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Vor 300 Jahren
Tod der Forscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian

Künstlerin und Forscherin, Lehrerin, Geschäftsfrau und ihre eigene Verlegerin – Maria Sibylla Merian war eine vielseitige Frau. Ihre Kupferstiche von Insekten und Pflanzen machten sie schon zu ihrer Zeit berühmt. Früher als andere Forscher erkundete sie die Lebensbedingungen von Insekten. Vor 300 Jahren starb sie.

Von Ulrike Rückert |
    Verschiedene Präparate werden am 10.01.2017 in einem Ausstellungsraum des Museums Wiesbaden in Wiesbaden (Hessen) in Dioramen ausgestellt. Die Präparate wurden von der Naturkundlerin und Künstlerin Maria Sibylla Merian angefertigt.
    Verschiedene Präparate in einem Ausstellungsraum des Museums Wiesbaden: Die Präparate wurden von der Naturkundlerin und Künstlerin Maria Sibylla Merian angefertigt. (dpa / picture alliance / Susann Prautsch)
    "Es wurden mir einmal drey junge Lerchen lebendig gebracht den Eilfften Augusti, welche ich getödt, drey stunden darnach, alß ich sie wolte rupfen lassen, da waren siebzehn dicke Maden an ihnen. Diese Maden hatten keine Füß, und kundten sich doch fest an den federn halten. Den andern Tags veränderten sie sich in dergleichen gantz braune Eyer. Den 26. Augusti kamen so viel schöne grüne und blawe Fliegen herauß, welche ich grosse Mühe hatte zu fangen, dieweil sie so hurtig waren, ich bekame nur 5 darvon, die andern entflohen mir alle." beschreibt Maria Sibylla Merian ihre Beobachtungen, die sie an Insekten durchführte
    Ihr Forscherdrang machte vor nichts halt, wenn es um kriechende, krabbelnde und flatternde Geschöpfe ging. Ihre Beobachtungen hielt sie in präzise gezeichneten, delikat kolorierten Bildern fest – Künstlerin und Pionierin der modernen Naturwissenschaft zugleich. Sie wurde am 2. April 1647 in Frankfurt am Main als Tochter des berühmten Kupferstechers Matthäus Merian geboren. Zwar verlor sie den Vater früh, doch ihr Stiefvater, ein Stilllebenmaler, bildete sie gründlich aus. Auch für Mädchen war das in Künstlerfamilien nicht unüblich.
    Pionierin auf Höhe der Zeit
    Die Leidenschaft für Insekten war dagegen sehr speziell. Die Malerin und Schriftstellerin Anita Albus ordnet das Interesse Merians ein:
    "Die Erforschung der Gliederfüßer lag in der Luft. Zur gleichen Zeit wie die Merian begeistert sich der Delfter Tuchhändler Leeuwenhoek für die Facettenaugen der Insekten unter den selbstgeschliffenen Lupenlinsen seiner Mikroskope. Der Italiener Malpighi studierte unter dem ‚Flohgucker‘ die Anatomie der Seidenraupe, Swammerdam entdeckte die Ovarien der Bienenkönigin, die Genitalien der Drohnen, und in Middelburg erschien die dreibändige ‚Illustrierte Geschichte der Metamorphose der Insekten‘ des Malers Johannes Goedaert."
    Maria Sibylla Merian hegte Eier, Puppen und Raupen in Kästchen, um ihren Lebenszyklus zu studieren, und dokumentierte alles penibel. So entdeckte sie, dass die Tiere auf bestimmte Futterpflanzen spezialisiert sind, und entwickelte ein Bildkonzept, das zu ihrem Markenzeichen wurde: alle Entwicklungsstadien und die Futterpflanze zusammen darzustellen, wie es der Kunsthistoriker Kurt Wettengl beschreibt:
    "Man sieht also beispielsweise eine gelbe Levkoje mit dem Schmetterling, mit der Tigermotte, und der Raupe und der Puppe, die dann auf dem Blattgrün dieser Pflanze sich niedergelassen haben, wohingegen der Schmetterling oberhalb der Pflanze dann zu sehen ist."
    Erste Erfolge führten zu Eigenständigkeit
    Mit zwei Kupferstich-Bänden, ihren "Raupenbüchern", erntete sie den Applaus der gelehrten Welt. Die Zeit für ihre Passion musste sie einem vollen Arbeitstag abringen: als verheiratete Frau versorgte Maria Sibylla Merian einen Haushalt, zog zwei Kinder auf, gab Malunterricht, handelte mit Künstlerbedarf und bemalte Seidenstoffe zum Verkauf. Nach zwanzig Ehejahren verließ sie ihren Mann und zog mit ihren Töchtern zuerst in eine pietistische Gemeinschaft, dann nach Amsterdam. Dort entdeckte sie in den Naturaliensammlungen reicher Kaufleute eine neue Welt:
    "In Holland sah ich jedoch voller Verwunderung, was für schöne Tiere man aus Ost- und West-Indien kommen ließ, aber so, dass dort ihr Ursprung und ihre Fortpflanzung fehlten, das heißt, wie sie sich aus Raupen in Puppen und so weiter verwandeln. Das alles hat mich dazu angeregt, eine große und teure Reise zu unternehmen und nach Surinam zu fahren, um dort meine Beobachtungen fortzusetzen."
    Posthume Anerkennung
    Die spektakuläre Forschungsreise in die holländische Kolonie in Südamerika dauerte zwei Jahre. Aus den Schätzen, die sie zurückbrachte, wurde ihr ehrgeizigstes Projekt: ein Band über die Insekten von Surinam, in Großformat, in der Luxusausgabe von ihr selbst handkoloriert. Sie riskierte es sogar, das teure Buch selbst zu verlegen. Für viele Kenner zählen die Tafeln heute zu den schönsten Naturillustrationen. Reich machte es die Künstlerin nicht. Als sie am 13. Januar 1717 starb, wurde sie im Sterberegister als "arm" verzeichnet. Am selben Tag kam ein Agent des Zaren von Russland in ihre Malerwerkstatt, kaufte gleich 254 Blätter auf einmal für die Kunstkammer Peters des Großen und legte dafür 3000 Gulden auf den Tisch. Für Maria Sibylla Merian wäre das ein Vermögen gewesen.
    Das Museum Wiesbaden widmet Maria Sibylla Merian eine Ausstellung noch bis zum 9. Juli 2017