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Von der Finanzkrise zur Kreditklemme?

Immer schneller scheint die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale zu geraten. Kurzarbeit bei Daimler, erste Insolvenzen bei Autozulieferern, Produktionsstopp vieler Anlagen bei BASF, Einbrüche bei den Auftragseingängen. Kein Tag vergeht ohne neue Hiobsbotschaften. Die Finanzkrise ist endgültig in der Realwirtschaft angekommen. Denn die Unternehmen spüren, dass die Banken immer noch sehr vorsichtig mit ihrem Geld umgehen.

Von Michael Braun und Brigitte Scholtes |
    Das zeigt sich am Geldmarkt: Es hakt an allen Ecken und Enden. Banken leihen einander immer noch kaum Geld, und wenn, dann nur zu deutlich höheren Konditionen als früher. Sven Klein, Geldhändler beim Bankhaus Metzler, beschrieb die Lage heute Mittag so:

    "Der Geldmarkt ist nach wie vor gespannt in einer Größenordnung, die nicht im Sinne der EZB, nicht im Sinne des Staates und definitiv nicht im Sinne der Banken ist. Es ist auf Basis der bisherigen Geschehnisse keine Lösung gefunden worden, dem System wirklich eine merkliche Beruhigung zukommen zu lassen."

    Das zeigt sich auch an einem anderen Indikator: Die Banken parken überschüssiges Geld bei den Notenbanken, etwa bei der Europäischen Zentralbank. Das geschieht verstärkt wieder seit Mitte September, seit der Pleite der amerikanischen Großbank Lehman Brothers. Diese Pleite war ein Schock für die Finanzwelt, war sie doch zuvor davon ausgegangen, dass ein scheinbar sicherer Vertragspartner nicht insolvent werden kann.

    Vor der Krise legten die Institute überschüssige Gelder nur in geringem Umfang kurzfristig bei der EZB an. Einige Millionen, maximal hundert Millionen Euro - das war die Regel. Mitte Oktober waren es 300 Milliarden Euro, jetzt sind es immerhin noch knapp 220 Milliarden Euro - eine leichte Entspannung ist also zu sehen, eine Normalisierung aber bei weitem nicht. Und weil die Banken ihr Geld noch immer überwiegend bei der Europäischen Zentralbank deponieren, bleibt für andere Banken, für die Kreditversorgung der Wirtschaft immer weniger übrig. Geldhändler Sven Klein:

    "Der Geldmarkt ist seit eineinhalb Jahren verspannt. Wir haben eine Verschärfung dieser Verspannung im September gesehen mit der Insolvenz von Lehman Brothers. Und wir haben seitdem keine merkliche Entlastung gesehen. Wir haben weitere Märkte gesehen, die zusehends austrocknen, die sich als Refinanzierungsmärkte für einzelne Unternehmen nicht mehr anzapfen lassen. "

    Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, weiß das. Er sehe hier eine der wichtigsten Aufgaben der EZB, sagte er kürzlich in Brüssel:

    "Wir müssen alles tun, damit der Geldmarkt wieder funktioniert. Damit Banken sich wieder Kredite geben. Wir rufen die Banken auf zu berücksichtigen, was bisher an Erleichterungen beschlossen worden ist und was die Regierungen nun so bald wie möglich umsetzen müssen."

    Dabei haben sich die Rahmenbedingungen für Bankgeschäfte deutlich verändert. Am 5. Oktober hatte die Bundesregierung sämtliche Spareinlagen mit einer Staatsgarantie versehen. Und wenig später, am 13. Oktober, hatte sie das "Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Finanzmärkte und zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Realwirtschaft" vorgelegt. 500 Milliarden Euro standen kurz darauf bereit, um entweder Banken Bürgschaften oder Eigenkapitalhilfen zu geben. Wie sich dieser sogenannte "Banken-Rettungsschirm" im Alltag des Geldmarktes spürt, beschreibt Sven Klein so:

    "Das Rettungspaket hat vor allem in Deutschland bisher nicht den erwünschten Erfolg gebracht in der Form, dass Banken sich bereit erklärt haben, in gewünschtem Maße dieses Paket auch in Anspruch zu nehmen. Die Häuser, die es bisher getan haben, haben im Markt ihrerseits jetzt nicht den Vorteil daraus schöpfen können, dass sie sich im Geldmarkt nun günstiger oder überhaupt refinanzieren können. Also die Auswirkungen der Rettungsmaßnahmen des deutschen Staates sind bisher weitestgehend ausgeblieben."

    Immerhin: Einige wenige Banken haben das Rettungspaket mittlerweile in Anspruch genommen. Aber ein echter Andrang auf die Staatshilfe ist bis heute nicht erkennbar. Das stößt bei den politisch Verantwortlichen auf Unverständnis. Bundespräsident Horst Köhler, der selbst lange Jahre in verantwortlichen Positionen in der Finanzbranche gearbeitet hat, etwa mahnt:

    "Es geht um die Sicherung unserer Volkswirtschaft und damit um die Sicherung von Arbeit und Einkommen von Millionen Menschen. Ich erwarte, dass das Bankgewerbe dieses mutige Angebot der Politik nun seinerseits mit Mut und Bewusstsein für die Gesamtsituation begleitet und nutzt."

    Inzwischen hat der SoFFin, der "Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung", Hilfen für zwei private und für zwei Landesbanken zugesagt: Die BayernLB erhielt Bürgschaften über 15 Milliarden Euro, die HSH Nordbank Garantien über 30 Milliarden Euro. Die private Hypo Real Estate nahm Bürgschaften über 20 Milliarden Euro in Anspruch. Allein die Commerzbank erhielt nicht nur Garantien, in ihrem Fall über 15 Milliarden Euro, sondern auch Eigenkapitalhilfen, diese in einer Höhe von 8,2 Milliarden Euro.

    Die EU-Kommission aber hat Anstoß genommen an den Bedingungen, die an die Staatshilfe für die Commerzbank geknüpft sind. Dahinter steht die Sorge, staatliche Einflussnahme könne den Wettbewerb verzerren. Aber die Kritik wurde schon abgemildert. Es gehe nur um Kleinigkeiten, heißt es inzwischen bei der EU-Wettbewerbsbehörde. Unabhängig davon schwelt der Streit der Experten darüber, ob die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe ein Makel für die Banken oder in der derzeitigen außergewöhnlichen Situation gerechtfertigt sei, weiter. Analysten haben ihren festen Standpunkt, Dieter Hein etwa von der bankunabhängigen Gesellschaft fairesearch, ist überzeugt, dass staatliche Unterstützung ein Zeichen für das Versagen des Managements ist:

    "Selbstverständlich. Denn ansonsten ohne staatliche Hilfe wären die meisten Banken pleite, die diese Hilfe in Anspruch nehmen. "

    Der Streit um die Staatshilfen war von Josef Ackermann, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, angezettelt worden. Nachdem er an den Beratungen der Bundesregierung über die Gründung des Rettungsfonds teilgenommen hatte, ließ er wissen: Er würde sich schämen, wenn er diese Staatshilfe annehmen müsste. Und er scheint immer noch dieser Meinung zu sein. Heute sagt er: Er stehe zwar hinter dem Rettungspaket, ermuntere auch jeden, es anzunehmen, um eine Systemkrise zu vermeiden. Die Deutsche Bank aber will er außen vor halten und damit ihre besondere Rolle herausstreichen:

    "Solidarisch heißt für mich, wenn die Starken den Schwachen helfen. Und nicht, dass die Starken ins Gesamtboot einsteigen, damit keiner schlecht aussieht. Die Hochsprunglatte legen wir auch nicht auf einen Meter, damit jeder herüberkommt. Es gibt eben auch Unterschiede. Ich glaube, dieser Geist hat uns weitergebracht, gerade auch Deutschland und das soll auch weiterhin gelebt werden dürfen. "

    So Ackermann vorige Woche im Bayerischen Fernsehen.

    Doch der Bundesregierung geht es nicht um Sieger und Besiegte, nicht darum, Banken zu retten oder sterben zu lassen. Ihr geht es darum, dass die Banken wieder ihre Aufgaben erfüllen. Und die bestehen darin, die Wirtschaft mit Geld zu versorgen. Das hatte die Bundeskanzlerin deutlich gesagt, als sie Mitte Oktober den Finanzmarktstabilisierungsfonds vor dem Parlament rechtfertigte. Angela Merkel:

    "Ein intaktes Finanzsystem stellt den Zugang von Bürgern und von Unternehmen zu Krediten sicher, und es ermöglicht den Bürgern, sicher und mit Gewinn zu sparen. Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung dient deshalb der Stabilisierung des Finanzsystems. Es dient dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger und nicht dem Schutz von Bankinteressen. "

    Und Ende November wurde sie noch deutlicher: Da verglich sie die Banken mit "Kaltblütern im Winter" und warnte, die Wirtschaft könnte ansonsten darüber nachdenken, selbst im Bankgeschäft aktiv zu werden. Das geschieht in Einzelfällen schon: So gewährt Siemens über seine hauseigene Bank inzwischen nicht nur seinen Kunden Kredite, sondern hilft auch seinen Lieferanten, indem der Konzern ihnen Geld leiht. Andere Großkonzerne handhaben das ähnlich. Kleine und mittlere Unternehmen aber sind finanziell nicht so üppig ausgestattet, dass auch sie in das Kreditgeschäft einsteigen könnten

    Von denen kommt jetzt folgerichtig Kritik: Denn der Mittelstand sorgt sich, dass das Geld, das die Bundesregierung den Banken über das Rettungspaket zur Verfügung stellt, nicht bei ihnen ankomme. Dass die Banken also die Gelder aus dem Rettungsschirm nur nutzten, um ihre Strukturen zu verändern, anstatt sie als Kredite an den Mittelstand weiterzuleiten. So mahnt etwa Hans-Michael Heitmüller, Vorstandschef der Sparkassentochter Deutsche Leasing, der größten deutschen Leasinggesellschaft:

    "Diese Gelder müssen natürlich auch beim Mittelstand ankommen. Es muss also sichergestellt werden, dass diese Gelder auch zur Aufrechterhaltung der Kreditversorgung eingesetzt werden und damit eben auch zur. Liquiditätsversorgung des Mittelstandes und ich betone - auch der Leasingbranche, die wiederum mit diesen finanziellen Mitteln ja erst Investitionen ermöglicht - immerhin im Wert von 57 Milliarden."

    Das ist der zentrale Punkt in der Finanzmarkt-Debatte - die Frage nämlich, ob die Banken derzeit überhaupt ihrem Geschäft nachgehen, ob sie ihre "Pflicht" tun, wie es heißt, ob sie also Kredite vergeben, wenn die Unternehmen sie brauchen. Die Banken selbst geben vor, sie verstünden diese Debatte nicht. Der Chef der Deutschen Bank etwa, Josef Ackermann, ist Klagen nachgegangen, ein Unternehmen habe seinen Kreditwunsch nicht erfüllt bekommen. Dann habe sich herausgestellt, der Kunde habe seine bisherige Kreditlinie verdoppelt haben wollen - und das habe die Bank nicht mitgemacht. Die alte Kreditlinie werde aber keineswegs gekürzt. Und deshalb, so Josef Ackermann, könne von einer Kreditklemme keine Rede sein:

    "Das ist eine Sachfrage, in der die Frau Bundeskanzlerin und ich anderer Meinung sind. Die Fakten sagen folgendes: Seit Dezember 2007 hat das Kreditvolumen der privaten Banken sich um über 13 Prozent ausgeweitet, das heißt wir haben sehr viel Kredit gegeben. Wenn Sie von der Zukunft spricht - das müssen wir schauen. Die Nachfrage nach Krediten nimmt natürlich ab, weil weniger investiert wird, weil weniger expandiert wird. Aber bis heute von einer Kreditklemme in Deutschland zu sprechen, ist absolut falsch und führt auch zu einer ganz gefährlichen Diskussion. Dass die Preise etwas anders geworden sind - wir müssen auch höhere Kosten bezahlen - und dass natürlich die Banken vielleicht etwas genauer nachfragen, das ist sicher richtig. Das ist unsere Aufgabe. Aber es gibt keine Kreditklemme in Deutschland. "

    Das sagt nicht nur die Führungsfigur einer Bank - das sagt die ganze Bankenbranche. Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Klaus-Peter Müller, verweist auf entsprechende Statistiken der Deutschen Bundesbank, in denen eine Kreditklemme noch nicht nachzuweisen ist:

    "Das, was häufig in den Medien beklagt wird, sind Einzelfälle, die verallgemeinert werden. Ich habe immer wieder auch bei den Kollegen Verbandspräsidenten, das gilt auch für den VDA, darum gebeten, sich statt pauschaler Rundschläge doch einer höheren Präzision zu bedienen und auch mal zu sagen, wo sie denn diese vermeintliche Kreditverweigerung feststellen, damit man sich damit auch mal auseinandersetzen kann. Ich denke mal, die Zahlen, die ja nun nicht von uns kommen, sondern von der Deutschen Bundesbank, sprechen eine deutliche Sprache."

    Der Präsident des Automobilverbandes VDA, Matthias Wissmann, aber blieb auch nach Müllers Mahnung in der vergangenen Woche bei seiner Kritik: Seine Branche, vor allem die Zulieferer, spürten deutlich, dass die Banken die Taschen geschlossen hielten:

    "Es darf nicht sein, dass gesunde Unternehmen mit einem hoch spezialisierten und einmaligen Produktportfolio in existentielle Not geraten, weil Geschäftsbanken ihre Kreditvergaberichtlinien über die Maßen verschärfen oder gewährte Kredite mit erheblichen Zinsaufschlägen versehen. Wer bei Sonnenschein Regenschirme anbietet, dann aber den Schirm zuklappt, sobald Regen einsetzt, der muss wissen, dass er damit viele hochqualifizierte Arbeitsplätze bei Zulieferern, aber letztlich auch bei Herstellern gefährdet."

    Dass Wissmann wohl nicht ganz unrecht hat, zeigt der Fall des weltweit größten Bremsbelägeherstellers TMD Friction aus Leverkusen. Er musste gestern Insolvenz anmelden, obwohl das operative Geschäft nach der Einschätzung des Managements gesund sei.

    Die Erfahrungen, die derzeit in anderen Branchen gesammelt werden, decken sich nicht mit denen der Automobilindustrie. Die Chemieindustrie, viertgrößter Industriezweig in Deutschland, habe keinen Grund, über die Kreditversorgung zu klagen, sagt Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands VCI, der sich auf eine Umfrage in der Chemieindustrie bezieht:

    "Da gibt's eigentlich nicht wirklich Schwierigkeiten. Weder dass die Leute keine Kreditlinie bekämen noch dass sie Schwierigkeiten mit dem Eigenkapital haben, das heißt unsere Unternehmen sind liquide, da ist gar kein Problem vorhanden, es werden auch Kreditzusagen jetzt nicht zurückgenommen. Es wird vereinzelt auch aus anderen Branchen hin und wieder mehr Sicherheiten verlangt. Aber das ist wirklich das Höchste der Gefühle, was wir beim Thema Finanzierung sehen können."

    VCI-Präsident Ulrich Lehner, im Hauptberuf Chef des Waschmittelkonzerns Henkel, verweist zudem auf die andere Struktur der Chemiebranche:

    "Der Mittelstand ist anders finanziert als die Großunternehmen, die Liquidität in den Sparkassenverbänden ist stabiler als bei manchen Banken. Es wird sicher bei der Verlängerung von Kreditlinien spannend werden. Die Struktur unserer Branche ist tendenziell eine andere als in der Automobilindustrie. Sie wissen, dass 95 Prozent der Chemieunternehmen Kleinunternehmen sind. Insofern sind wir da als Chemieunternehmen breiter aufgestellt und nicht so abhängig von einzelnen Abnehmern."

    Das Ifo-Institut ist der Sache auf den Grund gegangen und hat 4.000 Unternehmen gefragt, wie ihre Banken sie mit Geld versorgen. Herausgekommen ist, dass die Banken seit August deutlich zurückhaltender Darlehen gewähren. Jedes dritte Unternehmen hat in der Umfrage die Kreditvergabe seiner Banken "restriktiv" genannt. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn:

    "Hier zeigt sich, dass die Kreditvergabe in den letzten Monaten deutlich restriktiver geworden ist. Also die Kredithürde ist insofern angestiegen. Insbesondere die Großunternehmen klagen über eine restriktivere Kreditvergabe. 40 Prozent der befragten Großunternehmen à 500 Beschäftigten sagen, dass die Banken restriktiv sind bei der Kreditvergabe. Wirklich dramatisch ist es aber noch nicht."

    Dass die Großunternehmen die mögliche Kreditklemme als erste zu spüren bekommen, dürfte, so meint auch Sinn, mit ihren Bankverbindungen zusammenhängen:

    "Die Erklärung könnte sein, dass diese Großunternehmen bei den Privatbanken ihre Kredite nehmen, die doch alle Eigenkapital verloren haben und jetzt ihre Ausleihungen reduzieren müssen. Es könnte auch sein, dass sie zum Teil Kredite bei den Landesbanken aufnehmen. Und die Landesbanken - das wissen wir ja - sind jetzt in Schwierigkeiten und müssen runter mit ihren Kreditvolumen."

    Die weitere Entwicklung ist derzeit unkalkulierbar, weil die Finanzmarktkrise mittlerweile mit einer herben Konjunkturkrise zusammenfällt. Die Bankenkrise hatte in einem Umfeld hoher Ölpreise, großer Sorge vor Inflation und einer starken Weltkonjunktur begonnen. Davon kann jetzt keine Rede mehr sein. Inzwischen sind die Ölpreise deutlich gefallen. Statt von Inflation ist von Deflation die Rede. Statt von starker Konjunktur wird nur noch über Rezession gesprochen. Dass die konjunkturelle Lage außergewöhnlich ist, steht für Ulrich Kater fest. Der Chefvolkswirt der Deka Bank beschreibt die Lage so:

    "Das ist eine besondere Rezession. Die Rezession ist aus dem Finanzsektor hervorgerufen, sie ist durch Immobilienpreisrückgänge hervorgerufen. Alles Dinge, die nicht von heute auf morgen gleich vorbei sein werden. Und der Finanzsektor ist gegenwärtig dabei, repariert zu werden. Das braucht auch seine Zeit. Man muss sicherlich ein oder zwei Jahre abwarten, bis dieser Sektor wieder funktioniert. Und in dieser besonderen Situation, in dieser besonderen Rezession ist es dann doch sinnvoll, dass der Staat die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stützt."

    Das wird das Thema am kommenden Wochenende sein, wenn die Bundeskanzlerin zusammen mit ihrem Wirtschaftskabinett, Banken und Ökonomen darüber diskutieren wird, wann welche Konjunktur stimulierenden Maßnahmen zu beschließen seien. Und wie sie finanziert werden sollen. Die Finanzwissenschaft macht sich derweil Gedanken darüber, wie eine solche Finanzkrise künftig zu verhindern sei. Eine wichtige Forderung: Jedes Geschäft müsse mit Eigenkapital unterlegt sein, damit die Bank am Risiko eines jeden Geschäfts beteiligt ist. Dabei müsse Eigenkapital auch wirklich "hartes" Eigenkapital sein, das also im Zweifel auch am Verlust teilhaben muss. Christoph Schalast von der privaten Frankfurt School of Finance and Management verlangt überdies eine bessere Bankenaufsicht.

    "Es gibt ja eine Tendenz von allen regulierten Industrien, dass man versucht, der Aufsicht zu entfliehen, sie zu umgehen, irgendwelche Nischen zu finden. Und dafür brauchen wir eine hoch spezialisierte, auch mit exzellenten Leuten besetzte Aufsicht. Die muss man auch entsprechend bezahlen. Sie muss europäisch und sie muss international aufgestellt sein. Und sie muss wirklich kreativ sein, sich nicht nur als Regulierer verstehen. Sie muss einen sinnvollen Dialog mit den Instituten und deren Selbstregulierungsmechanismen, die man zwar im Moment nicht als sehr sinnvoll ansieht, aber die es weiterhin geben muss, in Gang setzen. "

    Die Risikokontrollsysteme zu verbessern und ihre Anwendung in den Banken stärker zu kontrollieren - darauf legen Aufsichtsbehörden wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Deutsche Bundesbank jetzt schon großen Wert. So meint Bundesbank-Präsident Axel Weber, auch durch stärkere Regulierungen könne man neue Verwerfungen nicht verhindern:

    "Was es gilt - und das sollte im Mittelpunkt stehen - , ist die Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems gegen jegliche Art von Schock. Und diese Schockresistenz, die ist es, die wir brauchen. Nicht den Versuch, den nächsten Schock vorherzusagen. Sondern Schockfähigkeit gegenüber einer breiten Palette von möglichen Störungen. Und hier dürfen wir den Blick auf die möglichen Störungen nicht zu eng halten."

    Zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit aber gehört auch, die Vergütungssysteme der Bankmanager so zu gestalten, dass nicht der schnelle Quartalsgewinn, sondern der langfristig wirkende Ertrag honoriert wird. Banken werden dann vielleicht kleiner werden, werden weniger profitabel sein und mit weniger Personal auskommen. Aber sie könnten stabiler sein und ihrer Aufgabe, der Kreditvergabe an die Wirtschaft, wieder besser nachkommen - wenn die aktuelle Finanz- und Konjunkturkrise erst einmal überwunden ist.