"Eine Violoncellistin !!! soll sich in einem Pariser Salon producieren mit Namen Christiani-Barbier und zwar mit großem Beifall – Das sind die Früchte der Frauen-Emanzipation!"
Mit erkennbarem Missfallen berichtete die Allgemeine Wiener Musikzeitung von einer Sensation, die sich im Jahr 1844 in der französischen Hauptstadt ereignete: Eine junge Frau trat dort mit ihrem Violoncello als Solistin vor einem größeren Publikum auf. Damit verstieß sie gegen ein ungeschriebenes Gesetz der bürgerlichen Musikkultur: Vom öffentlichen Gebrauch der Musikinstrumente hatten Frauen sich fernzuhalten – allein das Spiel der Harfe und des Klaviers galt für sie als einigermaßen "schicklich".
Mit erkennbarem Missfallen berichtete die Allgemeine Wiener Musikzeitung von einer Sensation, die sich im Jahr 1844 in der französischen Hauptstadt ereignete: Eine junge Frau trat dort mit ihrem Violoncello als Solistin vor einem größeren Publikum auf. Damit verstieß sie gegen ein ungeschriebenes Gesetz der bürgerlichen Musikkultur: Vom öffentlichen Gebrauch der Musikinstrumente hatten Frauen sich fernzuhalten – allein das Spiel der Harfe und des Klaviers galt für sie als einigermaßen "schicklich".
Mehr als jedes andere Instrument war das Cello für Frauen Tabu. Der Pädagoge, Pfarrer und Komponist Carl Ludwig Junker hatte dies 1783 so formuliert:
"Ein Frauenzimmer spielt das Violoncell. Sie kann hierbey zwei Übelstände nicht vermeiden: Das Überhängen des Oberleibs, wenn sie hoch (nahe am Steg) spielt und also das Pressen der Brust; und dann eine solche Lage der Füße, die Bilder erwecken, die sie nicht erwecken sollten – aber damit sei den Wissenden genug gesagt."
Ein wildes und reizbares Kind
Es brauchte einen starken Willen, solchen verklemmten Männerphantasien zum Trotz - und als erste Frau überhaupt - eine Karriere als Cellistin einzuschlagen. Die am 24. Dezember 1827 in Paris geborene Elise Chrétien-Barbier, die früh ihre Eltern verlor und auf dem Lande aufwuchs, soll ein wildes und reizbares Kind gewesen sein, das gern mit Jungen spielte. Ihre außerordentliche musikalische Begabung wurde rasch erkannt und gefördert, doch erst spät erfüllte der kunstsinnige Großvater ihren Wunsch nach Unterricht auf dem Violoncello.
Die Konzerte, die sie unter dem Künstlernamen Lise Cristiani zwischen 1844 und 1846 in Frankreich, Deutschland und Skandinavien gab, waren Kassenschlager. Der Voyeurismus war dabei wohl oft größer als das Interesse an der Musik. Aus Berlin berichtete die Allgemeine musikalische Zeitung:
"Als sie heraustrat, da richteten sich alle Operngläser und Lorgnons auf die Virtuosin und viele im Hintergrunde des Saales Entfernte stiegen auf die Stühle, um zu sehen, wie eine Dame einen Bass halten könne. Zehn zu eins! Die meisten glaubten, es müsse etwas frivol aussehen, indem sie ganz und gar vergessen hatten, dass Demoiselle Cristiani eine Dame ist und für ihren speziellen Zweck ein weithin wallendes Kleid trägt, wodurch alle Contouren ihres Körpers verschleiert werden."
Skandallüsterne Blicke des Publikums
So erfolgreich Lise Cristiani ihren Körper den skandallüsternen Blicken ihres Publikums entzog, so wenig gelang es ihr, als vollwertige Künstlerin wahrgenommen zu werden. Zwar lobten Rezensenten ihre Intonation und ihren geschmackvollen Vortrag, doch unterstellte man ihr, spieltechnischen Herausforderungen auszuweichen, weil sie Virtuosennummern mied. Nur selten wurde ihr die vollkommene Beherrschung ihres Instruments attestiert, wie in diesem Konzertbericht aus Königsberg:
"Fräulein Cristiani ist eine Virtuosin hohen Ranges. Man kann nicht unterlassen, auch ihre äußere Fertigkeit zu bewundern, denn wie der Falke aus der Höhe so schießt ihre geflügelte Hand von den obersten Tongriffen zur Applikatur und zurück; und haarscharf ist ihr Ziel erreicht, höchste Reinheit und Klarheit lächelt dem Hörer stets entgegen."
Immerhin würdigten in Leipzig einige der besten Musiker und Komponisten ihrer Zeit Lise Cristianis Begabung durch die Mitwirkung an ihrem Konzertabend. Felix Mendelssohn-Bartholdy widmete ihr eine Romanze.
Nach zwei einträglichen Jahren verlor das Konzertpublikum in Europa das Interesse an Cristiani. Voller Abenteuerlust begab sich die 19-Jährige nach Russland und auf eine strapaziöse Reise durch Sibirien. Ihre Heimat sah sie nicht wieder: Am 2. Oktober 1853 starb sie 25-jährig in Nowotscherkassk an der Cholera.
Es sollte noch über ein Jahrhundert dauern, bis Cellistinnen anerkannt und ihr Anblick selbstverständlich wurde.