, an dem Arnd Junghans und Kollegen beteiligt sind. In einer Versuchsanlage schießen die Dresdner Forscher schnelle Neutronen auf Materialproben und messen, welche Zerfallsketten sich so in Gang setzen lassen.

    "Wir können also in dieser Anlage keinen Atommüll transmutieren, den können wir da gar nicht handhaben. Aber wir können zumindest kleine Mengen im Milligramm oder Grammbereich untersuchen und damit ausreichend genau die Reaktionswahrscheinlichkeiten bestimmen."

    Die wiederum wären dann hilfreich, um künftige Transmutationsreaktoren auszulegen, die jährlich hunderte Kilogramm langlebigen Strahlenmüll verbrennen und nebenbei noch Energie erzeugen könnten. Um die Hinterlassenschaften aller deutschen AKWs weitgehend unschädlich zu machen, müsste eine Handvoll dieser Anlagen jahrzehntelang laufen. Wer das bezahlen soll, ist nicht die einzige offene Frage. Die dazu nötigen Reaktoren sind kaum erprobt, ihre Sicherheit nicht bewiesen.
    Am Erfahrungen zu sammeln, baut das belgische Kernforschungszentrum in Mol derzeit eine milliardenschwere Pilotanlage für nukleare Müllverbrennung. Ein Kernreaktor, gekoppelt mit einer Teilchenschleuder als Neutronenquelle. Wenn alles glatt geht, will man 2023 den Regelbetrieb aufnehmen.

    Endlager gänzlich überflüssig machen wird die Transmutation nie. Aber sie könnte dazu beitragen, dass sie kleiner ausfallen können und geologisch nur einige hundert bis tausend Jahre geologisch stabil sein müssen. Ein Fortschritt, der die Standortsuche erleichtern würde. Dem aktuellen Stand der Forschung zufolge müsste er allerdings ziemlich teuer erkauft werden. Gut möglich, dass die Idee, Atommüll durch Elementumwandlung ungefährlicher zu machen, deshalb genauso ein Traum bleiben wird, wie einst die Vision der Alchimisten.